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Rückerstattungspflicht Konkubinatspartner*In

Veröffentlicht:
19.03.2021
Kanton:
Aargau
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Mein Klient, 62 Jahre alt, hat seinen Wohnsitz gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin, 48 Jahre alt, und ihrer mittlerweile 14-jährigen Tochter seit knapp 10 Jahren im Kanton Aargau (er ist nicht der leibliche Vater der Tochter). Seit kurzem bezieht die Lebenspartnerin für sich und ihre Tochter materielle Hilfe. Mein Klient besass bis vor kurzem ein Stück Landwirtschaftsland, welches er nun verkauft hat. Da er es zum einen wegen gesundheitlichen Gründen nicht weiter bewirtschaften konnten und zum anderen aus finanziellen Gründen. Er hat aktuell ein Nebeneinkommen von 500.- Franken netto pro Monat, dabei keinen Anspruch bei der ALV und aufgrund des Landes respektive den Verkauf dessen kein Anspruch auf Sozialhilfe.

Das Land hat er im März 2021 für 150`000.- Franken verkauft und das Geld wird er in den nächsten Wochen erhalten. Nun stellt sich die Frage, ob er für die bezogene materielle Hilfe seiner Lebenspartnerin und dessen Tochter (ca. 30`000.- Franken) Rückerstattungspflichtig ist/wird? Weiter stellt sich die Frage, ob seine Lebenspartnerin und ihre Tochter nun von der Sozialhilfe abgelöst werden, da er/sie nun ein Vermögen aufweisen?

Das erhaltene Geld für das Land war ursprünglich für seine Altersvorsorge gedacht, da diese sehr gering ausfallen wird. D.h. er wird von der AHV wahrscheinlich den Minimum Betrag erhalten und bei der Pensionskasse hat er ca. 40`000.- Franken auf einem Freizügigkeitskonto. Bei seiner Lebenspartnerin kommt hinzu, dass seitens der Sozialhilfe noch abgeklärt wird, ob sie Anspruch bei der ALV hat und eine IV Anmeldung ist ebenfalls am Laufen.

Wie sehen Sie das? Welche weiteren Möglichkeiten gibt es?

Besten Dank für die Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag Herr Eichhorn

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage.

 

  • Rückerstattung bezogener wirtschaftlicher Hilfe durch den Konkubinatspartner

Gemäss § 20 SPG AG ist bei günstigen Vermögensverhältnissen zur Rückerstattung verpflichtet, wer materielle Hilfe bezogen hat.

Da Ihr Klient selber keine materielle Hilfe bezogen hat, ist er sozialhilferechtlich gesehen nicht zur Rückerstattung verpflichtet. Eine unterhaltsrechtlich begründete Rückerstattungspflicht gestützt auf Art. 286a Abs. 3 ZGB kommt ebenfalls nicht in Frage, da er nicht der Vater der 14-jährigen Tochter ist.

 

  • Berücksichtigung des Vermögens des Konkubinatspartners

Da Ihr Klient 10 Jahr in der Beziehung lebt, handelt es sich vermutungsweise um eine stabile, eheähnliche Beziehung (§ 12 Abs. 2 lit. a SPV AG). Nach Abs. 1 von § 12 SPV AG werden in diesem Fall die finanziellen Mittel des Partners ganz oder teilweise angerechnet, ausser es kann glaubhaft gemacht werden, dass die Beziehung keinen eheähnlichen Charakter aufweist. Beim Umfang der anzurechnenden finanziellen Mittel ist den konkreten Umständen, insbesondere bestehenden Verpflichtungen, angemessen Rechnung zu tragen. Für die Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Konkubinatspartners sind die für den Kanton Aargau verbindlich erklärten SKOS-Richtlinien massgebend, wobei nicht die aktuellen, sondern jene Stand 1.1.17 massgebend sind (vgl. dazu auch das Handbuch Soziales des Kantons Aargau). Der Praxishilfe/Kap. H.10 zu F.5.3 SKOS-Richtlinien kann zur Berücksichtigung des Vermögens Folgendes entnommen werden:

«Sofern die leistungspflichtige Person über Vermögen verfügt, welches insgesamt den Vermögensfreibetrag für Leistungen aus Genugtuung und Integritätsentschädigung (vgl. Kapitel E.2.1) übersteigt, ist dieses für den Lebensunterhalt des gesamten Haushalts zu verwenden. Es wird (vorläufig) keine Sozialhilfe ausgerichtet.»

Das Vermögen Ihres Klienten beträgt Fr. 150'000. Da dieses Vermögen den Vermögensfreibetrag von Fr. 25'000 einer Einzelperson bei Genugtuungsvermögen übersteigt, führt dies dazu, dass der Anspruch der bedürftigen Lebenspartnerin und ihrem Kind abgelehnt würde. Alle drei, Ihr Klient, seine Partnerin und das Kind, müssten von seinem Vermögen leben, und zwar bis zum Freibetrag von Fr. 25'000.

 

Dazu sind zwei Relativierungen nach § 12 Abs. 1 SHV AG zu beachten:

 

1. Das Paar lebt keine eheähnliche Beziehung, obschon es 10 Jahre zusammenlebt. In diesem Fall dürften die finanziellen Verhältnisse Ihres Klienten gar nicht berücksichtigt werden. Ist dem so, müsste dies gegenüber der Sozialhilfe glaubhaft gemacht werden können.

 

2.  Bei der Anrechnung des Vermögens ist den konkreten Umständen angemessen Rechnung zu tragen, insbesondere bestehenden finanziellen Verpflichtungen. In dieser Hinsicht muss die Sozialhilfe auch berücksichtigen, dass ein Vermögen für die Altersvorsorge bestimmt ist, was bei Landwirtschaftsland wohl nicht unüblich ist. Sofern Ihrem Klienten der Gebrauch dieses Vermögens nicht erlaubt ist bzw. er dieses Vermögen aktuell nicht anzehrt, käme die analoge Anwendung von Kap. E.2.5 für Freizügigkeitsguthaben und Guthaben der Säule 3a in Frage. Danach müsste er solches Guthaben erst auslösen bzw. anzehren, wenn er die Altersrente der AHV vorbezieht, d.h. im Alter 63.

Danach wird die Sozialhilfe das Vermögen berücksichtigen dürfen, selbst wenn der Klient EL beziehen wird (dort gilt im Übrigen neu eine Vermögensschwelle gemäss Art. 9a ELG von Fr. 100'000 für Alleinstehende). Das Bundesgericht hatte im BGE 142 V 513 einen solchen Fall zu beurteilen und hiess die Anrechnung eines Konkubinatsbeitrags gut, obschon der Partner nur über die AHV-Rente und EL als Einnahmen verfügte. Bei der EL fliesst das Vermögen über dem Freibetrag von Fr. 30'000 (Alleinstehende; Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG) als Verzehr ein, wenn es unter der Vermögensschwelle gemäss Art. 9a ELG liegt. Daran sollte sich meiner Meinung nach auch die Sozialhilfe orientieren und von einer ganzen Berücksichtigung des Vermögens bis Freibetrag Fr. 25'000 absehen. Zulässig wäre dies höchstens im Umfang der Differenz bis zum Freibetrag der EL, d.h. Fr. 5'000.

Für diese Sichtweise spricht auch Folgendes: Es ist unklar, ob die EL den Verbrauch des Vermögens (über den zulässigen Verzehr gemäss Art. 17d Abs. 3 lit. a ELV) für den Unterhalt der Konkubinatspartnerin samt Kind überhaupt gelten lässt. Andernfalls droht die Anrechnung eines Vermögensverzichts im Sinne von Art. 11a Abs. 3 ELG (auch relevant bei der Vermögensschwelle gemäss Art. 9a ELG vgl. Abs. 3 von dieser Bestimmung). Ob die EL die Finanzierung eines von der Sozialhilfe angerechneten Konkubinatsbeitrages als wichtigen Grund im Sinne von Art. 11a Abs. 3 ELG betrachtet, kann ich nicht beantworten. Dieser Grund wird weder in Art. 17d ELV explizit erwähnt, noch in den WEL. Insoweit lohnt es sich, für diese Frage mit der EL bzw. SVA Aargau Rücksprache zu nehmen. Würde die SVA den Konkubinatsbeitrag als Vermögensverzicht einstufen, müsste die Sozialhilfe auch unter diesem Aspekt von der Berücksichtigung des Vermögens als Ganzes (bis Freibetrag 25'000) absehen. Es bliebe aber auch dann noch der oben befürwortete Weg, das Vermögen nur im Rahmen des für Ihren Klienten zulässigen Verzehrs (Art. 17d Abs. 3 lit. a ELV) zu berücksichtigen. Dies würde auch schon jetzt so gelten, bevor der Klient EL bezieht, da die EL auch Vermögensverzichte vor EL-Bezug berücksichtigt (vgl. Art. 11a Abs. 4 ELG).

 

Zu guter Letzt wäre noch folgende Ausnahme von der Berücksichtigung des Vermögens denkbar: Bei kurzfristiger überbrückender Unterstützung (i.d. R. max. 3 Mte) darf die Sozialhilfe von üblichen Regelungen abweichen. In diesen Fällen kann das soziale Existenzminimum sowohl unterschritten als auch überschritten werden. Diese Regelung, welche sich in Kap. A.6 SKOS-Richtlinien findet, entspricht dem Verhältnismässigkeitsprinzip nach Art. 5 Abs. 2BV.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Fragen beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder