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Rückerstattungspflichtige Leistungen

Veröffentlicht:
23.05.2022
Kanton:
Graubünden
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Liebes Expertenteam

Eine Klientin bezieht seit Jahren wirtschaftliche Sozialhilfe. Nun hat sie rückwirkend auf den 01.06.2020 eine 100% IV-Rente erhalten. Richtigerweise machen nun die Sozialen Dienste eine Rückerstattung geltend. Die Rückerstattung machen sie aber für Leistungen geltend wie für soziale Integration. Dies wird gestützt gemäss SKOS E. 2.4. In diesem steht aber auch:

Nicht als individuelle wirtschaftliche Unterstützungsleistungen gelten namentlich (vgl. Art. 3 Abs. 2 ZUG):

 

Beiträge mit Subventionscharakter

gesetzlich oder reglementarisch festgelegte Staats- und Gemeindebeiträge an Wohnungs-, Ausbildungs- und Versicherungskosten

die von einem Gemeinwesen anstelle von Versicherten zu leistende Mindestbeiträge an obligatorische Versicherungen (insb. AHV-Mindestbeiträge)

Verfahrenskosten

Übersetzungs- und Gutachtenskosten

Soziallöhne

Ich bin der Ansicht, dass diese Kosten nicht angerechnet werden dürfen, da es sich um Beiträge mit Subventionscharakter handelt. Sollten die Kosten der rückpflichtigen Schuld rechtens sein, müsste dies aber  periodisch (Monat für Monat) abgerechnet werden müssen und nicht pauschal über die ganze Zeit.

Als Beispiel: KL erhält für einen Monat Fr.1`796.-  wirtschaftliche Sozialhilfe. Zusätzlich werden nun Fr. 1`000.- soziale Integration geltend gemacht. Gesamthaft wird nun Fr. 2`796.- rückwirkende Schuld eingefordert. Da die KL aber IV und EL für diesen Monat nur Fr. 2`500.- (rückwirkend) erhalten hat, darf meiner Ansicht die Sozialhilfe nun nur Fr. 2`500.- rückfordern und nicht Fr. 2`796.-.

Sind meine Überlegungen richtig?

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

In Art. 3 Abs. 2 ZUG wird geregelt, für welche Leistungen das ZUG anwendbar ist (Zuständigkeit und Ersatzpflicht z.B. des Wohnkantons gegenüber dem Aufenthaltskanton). Grundsätzlich sind dies alle Leistungen, die nach kantonalem Recht an Bedürftige ausbezahlt und nach den Bedürfnissen bemessen werden. Was die vom ZUG ausgenommenen Leistungen mit Subventionscharakter nach Art. 3 Abs. 2 ZUG sind, geht weder aus der Botschaft vom 17. November 1976 zum ZUG (BBl 1976 III 1193, 1202 Ziff. 222) noch aus den parlamentarischen Beratungen (AB 1977 S 125 und 338; AB 1977 N 655) hervor (vgl. auch Urteil 1P.481/1998 vom 11. März 1999 E. 2d). Nach der Rechtsprechung gehören etwa Heimdefizitbeiträge zu den Subventionen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. a ZUG, da diese Beiträge nicht nach dem individuellen Bedürfnis der Heimbewohner, sondern pauschal erbracht werden (Urteil 1P.481/1998 vom 11. März 1999 E. 2d; BGE 142 V 271).

Kosten für die (soziale) Integrationsförderung sind den individuellen Bedürfnissen angepasst und werden gestützt auf die kantonalen rechtlichen Grundlagen erbracht. Sie gehören demnach meiner Meinung nach nicht zu den Leistungen mit Subventionscharakter. Aber auch wenn sie dazu gehören würden, heisst dies nicht automatisch, dass sie grundsätzlich nicht zurückgefordert werden dürfen. Es heisst ausschliesslich, dass das ZUG nicht zur Anwendung gelangt. 

Es stellt sich deshalb die Frage, ob es kantonale rechtliche Grundlagen gibt, die regeln, ob die Kosten für die Integration und ähnliche Kosten zurückgefordert werden dürfen oder ob allenfalls die SKOS-Richtlinien (SKOS-RL) eine Empfehlung abgeben. In SKOS-RL E.2.4 in Abs. 2 ist zwar festgehalten, dass gewisse Leistungen wie die Kosten für die Förderung der beruflichen und sozialen Integration von der Rückerstattung ausgeschlossen sind. Die SKOS-RL relativieren diese Empfehlung aber in Abs. 3, in dem dort festgehalten ist, dass die in Abs. 2 aufgezählten Ausnahmen dann nicht gelten, wenn die Sozialhilfe nachträglich mit bevorschussten Leistungen verrechnet. In den rechtlichen Grundlagen des Kantons Graubünden finde ich keine Abweichungen davon. 

Im vorliegenden Fall der rückwirkenden Auszahlung einer IV-Rente handelt es sich um eine Rückerstattungsforderung aufgrund bevorschusster Leistungen, in dem die Ausnahmen von der Rückerstattungspflicht somit nicht gelten. Es ist deshalb zulässig, auch die Kosten für die Förderung der beruflichen Integration zurückzuverlangen.

In SKOS-RL E.2.2 (Erläuterungen) ist weiter festgehalten, dass nachträglich eingehende Zahlungen nur dann mit im Voraus ausgerichteten Sozialhilfegeldern verrechnet werden dürfen, wenn die eingehenden Leistungen und die Sozialhilfegelder denselben Zeitraum betreffen. Voraussetzung einer Verrechnung ist somit grundsätzlich Zeitidentität resp. zeitliche Kongruenz. Allerdings ist es – wie in den Erläuterungen zu SKOS-RL E.2.2 weiter festgehalten – nicht erforderlich, jeden Monat (oder jedes Jahr) einzeln abzurechnen. Beispielsweise sind nachträglich eingehende Sozialversicherungsleistungen für drei Monate gesamthaft mit den Sozialhilfeleistungen für die entsprechenden drei Monat zu verrechnen.

Demnach ist es im vorliegenden Fall zulässig, die rückwirkende IV-Rente von 1. Juni 2020 bis zum aktuellen Zeitpunkt mit sämtlichen insgesamt in diesem Zeitraum erbrachten Sozialhilfeleistungen zu verrechnen. Es muss keine Verrechnung der einzelnen Monate vorgenommen werden.

Ich hoffe, Sie mit dieser Antwort unterstützen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach

Guten Tag Frau Loosli Brendebach

Vielen Dank für die Beantwortung der Frage. Im Unterstützungsgesetz Graubünden Art.11 Punkt 7 steht geschrieben:

Unterstützungsaufwendungen für die Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen oder Arbeitsangeboten des zweiten Arbeitsmarktes unterliegen nicht der Rückerstattungspflicht. 

Welche Bestimmungen haben nun Vorrang und kommen nun zur Geltung?

Vielen Dank für die Beantwortung der Frage

 

Art. 11

Rückerstattungen

1

Beiträge, die von unterstützungspflichtigen Verwandten geleistet werden, sind zwischen dem Kanton, der Wohngemeinde und derjenigen politischen Gemeinde, in welcher der Betroffene sein Bürgerrecht hat, im Verhältnis der auf sie entfallenden Unterstützungskosten zu verteilen. *

2

Verbessern sich die Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Unterstützten, so hat er die in den letzten 15 Jahren bezogene Unterstützungshilfe ohne Zins zurückzuerstatten. Die Rückerstattung hat nur soweit zu erfolgen, als dadurch keine neue Bedürftigkeit entsteht. *

3

Eine zu Unrecht bezogene Unterstützung muss mit Zinsen zurückerstattet werden.

4

Die unterstützende Behörde hat nach Massgabe der geleisteten Hilfe Anspruch auf den Nachlass des Unterstützten.

5

Der Rückerstattungsanspruch verjährt: *

a) *

gegenüber der unterstützten Person 15 Jahre nach der letzten Leistungszahlung;

b) *

gegenüber den Erben der unterstützten Person ein Jahr nach dem Erbschaftsantritt.

6

Die erstatteten Beiträge werden wie Verwandtenunterstützungen verteilt.

7

Unterstützungsaufwendungen für die Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen oder Arbeitsangeboten des zweiten Arbeitsmarktes unterliegen nicht der Rückerstattungspflicht. *

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich bedanke mich für Ihre Rückfrage und entschuldige mich, dass ich Ihnen so lange nicht geantwortet habe. Ich habe Ihre Rückfrage leider erst jetzt gesehen. 

Die kantonalen gesetzlichen Grundlagen gehen den SKOS-RL, die Empfehlungen darstellen, grundsätzlich vor. Aus diesem Grund sind die Unterstützungsaufwendungen für die Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen oder Arbeitsangeboten des zweiten Arbeitsmarktes nach Art. 11 Abs. 7 Unterstützungsgesetz des Kantons Graubünden (GR) von der Rückerstattung ausgenommen.

Ich hatte diese Bestimmung leider übersehen. 

Freundliche Grüsse