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Rückerstattung unrechtmässiger SH nach der Pensionierung (Rente AHV und EL)

Veröffentlicht:
10.01.2022
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Wir haben eine Anfrage bezüglicher einer Rückerstattung von unrechtmässigbezogener Sozialhilfe.

Die betroffene Person ist mittlerweile Pensioniert und erhält AHV und EL. Mit dem Sozialdienst ist eine Rückerstattungsvereinbarung getroffen worden, in der sich der*die Rentner*in dazu verpflichtet hat nach der Ablösung durch die Pensionierung monatlich 100.00 zurück zu bezahlen.

AHV und EL sind jedoch unpfändbar. Sind wir richtig in der Annahme, dass wenn die Person nun die Zahlungen aussetz, zwar ein Betreibungsverfahren gestartet wird, jedoch keine Pfändung möglich ist, da die Person lediglich von AHV und EL lebt?

Gemäss der SH-Abrechnung hätte die Person noch ein Guthaben zugute, welches aus bevorschussten Leistungen entstanden ist. Dieses behält der Sozialdienst nun zurück mit der Begründung, dass der Betrag  mit der Rückerstattung  der unrechtmässigbezogener SH verrechnet wird. Ist dies zulässig?

Besten Dank für Ihre Rückmeldung.

Freundlicher Gruss

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

1. Pfändbarkeit von AHV- und EL-Renten

Der Anspruch auf Sozialversicherungsleistungen ist weder abtretbar noch verpfändbar. Jede Abtretung oder Verpfändung ist nichtig (Art. 22 Abs. 1 ATSG). Nachzahlungen von Leistungen des Sozialversicherers können jedoch u.a. der öffentlichen Fürsorge abgetreten werden, soweit diese Vorschusszahlungen leistet (Art. 22 Abs. 2 ATSG).

Dies bedeutet, dass die Sozialhilfe die Auszahlung von AHV- und EL-Renten, soweit es sich um Nachzahlungen handelt, für den bevorschussten Zeitraum an sich beantragen kann. Dadurch wird sichergestellt, dass die Sozialhilfe ausschliesslich subsidiär leistet. Hingegen nicht möglich ist die Pfändung der schweizerischen AHV- und EL-Rente durch die Sozialhilfe für Rückforderungen der Sozialhilfe (Art. 92 Abs. 1 Ziffer 9a SchKG i.V.m. Art. 20 AHVG und Art. 12 ELG, siehe auch BGE ). 

Ausländische Altersgrundrenten sind in Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG nicht genannt, was jedoch nicht auf eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers im Sinne eines qualifizierten Schweigens zurückzuführen sei. Eine Gleichstellung der ausländischen Rente mit den Leistungen nach Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG kommt nach bundesgerichtlicher Rechsprechung dann in Frage, wenn die ausländische Versicherung tatsächlich dem schweizerischen System der Alters- und Hinterlassenenversicherung entspreche, welche auch bei hohen Beiträgen bzw. vollständiger Beitragsdauer in aller Regel keine Leistungen erbringe, die das betreibungsrechtliche Existenzminimum übersteigen. Ein Vorbehalt gelte für den Fall, dass die ausländische Rente unter Anrechnung der in der Schweiz bezogenen AHV-Teilrente den Betrag der schweizerischen maximalen AHVRente übersteigt; in einer solchen Situation könne sich ein Schuldner für den darüber hinausgehenden Betrag nicht auf den absoluten Schutz vor Pfändung berufen (siehe BGE 143 III 385 E. 2.4, 4.3 und 4.6).

Handelt es sich bei der AHV-Rente n vorliegend (teilweise) um eine ausländische Rente, kann diese unter gewissen Voraussetzungen somit gepfändet werden. 

Fazit: Schweizerische AHV- und EL-Renten sind unpfändbar. Ausländische AHV-Renten können je nach Sachverhalt gepfändet werden. 

2. Verrechnung

Eine Verrechnung von Leistungen ist nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen von Art. 120 OR gegeben sind: Die Schuld muss gegenseitig bestehen und die Leistungen müssen ihrem Gegenstand nach gleichartig sein.  

Der Überschuss aus einer Verrechnung aufgrund einer Bevorschussung ist keine Leistung, die die Sozialhilfe dem ehemaligen Klienten schuldet. Vielmehr schuldet diese Leistung der Dritte (wie z.B. die AHV) dem Versicherten, dessen Leistung die Sozialhilfe bevorschusst hat. Rechtlich korrekterweise müsste die Sozialhilfe den Überschuss deshalb an den Dritten zurückbezahlen und dieser müsste die Leistung dem Versicherten ausbezahlen. Die Voraussetzungen von Art. 120 OR sind deshalb beim Überschuss aufgrund einer Bevorschussung nicht gegeben. Es gibt keine gegenseitige Schuld. Die Sozialhilfe hat im Umfang des Überschusses aus der Bevorschussung keine Schuld gegenüber dem ehemaligen Klienten. Eine Verrechnung mit der Schuld des ehemaligen Klienten gegenüber der Sozialhilfe ist rechtlich deshalb nicht möglich. Die Sozialhilfe kann und muss den Überschuss – wie ausgeführt – dem Dritten zurückbezahlen, wenn sie den Überschuss nicht direkt dem (ehemaligen) Klienten ausbezahlen will.

Teilt die Sozialhilfe diese rechtliche Meinung nicht, so schlage ich vor, eine entsprechende anfechtbare Verfügung zu verlangen und diese dann anzufechten.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach