Guten Tag
Im Zeitraum August - November 2021 haben wir eine Klientin mit Sozialhilfe unterstützt. Ihre beim Unterstützungsbeginn noch ausstehenden ALV-Leistungen waren an unseren Sozialdienst abgetreten. Die an den Sozialdienst abgetretenen ALV-Taggelder für den Monat November 2021 leiteten wir Ende November an die Klientin weiter, da sie mit diesen ihren Lebensunterhalt für Dezember selbst bestreiten konnte und wir sie so per 30.11.2021 ablösen konnten.
Nun haben wir am 8. April eine Verfügung erhalten, mit welcher von unserem Sozialdienst knapp Fr. 500.- rückgefordert werden. Die Begründung ist, dass am 8. Dezember 2021 rückwirkend Einstelltage ab dem 1. November 2021 verfügt worden seien und dass der Klientin daher für diesen Zeitraum ein kleinerer Betrag zugestanden hätte. Die zu viel bezahlte Arbeitslosenentschädigung müsse nun bei unserem Sozialdienst als damals unterstützende Behörde zurückgefordert werden.
Als Rechtsgrundlage angegeben sind in der Verfügung AVIG 95 Abs. 1, ATSG 20, 22 und 25 sowie ATSV 2.
Ist unser Sozialdienst verpflichtet, diesen Betrag zurückzuerstatten, obwohl wir damals keine Kenntnis dieser erst später abgerechneten Einstelltage hatten und daher auch keine Möglichkeit hatten, auf die Pflichtverletzung der Klientin zu reagieren?
Und kann unser Sozialdienst den Betrag im Gegenzug bei der Klientin rückfordern? Sofern die Einstelltage bereits von der ursprünglichen November-Taggeld-Auszahlung abgezogen gewesen wären, hätte es für eine Ablösung knapp nicht gereicht. Der Sozialdienst hätte also auch dann für den Differenzbetrag noch aufkommen müssen, was gegen eine Rückforderung bei der Klientin spricht. Allerdings gab die Klientin damals bei Unterstützungsende an, dass sie per Januar eine Stelle würde antreten können, sodass davon auszugehen ist, dass sie den Betrag heute durchaus sollte bezahlen können.
Ich bin gespannt auf Ihre Rückmeldung.
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Vielen Dank für Ihre Fragen. Ich beantworte diese gerne wie folgt:
In Art. 2 Abs. 1 lit. c der Verordnung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ist ausdrücklich festgehalten, dass Behörden, an welche die unrechtmässig gewährte Leistung nachbezahlt wurde, rückerstattungspflichtig sind.
Soweit die Sozialhilfe die ALV-Taggelder von August bis November 2021 als Nachzahlung erhalten hat, ist sie damit grundsätzlich im Umfang der unrechtmässig bezogenen Leistungen (vorliegend Fr. 500.--) zur Rückerstattung verpflichtet.
Nun ist es allerdings so, dass im vorliegenden Fall die Sozialhilfe die ALV-Taggelder für November 2021 nicht im November angerechnet, sondern diese für den Lebensunterhalt für Dezember 2021 ausbezahlt und damit keine bevorschussenden Leistungen für eine Nachzahlung nach Art. 22 ATSG betreffend die Novemberauszahlung 2021 der ALV geleistet hat. Dieses Vorgehen entspricht der Rechtsprechung und der gängigen Praxis. Demnach sind Arbeitslosentaggelder zum Leben im kommenden Monat bestimmt und deshalb im Folgemonat anzurechnen. Exemplarisch sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 12.09.2018 (VB.2018.00245) genannt.
Was hat dies zur Folge? Es besteht kein Abtretungsanspruch der Sozialhilfe für die Novemberauszahlung 2021. Zudem können Geldleistungen der Sozialversicherungen nach Art. 20 Abs. 1 ATSG nur dann ganz oder teilweise an Behörden ausbezahlt werden, wenn diese die anspruchsberechtigte Person dauernd fürsorgerisch betreuen, sofern die berechtige Person die Geldleistungen nicht für den eigenen Unterhalt oder für den Unterhalt von Personen, für die sie zu sorgen hat, verwendet oder dazu nachweisbar nicht im Stande ist (lit. b) und deswegen auf die Hilfe der öffentlichen Fürsorge angewiesen ist (lit. c).
Wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe, war die unterstützte Person nicht deshalb bedürftig, weil sie die ALV-Taggelder zweckentfremdet hat, sondern weil die ALV-Taggelder noch nicht ausbezahlt waren. Die Voraussetzungen für die Auszahlung der laufenden ALV-Taggelder scheint mir deshalb vorliegend nicht gegeben zu sein, weshalb die Sozialhilfe die Leistungen für November 2021 als laufende Taggelder und insbesondere wegen fehlenden Vorschussleistungen korrekterweise der ALV hätte zurückbezahlen müssen und nicht der Klientin hätte ausbezahlen dürfen.
Für mich gibt als Ergebnis dieser Ausführungen 2 Lösungen:
- Entweder bezahlt die Sozialhilfe die ALV-Taggelder für November 2021 vollumfänglich an die ALV zurück mit der Begründung, keinen Anspruch auf die Auszahlung dieser gehabt zu haben (keine Bevorschussung) verbunden mit der Bitte, die Taggelder - vermindert um die Fr. 500.-- - an die Klientin auszubezahlen. Ergänzend verlangt die Sozialhilfe von der Klientin die gesamten für November 2021 an sie bezahlten ALV-Leistungen gestützt auf den Tatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 62 ff OR) zurück, wobei für mich fraglich ist, ob dies mittels Verfügung erfolgen kann, da die Sozialhilfe eben gerade keine Sozialhilfeleistungen erbracht, sondern lediglich ALV-Taggelder weitergeleitet hat.
- Oder die Sozialhilfe bezahlt pragmatischerweise die von der ALV zurück verlangten Taggelder im Umfang von Fr. 500.-- nach Art. 2 ATSV an die ALV zurück und fordert von der Klientin diese gestützt auf den Tatbestand der ungerechtfertigten Bereicherung zurück. Diese Lösung scheint mir - wie oben ausgeführt - zwar rechtlich nicht ganz korrekt, birgt aber ein kleineres finanzielles Risiko.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach