Sehr geehrte Damen und Herren
Wir haben bezüglich Rückerstattungspflicht eine Frage. Wer ist in einem Fall von einer volljährigen Person, im konkreten Fall ist die Person 32 Jahre alt, während der Erstausbildung rückerstattungspflichtig?
Gemäss Art. 27 Abs. 4 erstreckt sich der Rückerstattungsanspruch auf Leistungen, die die hilfsbedürftige Person für sich, ihren Ehegatten, ihre eingetragene Partnerin oder ihren eingetragenen Partner oder ihre minderjährigen Kinder erhalten hat.
Gemäss Art. 28 Abs. 2 dürfen Unterstützungen, die jemand vor dem vollendeten 18. Altersjahr oder bis zum ordentlichen Abschluss der Erstausbildung erhalten hat, nicht bei dieser Person zurückgefordert werden.
Somit ist nicht klar geregelt, wer im oben genannten Fall rückerstattungspflichtig ist.
Besten Dank bereits im Voraus für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Jasmin Rädler
Sachbearbeiterin
Sozialhilfe
Gemeindeverwaltung Herisau - Poststrasse 5 - 9100 Herisau
Telefon +41 71 354 55 33 - Direkt +41 71 354 54 78 - www.herisau.ch
Fax +41713545415 - jasmin.raedler@herisau.ar.ch
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Rädler
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Im Wesentlichen geht es um die Frage des Umfangs einer allfälligen Rückerstattungspflicht. Ihrer Frage nach interessiert Sie die Auslegung im Verhältnis Eltern/Kind, so dass sich meine Antwort auf dieses Verhältnis konzentriert. Die von Ihnen zitierten Bestimmungen lauten wie folgt:
Art. 27 SHG (AA)
Rückerstattung
a) Grundsatz
1 Rechtmässig bezogene Unterstützungsleistungen sind zurückzuerstatten,
a) wenn sich die finanziellen Verhältnisse der hilfsbedürftigen Person wesentlich verbessert haben,
b) und wenn die Rückerstattung für sie zumutbar ist,
c) oder wenn sie bei ihrem Tode Vermögen hinterlässt.
2 Personen, die wirtschaftliche Sozialhilfe bei vorhandenem Vermögen bezogen haben, sind zu deren Rückerstattung verpflichtet, wenn ihr Vermögen ganz oder teilweise realisierbar ist oder realisiert wird und wenn ihnen die Rückerstattung zugemutet werden kann.
3 Wer mit unwahren oder unvollständigen Angaben Unterstützungsleistungen erhalten hat, ist in jedem Fall zur Rückerstattung verpflichtet.
4 Der Rückerstattungsanspruch erstreckt sich auf Leistungen, die die hilfsbedürftige Person für sich, ihren Ehegatten, ihre eingetragene Partnerin oder ihren eingetragenen Partner oder ihre minderjährigen Kinder erhalten hat. *
5 Die Rückerstattungsverpflichtung geht bis zur Höhe des erhaltenen Erbteils auf die Erben über.
Art. 28 SHG (AA)
b) Geltendmachung des Anspruchs, Verwirkung
1 Die zuständige Behörde fordert rückerstattungspflichtige Personen zur Rückerstattung auf. Sie strebt eine Vereinbarung über angemessene Rückerstattungsbeträge an. Kommt keine Vereinbarung zustande, sind Rückerstattungen mittels schriftlicher Verfügung geltend zu machen.
2 Unterstützungen, die jemand vor dem vollendeten 18. Altersjahr oder bis zum ordentlichen Abschluss der Erstausbildung erhalten hat, dürfen bei dieser Person nicht zurückgefordert werden.
3 Rückerstattungsforderungen sind ab der Geltendmachung der Rückforderung mittels Verfügung zu 5% verzinslich. Kommt eine Vereinbarung zustande, kann auf eine Verzinsung verzichtet werden. Wurde wirtschaftliche Sozialhilfe unrechtmässig bezogen, läuft die Verzinsung ab dem Bezug.
4 Bedeutet die Rückerstattung eine besondere Härte, kann die zuständige Behörde den geschuldeten Betrag ganz oder teilweise stunden oder erlassen.
5 Der Anspruch auf Rückerstattung verwirkt nach 15 Jahren, vom Zeitpunkt der letzten bezogenen Leistung an gerechnet. Ausgenommen sind Leistungen in Form von Darlehen und Vorschusszahlungen sowie Rückerstattungsverpflichtungen nach Art. 25 Abs. 1 und sichergestellte Rückerstattungsverpflichtungen gemäss Art. 25 Abs. 2 dieses Gesetzes.
Art. 27 SHG regelt demnach den Grundsatz der Rückerstattung und Art. 28 SHG die Geltendmachung des Anspruchs sowie die Verwirkung des Anspruchs. Die Rückerstattung wird durch die in Art. 27 Abs. 1 bis 3 SHG geregelten Sachumstände ausgelöst. Ein weiterer Rückerstattungsgrund findet sich in Art. 26 SHG bei bevorschussten, vorrangigen Leistungen, wobei dieser vorliegend nicht im Zentrum steht. Erfüllt eine unterstützte Person einen der genannten Tatbestände, ist aus ihrer Optik die Rückerstattungspflicht und der Umfang festzulegen.
Art. 27 Abs. 4 SHG schreibt in Bezug auf die Rückerstattungsgründe gemäss Art. 27 Abs. 1 bis 3 SHG vor, dass nicht nur die von ihr alleine bezogenen Unterstützungsleistungen der Rückerstattung unterliegen, sondern auch jene Unterstützungsleistungen mitunterstützter Personen. Mit der Einschränkung auf mitunterstützte Ehegatten, eingetragene Partner und minderjährige Kinder und dem Wortlaut „die die hilfsbedürftige Person für sich, ihren […] erhalten hat“ wird deutlich, dass die Unterstützungsleistungen jener mitunterstützten Personen gemeint sind, denen gegenüber die rückerstattungspflichtige Person zivilrechtlich zum Unterhalt verpflichtet ist. Diese Unterhaltspflicht gibt denn auch die Grundlage, dass eine Person nicht nur für sich, sondern auch für diesen eingeschränkten Personenkreis Unterstützungsleistungen beziehen kann. Aus diesem Grund bilden diese Personen auch regelmässig eine Unterstützungseinheit während des Bezugs von Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass dennoch jede Person in der Unterstützungseinheit einen eigenen Anspruch auf Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe besitzt.
Keine zivilrechtliche Unterhaltspflicht hat das minderjährige Kind gegenüber seinen Eltern, ebensowenig gegenüber seinen Geschwistern, selbst wenn es zusammen mit ihnen eine Unterstützungseinheit bildet bzw. gebildet hat. Kommt das Kind als erwachsene Person also in die Situation, dass es rückerstattungspflichtig wird, hat es weder die von seinen mitunterstützten Eltern bezogenen Unterstützungsleistungen noch jene der mitunterstützten Geschwister zurückzuerstatten. Es wird lediglich für die von ihm selbst bezogenen Unterstützungsleistungen rückerstattungspflichtig. Aber nicht für sämtliche: Denn jene Unterstützungsleistungen, die es vor dem vollendeten 18. Altersjahr oder bis zum ordentlichen Abschluss der Erstausbildung erhalten hat, muss es laut Art. 28 Abs. 2 SHG ebenfalls nicht zurückerstatten. Diese Einschränkung gilt aber nur, wenn das Kind selber rückerstattungspflichtig wird, sprich einen Tatbestand nach Art. 27 Abs. 1 bis 3 SHG selber erfüllt. Dies ergibt sich aus zwei Formulierungen von Art. 28 Abs. 2 SHG „Unterstützungen, die jemand […], dürfen bei dieser Person […]“. Ist also eine andere Person, sprich ein Elternteil, rückerstattungspflichtig, weil er einen Tatbestand von Art. 27 Abs. 1 bis 3 SHG erfüllt, dann muss er sämtliche Leistungen von ihm und dem mitunterstützten Kind zurückerstatten, und zwar auch jene die das Kind während der Minderjährigkeit bezogen hat. Immerhin entfällt die Rückerstattungspflicht für die Eltern bei Volljährigkeit des Kindes.
Kurzum: Die Rückerstattung nach Art. 27 SHG fällt unterschiedlich aus, je nachdem, ob sich der zur Rückerstattung führende Sachumstand beim Kind verwirklicht, oder bei seinen Eltern.
Inwieweit die gleichen Regeln für den Bevorschussungsfall gemäss Art. 26 SHG anwendbar sind, wird an dieser offen gelassen werden.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen Ihre Frage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder