Wir haben eine Frau und deren zwei Kinder unterstützt, als sie vom Ehemann getrennt lebte. Der Ehemann hat Alimente bezahlt. Nun leben sie seit einiger Zeit wieder zusammen. Wir wollten nun abklären, ob die Frau die bezogene Sozialhilfe zurückerstatten kann. Es besteht ein beträchtliches Vermögen (v.a. vom Ehemann). Es handelt sich dabei um Vermögen vor der Ehe, Erbschaft der Mutter vom Ehemann, ausbezahlte Lebensversicherungen vom Ehemann und Angespartes. Die Prämien der Lebensversicherung wurden zum grossen Teil während der Ehe bezahlt. Uns ist klar, dass wir das Eigengut vom Ehemann (Vermögen vor Ehe, Erbschaft) nicht berücksichtigen können. Was ist jedoch mit dem restlichen Vermögen? Dabei handelt es sich ja um gemeinsames Vermögen. Können wir das Ehepaar verpflichten, die Sozialhife von Ehefrau und Kinder zurückzuerstatten?
Danke
Frage beantwortet am
Melanie Studer
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Vielen Dank für Ihre Frage, zu der ich mich gestützt auf das Recht den Kantons Freiburg wie folgt äussern kann:
Gemäss Art. 29 Abs. 1 des Sozialhilfegesetztes des Kantons Freiburg gilt, dass wer materielle Hilfe erhalten hat, diese ganz oder teilweise zurückerstatten muss, sobald die finanziellen Verhältnisse es ihm gestatten.
Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass hier nur die Ehefrau rückerstattungspflichtig wird, da nur «wer materielle Hilfe erhalten hat», verpflichtet werden kann, diese zurückzuerstatten. Eine Norm, die die solidarische Haftung des Ehemanns für die Sozialhilfeschulden der Ehefrau und Kinder vorsehen würde, ist im Gesetz nicht vorgesehen (anders etwa Art. 41 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Bern; vgl. dazu auch Wizent Guido, Sozialhilferechtliche Rückerstattungen gegenüber der Klientel, Jusletter vom 19. März 2018, Rz. 89 ff, sowie auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Zürich VB.2013.00122 v. 27.06.2013, wonach sich die solidarische Haftung aus dem kantonalen Recht ergeben müsste und nicht auf Art. 166 Abs. 3 SHG abgestellt werden kann). Es stellt sich insofern nur die Frage, ob die Ehefrau zur Rückerstattung verpflichtet werden kann.
Es stellt sich folglich auch die Frage, ob es ihr die finanziellen Verhältnisse gestatten und in diesem Zusammenhang dann auch, mit welchem Substrat die Ehefrau für die Sozialhilfeschulden haftet. Zu letzterem ist auf Art. 202 des Zivilgesetzbuches zu verweisen. Dieser Artikel sagt, dass jeder Ehegatte für seine Schulden mit seinem gesamten Vermögen haftet. Zum Vermögen eines Ehegatten gehört im Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung sowohl sein Eigengut als auch seine Errungenschaft (ich gehe aufgrund ihrer Schilderung davon aus, dass die Ehegatten den Regeln der Errungenschaftsbeteiligung unterstehen). D.h. grundsätzlich wäre das Eigengut des Mannes hier geschützt und es stellt sich die Frage, was alles als Errungenschaft herangezogen werden kann. Wie es sich vorliegend konkret verhält, insbesondere auch mit der Lebensversicherung, wäre wohl vertiefter abzuklären. Da es sich dabei aber nicht um eine sozialhilferechtliche, sondern eine eherechtliche Frage handelt, müsste ich sie diesbezüglich an andere Expert:innen verweisen. Es ist sodann dieselbe (zivilrechtliche) Betrachtung, die es überhaupt erst erlauben wird, zu bestimmen, ob die finanziellen Verhältnisse nun derart sind, dass die Rückerstattung statthaft ist. Aus sozialhilferechtlicher Sicht kann man zumindest dafür argumentieren, dass mit dem neuerlichen Zusammenleben eine Veränderung eingetroffen ist, die auch finanzielle Auswirkungen bei der Ehefrau hat.
Eine weitere Möglichkeit, die zu prüfen wäre, ist ob gemäss Art. 286a ZGB ein nachträglicher Unterhaltsbeitrag für die Kinder eingefordert werden könnte, und so zumindest die Sozialhilfeschuld, die für die Kinder entstand, getilgt werden könnte – was wiederum auch die Sozialhilfeschulden der Ehefrau reduzieren würde. Auch diesbezüglich würden sich vertieftere Abklärungen aufdrängen, insbesondere stellt sich auch die Frage, ob die Gemeinde hier aktivlegitimiert (klageberechtigt) wäre, diesen Unterhalt nachträglich einzufordern. In diesem Zusammenhang ist Art. 286 ZGB und die dazu ergangene Rechtsprechung zu erwähnen (vgl. BGE 148 III 353 mit Verweis auf BGE 148 III 270, E. 6.5 – 6.8), die festhält, dass die Gemeinde nur in Bezug auf effektiv bevorschusste Leistungen ein Klagerecht hat. Aber gerade der Umstand, dass die Ehefrau während der Dauer der Ehe für die gemeinsamen Kinder trotz vorhandenem Vermögen (beim Ehemann) Sozialhilfe hat beziehen müssen und es nun nur ihre Rückerstattungsschuld ist, kann als stossend betrachtet werden. Daher wären diesbezüglich vertieftere Abklärungen – sofern dies der bezogene Betrag rechtfertigt – angebracht.
Für die Sozialhilfeschuld, die für die Ehefrau selbst entstanden ist, ist jedoch kein entsprechendes Vorgehen möglich.
Ich hoffe, diese Hinweise helfen Ihnen weiter, auch wenn ich sie mehrheitlich an Expert:innen im Bereich des ehelichen Güterrechts verweisen muss.
Beste Grüsse