Eine Klientin unseres Sozialdienstes ist IV-Rentnerin mit Ergänzungsleistung. Ihr Vater ist im Januar 19 in Australien, wo er gelebt hat, verstorben. Die Klientin hatte kaum Kontakt zu ihm. Nach dem Tod ihres Vaters wurde sie von drei Männern kontaktiert, die offenbar am Erbe betreiligt sein sollen. Sie hat weiter nichts gehört und weiss nicht, was der Vater hinterlassen hat. Geschwister hat sie keine. Einen Beistand hat sie nicht.
Nun hat die Klientin einen Brief der Schweizerischen Ausgleichskasse erhalten. Sie wird darin aufgefordert, die Renten zurückzubezahlen, die der Vater zu Unrecht erhalten hat. Es geht um Fr. 2030. Für sie ist das sehr viel Geld.
Es steht, die Rückerstattung der zu Unrecht bezogenen Rente könne teilweise erlassen werden, wenn die Voraussetzungen des guten Glaubens und der grossen Härte gleichzeitig erfüllt sind.
Wie können wir ein Erlassgesuch begründen?
Wir haben sehr wenige Informationen und die Klientin weiss nicht, wer zuständig ist für die Verteilung des Erbes. Wer ist zuständig? Bürgerort? Australien? Schweizer Botschaft?
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Damen und Herren
a) In einem ersten Schritt sollte hier seitens der Klientin (bzw. vom SD mit Vollmacht) über die Ausgleichskasse Akteneinsicht verlangt werden, um zu erfahren, auf welcher Basis die Schweizerische Ausgleichskasse von einer Schuldnerstellung Ihrer Klientin als Erbin ausgeht.
b) Gemäss ATSG gilt, dass zur Rückerstattung von unrechtmässig bezogenen Renten und Hilflosenentschädigungen unter anderen (vgl. Art. 2 Abs. 2 ATSV) der Leistungsempfänger, dessen gesetzliche Vertreter und auch die Erben verpflichtet sind (vgl. Art. 25 ATSG und Rz. 10601 RWL ( Wegleitung über die Renten in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlasse-nen- und Invalidenversicherung, Stand 1.1.2019).
Die Rückerstattungspflicht der verstorbenen rückerstattungspflichtigen Person geht also mit der Annahme der Erbschaft auf deren Erben über, und zwar auch dann, wenn die Rückforderung zu Lebzeiten der rückerstattungspflichtigen Person nicht geltend gemacht wurde (ZAK 1959 S. 438). In diesem Falle ist die Rückerstattungsverfügung an alle Erben zu richten und auch grundsätzlich diesen allen zuzustellen. Kann die Rückerstattungsverfügung nicht allen Erben zugestellt werden, genügt es, wenn diese nur an eine einzelne Erbin oder an einen einzelnen Erben gerichtet wird (AHI 2/2003 S. 174); Rz. 10604 RWL (Stand 1.1.2019).
c) Je nach Aktenlage ist dann das weitere Vorgehen zu klären: Falls die Erbenstellung nicht ausgewiesen ist in den Akten der Schweizerischen Ausgleichskasse ist gemäss Ihrer Fallschilderung zu bestreiten, dass ihre Klientin überhaupt eine Erbenstellung einnimmt und den Nachlass angenommen habe. Dies ist schriftlich mitzuteilen, bzw. es ist eine Verfügung zu verlangen, damit eine entsprechende Einsprache gemacht werden kann.
Als Vorfrage (auch mit Blick auf Leistungsansprüche) ist dann weiter zu klären, ob hier überhaupt eine Erbenstellung besteht seitens der Klientin. Im Rahmen dieses Forums kann nur allgemein darauf hingewiesen werden, dass es dafür ratsam ist über die Schweizerische Botschaft die weiteren Informationen, auch für das Vorgehen, einzuholen. Zumal die Frage des anwendbaren Erbrechts gerade in Australien nicht ohne Weiteres klar ist und je nach Teilstaat differiert.
d) Sollte Ihre Klientin Erbenstellung haben, und den Nachlass angenommen haben, so ist für die Rückerstattung eine Verfügung zu verlangen und diese daraufhin zu prüfen, ob überhaupt ein Rückerstattungstatbestand im Sinne von Art. 25 ATSG besteht (ob also unrechtmässige Renten bezogen wurden).
Im Weiteren ist eine Rückerstattung dann nicht verlangbar, wenn diese eine grosse Härte bedeutet (das kann hier mit der SH-Abhängigkeit begründet werden) UND wenn die Leistungen seitens der rückerstattungspflichtigen Person in gutem Glauben empfangen wurden. Insoweit könnte also geltend gemacht werden, wenn denn der Nachlass überhaupt empfangen wurde (siehe oben unter lit. c), dass die Erbin keine Kenntnis vom unrechtmässigen Bezug hatte bzw. haben konnte. Dies wäre je nach den konkreten Umständen des unrechtmässigen Bezuges zu begründen.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot
Guten Tag Herr Mösch Payot
ich danke Ihnen ganz herzlich für die umfassende Antwort!
Mägi Fässler, Sozialdienst St.Peter und Paul, Winterthur