Zum Inhalt oder zum Footer

Rückerstattungspflichtige Sozialhilfeleistungen Kanton Zürich

Veröffentlicht:
13.07.2020
Kanton:
Zürich
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Eine Klientin hat längere Zeit Sozialhilfeleistungen bezogen. Im November 2018 hat sie geerbt und dies dem Sozialdienst gemeldet.

Nun erhält sie eine Rückerstattungsforderung. Es werden sämtliche Sozialhilfeleistungen zurückgefordert (inkl. Krankenkassenprämien, krankheitsbedingte Auslagen, Einkommensfreibetrag). Welche Leistungen sind grundsätzlich rückerstattungspflichtig im Kanton Zürich?

Weiter hat sie inzwischen einen Grossteils des Erbes aufgebraucht. Bezahlt sie den geforderten Betrag zurück, ist sie danach erneut auf Sozialhilfe angewiesen. Macht diesbezüglich eine Einsprache Sinn?

Besten Dank für Ihre Rückmeldung und freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Cathrin Habersaat-Hüsser

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte*r Herr/Frau Bürgin

Gerne gehe ich auf Ihre Fragen ein. Rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe kann ganz oder teilweise zurückgefordert werden, wenn Hilfeempfangende durch Erbschaft, Lotteriegewinn oder anderen nicht auf eigene Arbeitsleistungen zurückzuführenden Gründen in günstige Verhältnisse gelangen. In Fällen von günstigen Verhältnissen aus eigener Arbeitsleistung kann Rückerstattung geltend gemacht werden, wenn diese zu derart günstigen Verhältnissen führt, dass ein Verzicht auf die Rückerstattung, unter Berücksichtigung der Gründe des Hilfebezugs, als unbillig erscheint (§ 27 Abs. 1 lit. b Sozialhilfegesetz Kanton Zürich (SHG ZH)). Gemäss Behördenhandbuch Kanton Zürich, 15.2.01 ist dabei relevant, dass die Person einen Vermögenszufluss tatsächlich erhalten hat, nicht aber, ob im Zeitpunkt der Rückforderung noch ein Vermögen vorhanden ist. So auch bestätigt im Urteil des Verwaltungsgerichtes Zürich VB.2010.00639 vom 07.04.2011, E. 4.4). Im Urteil VB.2017.00020 vom 04.05.2017 legt das Verwaltungsgericht zudem fest, dass bei der Prüfung der Frage, ob der/die Betroffene durch die Erbschaft "in finanziell günstige Verhältnisse" gelangt ist, bestehende Schulden grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind (E.3.2). Somit erscheint mir eine Rückforderung bis maximal zur Höhe des Erbes rechtmässig zu sein.

Welche Leistungen dürfen nun zurückgefordert werden? §27 Abs. 2 SHG ZH besagt, dass sich der Rückerstattungsanspruch auf Leistungen erstreckt, die der Hilfeempfänger für sich selbst, für den Ehegatten während der Ehe, für seine eingetragene Partnerin oder seinen eingetragenen Part­ner während der Dauer der eingetragenen Partnerschaft und für seine Kinder während ihrer Minderjährigkeit erhalten hat. VB.2008.00061 vom 8.4.2008 besagt, dass alle Leistungen erfasst sind, die eine Person für sich erhalten hat, ohne dass sich diese des sozialhilferechtlichen Charakters der erbrachten Leistungen bewusst sein oder eine entsprechende Rückerstattungsverpflichtung unterzeichnet haben müsste. Mit der in §27 Abs. 1 festgehaltenen offenen Formulierungen „kann“ sowie „ganz oder teilweise“ räumt der Gesetzgebende den Sozialhilfebehörden bei der Frage, ob und in welchem Umfang sie rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe überhaupt zurückfordern wollen, einen grossen Ermessenspielraum ein, der auch den Einbezug von Billigkeitsüberlegungen gestattet (vgl. VB.2006.00483, vom 8.2.2007, E. 4.2.4; RB 2003 Nr. 67 E. 4b). Damit ist insbesondere Spielraum vorhanden, ob auf die Rückerstattung von Kosten eines Arbeitsintegrationsprogramms, welches auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruht, verzichtet wird.  Sozialhilfeleistungen, die auf einer Gegenleistung beruhen (Leistungen, welche zur Förderung der beruflichen und/oder sozialen Integration gewährt wurden, dazu zählen Einkommensfreibetrag, Integrationszulagen, situationsbedingte Leistungen im Zusammenhang mit Integrationsmassnahmen), sollten nicht zurückgefordert werden, so empfiehlt es nämlich die SKOS in ihren Richtlinien (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel D.2 und E.3.1) und auch das Behördenhandbuch Kanton Zürich in 15.2.01 unter Ziffer 4. Die SKOS-Richtlinien haben grundsätzlich gemäss §17 Sozialhilfeverordnung Kanton Zürich (SHV ZH) in Zürich Gültigkeit, ausser die Sicherheitsdirektion hat anderslautende Weisungen erlassen oder es liegt eine begründete Abweichung im Einzelfall vor. Da es sich um eine Kann-Bestimmung handelt, ist Spielraum vorhanden. Ich rate Ihnen, bei der Gemeinde das erwähnte Urteil des Verwaltungsgerichtes und die SKOS Richtlinien/Behördenhandbuch anzuführen und auf die Verhältnismässigkeit zu pochen, um zu erreichen, dass der EFB, allenfalls auch die krankheitsbedingten Auslagen, sofern Sie im Zusammenhang mit Integrationsmassnahmen standen, nicht zurückgefordert werden.

Zu den Krankenkassenprämien im spezifischen: Nach Art. 3 Abs. 2 lit. b Zuständigkeitsgesetz (ZUG) gelten die von einem Gemeinwesen anstelle von Versicherten zu übernehmenden Beiträge an die obligatorische Krankenpflegeversicherung nicht als sozialhilferechtliche Unterstützungen (so auch die SKOS-Richtlinien B.5) und können dementsprechend auch nicht rückgefordert werden. Seit dem 1. April 2020 ist das revidierte Einführungsgesetz zum KVG ZH in Kraft und dort heisst es im §15 Abs. 3: «Die Forderungen der Versicherer gegenüber der versicherten Per­son gehen auf die Gemeinde oder die SVA über. Diese macht sie unter den Voraussetzungen von §§ 26–30 des Sozialhilfegesetzes vom 14. Juni 1981 geltend und leitet den Erlös dem Kanton weiter.» Das stellt eine rechtliche Grundlage in Zürich dar- in Abweichung der SKOS-RL- die KVG Prämien, welche nicht über die Prämienverbilligung gedeckt sind (Abs. 1), durch die Gemeinde von der betroffenen Person im Rahmen der Rückerstatttung zurückzufordern. Diese Rückerstattungspraxis wurde gemäss meiner Recherche auch schon vor dieser neu geschaffenen rechtlichen Grundlage so gehandhabt. Begründet wurde dies mittels Auslegung von §18 Abs. 3 altEG KVG, wonach die Forderungen des Versicherers auf die Gemeinde überging und vom Sinn der Prämienübernahme (Personen, die unter dem sozialen Existenzminimum leben sollen davon profitieren) auch solche rechtmässig bezogenen Prämienübernahmen bei einem Vermögenszuwachs, der nicht auf eigene Arbeitsleistung zurückzuführen ist, zurückgefordert werden sollen. Einen entsprechenden Gerichtsentscheid liess sich dazu aber nicht finden. Eine Nachfrage bei der Gemeinde, auf welche Rechtsgrundlage sie die Rückerstattung der (Rest-)Prämienübernahmen vor dem 1.4.20 stützen, würde sich somit aus meiner Sicht zumindest anbieten, mit einem Verweis auf die SKOS-RL.  

§30 Abs. 1 SHG ZH regelt weiter, dass Leistungen, die im Zeitpunkt der Rückerstattungsverfügung mehr als 15 Jahre zurückliegen, nicht zurückgefordert werden können, ausser es wurde eine Rückerstattungsverpflichtung nach §20 SHG ZH eingegangen (Grundeigentum, Vermögenswerte deren Realisierung nicht möglich oder zumutbar waren). In Ihrem Fall wäre also zu prüfen, ob Leistungen rückgefordert werden, die mehr als 15 Jahre zurückliegen.

Die SKOS empfiehlt zudem, dass Personen, die infolge eines erheblichen Vermögensanfalles keine Unterstützung mehr benötigen, ein angemessener Betrag zu belassen sei. Bei einer Einzelperson werden Fr. 25 000.– angeführt. Dies soll auch gelten, wenn der Vermögensanfall nach der Unterstützung aufgetreten ist. Diese Beträge sind so auch im Sozialbehördenhandbuch Kt. ZH unter 15.2.03 für den Fall der Rückerstattung nach §27 Abs. 1 lit. b SHG ZH vorgesehen. Dort wird noch ausgeführt, dass von günstigen Verhältnissen gesprochen werden kann, wenn der Vermögensanfall zusammen mit dem bereits vorhandenen übrigen Vermögen diese Freibetragsgrenzen überschreitet. Mussten jedoch zur Erlangung des Vermögens Geldmittel eingesetzt werden, ist es in der Regel gemäss Urteil des Verwaltungsgerichtes ZH angezeigt, diese als Gestehungskosten vom Vermögensanfall in Abzug zu bringen (VB.2011.00461, vom 27.10.2011, E.4.2). Zu erwähnen ist noch, dass wenn Ihre Klientin zum Zeitpunkt der Beantragung von wirtschaftlicher Hilfe bspw. durch eine unverteilte Erbschaft erhebliche Vermögenswerte besass, die damals nicht realisierbar waren, oder während der Unterstützung zu dieser unverteilten Erbschaft gelangte, so erfolgt die Rückerstattung nach §27 Abs. 1 lit. c SHG ZH. Ist dies bei Ihrer Klientin der Fall, so gelten nicht die 25‘000 Franken, sondern die üblichen Vermögensfreibeträge, die bei einer Einzelperson bei Fr. 4‘000.00 liegen (siehe Urteil VB.2011.00461 vom 27.10.2011, E.5.2). Es wäre in Ihrem Fall also zu klären, ob lit. b oder c zur Anwendung gelangen und ob die Freibeträge gewährt wurden oder nicht. Falls nicht, lohnt es sich allenfalls auch hier, trotz Kann-Bestimmung rechtlich gegen die Rückerstattung vorzugehen.

Weiteres: §29 SHG ZH legt fest, dass bei rechtmässig bezogenen Leistungen Rückerstattungsforderungen unverzinslich sind. Vorbehalten bleiben jedoch Verzugszinsen, nach Eintritt der Fälligkeit der Rückerstattungsforderung. Auch hier wäre zu prüfen, ob allenfalls Zins verlangt wurde. §30 Abs. 2 SHG ZH regelt zudem, dass allfällige Rückerstattungsforderungen (ohne Grundpfand) erst fünf Jahre nachdem die Fürsorgebehörde von deren Bestehen Kenntnis erhalten hat, verjähren. Ihrem Fallbeschrieb entnehme ich, dass die Verjährung noch nicht eingetreten ist. §31 SHG ZH regelt, dass das kostentragende Gemeinwesen die Rückerstattungsansprüche gelten machen kann, also die Gemeinde, welche die wirtschaftliche Hilfe ausgerichtet hat. Ich nehme an, dies trifft im vorliegenden Falle zu.

VB.2014.00383 vom 2.10.2014 bestätigt, dass eine Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen aufgrund einer Erbschaft grundsätzlich  rechtens ist und die durch den Beschwerdeführer geltend gemachte Verschuldung im Zeitpunkt des Rückforderungsbeschlusses nichts an dieser Rückerstattungsverpflichtung ändert. Es wird aber festgehalten, dass es dem Beschwerdeführer offen steht, nach Rechtskraft des Rückerstattungsbeschlusses ein entsprechendes Erlassgesuch zu stellen (E.4.2). Aus dem und den obigen Ausführungen macht es für mich keinen Sinn, gegen die grundsätzliche Rückerstattungspflicht vorzugehen, jedoch die Höhe aufgrund der aufgezeigten Punkte zu diskutieren. Zu prüfen ist nebst den obigen Ausführungen aber, ob ein Erlassgrund vorliegt. Dazu finden sich jedoch weder im SHG noch im SHV ZH ausdrückliche Bestimmungen. Im Sozialbehördenhandbuch findet sich ein ganzes Kapitel dazu, 15.4.02. Voraussetzung eines Erlasses ist die Rechtskraft des Rückerstattungsbeschlusses. Sie müssten also erst die strittigen Punkte klären und allenfalls dagegen vorgehen, falls die Gemeinde keine Einsicht zeigt. Erst danach kann ein Erlassgesuch mittels Antrag durch die rückerstattungspflichtige Person gestellt werden, worüber in der Regel mittels Beschluss zu befinden ist. „Die Regelung der Rückerstattung in Art. 25 Abs. 1 ATSG des Bundesgesetzes über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (SR 830.1), die sich auf das Sozialversicherungsrecht des Bundes bezieht, kann hingegen nach der Rechtsprechung des Regierungsrates (RRB Nr. 436/2008) analog herangezogen werden. Eine rechtskräftig beschlossene Rückerstattungsforderung kann demnach erlassen werden, wenn die unterstützte Person die zurückzuerstattenden Leistungen in gutem Glauben erhalten hat und wenn die Rückerstattung für sie eine grosse Härte bedeuten würde.“ Gemäss Ihrem kurzen Fallbeschrieb, hat die Klientin die Behörde sogleich über den Vermögensanfall informiert, was für den guten Glauben spricht, dies müsste aber sicherlich genauer geklärt werden. Grundsätzlich ist aber bei rechtmässig bezogener wirtschaftlicher Hilfe der gute Glaube gegeben. Bei der grossen Härte wird eine Berechnung nach Ergänzungsleistungsrecht vorgenommen (Art. 5 Abs. 1 ATSV). Übersteigen die anerkannten und zusätzlichen Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen, liegt eine grosse Härte vor. Übertragen auf die Sozialhilfe bedeutet dies, dass eine grosse Härte vorliegt, wenn die rückerstattungspflichtige Person auf dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum lebt. Massgebend sind dabei die Verhältnisse im Zeitpunkt, in welchem rechtskräftig über die Rückerstattung beschlossen wurde (vgl. Art. 4 Abs. 2 ATSV). Es wäre hier zu prüfen, ob Ihre Klientin noch eine Restschuld aufweist, wenn Sie die Rückerstattungsforderung beglichen hat. Denn in E.3 der SKOS Richtlinien ist festgehalten, dass eine Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen sowohl während einer laufenden Unterstützung als auch nach einer Ablösung von der Sozialhilfe statthaft ist. Wenn Ihre Klientin somit wieder Sozialhilfeleistungen beziehen muss, so kann bei laufendem Sozialhilfebezug die Rückerstattung ratenweise mit der auszurichtenden Sozialhilfe verrechnet werden. Für diesen Anteil würde sich aus meiner Sicht dann ein Erlassgesuch anbieten. Siehe zum Erlass auch das Urteil des Verwaltungsgerichtes VB.2016.00111, vom 27. Oktober 2016.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen und drücke die Daumen, dass Sie mit Ihren Ausführungen bei der Gemeinde erfolgreich sind.

Freundlich grüsst

Cathrin Habersaat

Guten Tag Frau Habersaat

Vielen Dank für Ihre ausführliche, kompetente Beantwortung unserer Frage. Wir werden Ihre Ausführungen gerne studieren und falls wir noch eine Frage haben, uns nochmals an Sie wenden.

Freundliche Grüsse