Guten Tag
Eine Klientin hat über längere Zeit auf unserem Dienst wirtschaftliche Sozialhilfe bezogen. Durch Leistungen der IV und der EL konnte sie abgelöst werden. Die Klientin hat drei Kinder, 2 davon wohnten während des Unterstützungszeitraumes unter der Woche in einem Wohnheim. Aus diesem Grund vielen diverse Elternbeiträge an. Der Kindsvater wohnt im Ausland und er kann die Kinder finanziell nicht unterstützen.
Nun stellt sich für mich die Frage ob die Elternbeiträge welche durch die Sozialhilfe gedeckt wurden rückerstattungspflichtig sind oder nicht.
Gemäss SHG Kt. LU §38 Abs. 3 ist wirtschaftliche Sozialhilfe die einem Kind oder einem Jugendlichen vor dem vollendeten 18. Altersjahr oder für seine Ausbildung über diesen Zeitpunkt hinaus, längstens aber bis zur Vollendung des 25. Altersjahres, aufgrund eines eigenen Anspruchs gewährt wurde nicht zurückzuerstatten.
Die Unterhaltspflicht liegt jedoch bei der Mutter, was ja eigentlich bedeuten würde, dass sie für die Unterhaltskosten ihrer Kinder aufkommen muss und somit die bezahlten Leistungen rückerstattungspflichtig wären.
Ich danke Ihnen im Voraus für die Klärung meiner Frage.
Besten Dank für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag Frau Steggerda
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage.
Aus dem Wortlaut von § 38 Abs. 3 SHG LU könnte man in der Tat schliessen, dass die wirtschaftliche Hilfe an Kinder, Jugendliche und ggf. junge Erwachsene generell nicht rückerstattungspflichtig sind. Der beiliegenden Botschaft des Regierungsrates zum neuen SHG vom 23.9.2014 kann aber eine andere Stossrichtung entnommen werden (S. 80 f.):
«Diese Regelung [gemeint § 38 Abs. 3 SHG] bezieht sich nur auf wirtschaftliche Sozialhilfe, die einem Jugendlichen aufgrund eines eigenen Anspruchs auf wirtschaftliche Sozialhilfe geleistet wurde. Kein Ausschluss der Rückerstattung besteht hingegen, wenn unterhaltsverpflichtete Eltern einen Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe haben, der masslich auch die wirtschaftliche Sozialhilfe für den Lebensunterhalt der Kinder im gleichen Haushalt mit einschliesst (LGVE 1998 III Nr. 10). Ein Kind hat dann einen eigenen Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe, wenn es einen eigenen Unterstützungswohnsitz hat und damit als eigene Unterstützungseinheit behandelt wird wird (vgl. dazu unsere Erläuterungen in Kap. 6 zu § 27 Abs. 1 Entwurf und Art. 7 ZUG).»
D.h. mit historischer Auslegung kommt man zum Ergebnis, dass die Eltern dann keine Rückerstattungspflicht trifft, wenn das Kind einen eigenen Unterstützungswohnsitz hat und damit eine eigene Unterstützungseinheit bildet, ansonsten sind die Eltern nicht entlastet. Nach ZUG (Bundesgesetz über die Unterstützung Bedürftiger) hat das Kind in den Fällen von Art. 7 Abs. 3 einen eigenen Unterstützungswohnsitz und seit der letzten Gesetzesrevision auch nach Art. 7 Abs. 2 ZUG, wenn die Eltern getrennt leben und nicht im gleichen Ort wohnen. Aufgrund der historischen Auslegung kann in Bezug auf Ihre Frage gesagt werden, dass die Rückerstattungspflicht entfällt, wenn die Kinder nach Art. 7 Abs. 3 ZUG dauerhaft fremdplatziert sind. Das wäre hier eher abzulehnen, da die beiden Kinder nach wie vor einen engen Bezug zur Mutter pflegten, indem sie am Wochenende jeweils nach Hause kamen (vgl. zur Einstufung, ob eine Trennung vorübergehend oder dauerhaft ist: Urteil des Bundesgerichts 8C_701/2013 vom 14.3.14; BGE 139 V 433). Geht man vorliegend somit nicht von einer dauerhaften Fremdplatzierung aus, dann haben die Kinder seit 1. Januar 2017 – Inkrafttreten der ZUG-Revision - einen eigenen Unterstützungswohnsitz am Wohnsitz der Mutter, wenn der Vater nicht am gleichen Wohnsitz wohnt (Art. 7 Abs. 2 ZUG), was vorliegend der Fall ist (ob dies bereits seit 2017 so ist, wird nicht erwähnt). Altrechtlich, d.h. vor 1.1.17, hatten die Kinder in der gleichen Situation jedoch einen abgeleiteten Unterstützungswohnsitz (aArt. 7 Abs. 1 und 2 ZUG).
Zusammengefasst heisst dies für die Rückerstattung gemäss § 38 Abs. 3 SHG LU:
- Bei dauerhafter Fremdplatzierung mit Folge eigener Unterstützungswohnsitz und eigene Unterstützungseinheit: Keine Rückerstattung durch die Mutter
- Bei nicht dauerhafter Fremdplatzierung, jedoch eigenem Unterstützungswohnsitz der Kinder, da die Eltern getrennt und nicht im gleichen Wohnort leben: Keine Rückerstattung durch die Mutter für wirtschaftliche Hilfe seit 1.1.2017 (Inkrafttreten ZUG-Revision) – falls der Vater erst nach dem 2017 den gemeinsamen Wohnort verliess, dann ab diesem Zeitpunkt.
- Bei nicht dauerhafter Fremdplatzierung und Bezug wirtschaftlicher Hilfe vor dem 1.1.2017: Es besteht eine Rückerstattungspflicht der Mutter.
Zum zweiten Punkt, der Berücksichtigung der ZUG-Revision ab 1.1.2017: Die Botschaft des Luzerner Regierungsrates datiert vom 23. September 2014. Damals war bereits die Vorlage für die Revision von Art. 7 Abs. 2 ZUG bekannt, da vom Bund das Vernehmlassungsverfahren im Juli 2012 in die Wege geleitet wurde. Den Ausführungen des Luzerner Regierungsrates ist kein expliziter Bezug zur ZUG-Revision zu entnehmen, aber aufgrund der bekannten Änderungen hätte er wohl einen Vorbehalt machen müssen, wenn er diese Änderung nicht mitgemeint haben wollte. Denn auch § 27 SHG LU verweist für die Frage der Unterstützungseinheit vorbehaltslos auf das ZUG, was der Regierungsrat in der o.e. Botschaft auch bekräftigte (S. 70) – im Wissen darum, dass das ZUG sich in Revision befindet. Meiner Meinung nach sind genügend Anhaltspunkte da, damit man von der Anwendung von Art. 7 Abs. 2 SHG auch auf die Frage der Rückerstattung ausgehen kann. Man könnte dies aber auch anders sehen nämlich, dass § 38 Abs. 3 SHG LU nur Art. 7 Abs. 3 ZUG im Fokus hat. So möchte ich Ihnen aufzeigen, dass die Rechtslage in Bezug auf den zweiten Punkt nicht ganz eindeutig ist, aber meiner Meinung nach spricht einiges für das Entfallen der Rückerstattungspflicht in Fällen von Art. 7 Abs. 2 ZUG.
Die Rechtslage zur Rückerstattung führt aber zu Ungleichheiten, zum Einen zwischen Eltern dauerhaft fremdplatzierter Kinder und Eltern vorübergehend fremdplatzierter Kinder, aber nun nach der ZUG-Revision auch zwischen Eltern, die getrennt leben in verschiedenen Wohnorten und Eltern die getrennt leben im gleichen Wohnort sowie zusammenlebenden Eltern. Aus meiner Sicht sind diese Ungleichbehandlungen zu hinterfragen und könnten auch verhindert werden, wenn § 38 Abs. 3 SHG LU grosszügig ausgelegt würde, was jedoch nicht die gesetzgeberische Absicht war.
Im vorliegenden Fall ist jedoch noch eine Besonderheit, worauf ich hinweisen möchte. Die Rückerstattung kommt vorliegend aufgrund von IV- und EL-Nachzahlungen zum Zuge. Da die Kinder wohl eine Kinderrente der IV erhalten und daher nach Art. 9 Abs. 2 ELG in die EL-Berechnung eingeschlossen sind, wäre anhand der EL-Verfügung und allenfalls mit der Ausgleichskasse zu klären, ob die Elternbeitragskosten (ich nehme an, es handelt sich Kosten für Kost und Logis der Kinder unter der Woche im Heim) nicht eingeschlossen sind. Die Elternbeiträge, welche die Sozialhilfe finanziert hat, gehören nach Art. 276 ZGB zum elterlichen Unterhalt, und sind deshalb auf jeden Fall nach Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG die EL-Berechnung aufzunehmen (auch nicht bei IV-Kinderrenten beziehenden Kinder), wenn sie nicht in anderen Ausgabenposten der EL-Berechnung (z.B. Lebensbedarf nach Art. 10 Abs. 1 Abs. 1 Ziff. 3 bzw. Ausgaben im Heim Art. 10 Abs. 2 ELG; vgl. Rz. 3320.01 ff. zur Finanzierung der Heimtaxe und bei zeitweisem Heimaufenthalt 3540.01 WEL) eingeschlossen sind. Hat die EL demnach die Kosten für die beiden Kinder bzw. die Elternbeiträge in die Berechnung aufgenommen, dann dürfte § 38 Abs. 3 SHG LU nicht zu Anwendung kommen, da ansonsten die Klientin diese Kosten doppelt vergütet hätte, einmal von Seiten EL und einmal von Seiten Sozialhilfe. Vielmehr wäre dann eine Rückerstattung von Elternbeiträgen gestützt auf § 39 Abs. 2 SHG LU (ungerechtfertigte Bereicherung) angezeigt.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen Ihre Frage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder