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Rückerstattung Sozilhilfe Kanton Aargau

Veröffentlicht:
11.07.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Ich bin Beistand einer jungen Frau unter anderem mit dem Auftrag Administration und Einkommens- und Vermögensverwaltung.
Meine Klientin hat im Jahr 2016 WSH im Umfang von ca. Fr. 8000.- im Kanton Aargau bezogen. Seit April 2018 konnte sie eine 100%- Stelle antreten und verdient ca. Fr. 5000.-
Die zuständige Gemeinde macht zünftig Druck die bezogene WSH zurück zu bezahlen. Nach Studium des kantonalen Sozialhilfegesetztes habe ich festgestellt, dass die Bestimmungen über Voraussetzungen und Umfang der Rückerstattung im Kanton Aargau im krassen Gegensatz zur den Empfehlungen des SKOS stehen.
Habe ich es richtig verstanden, dass die Rückerstattung bereits bei einem Vermögen von Fr. 5'000.- geprüft und in dem deklarierten Umfang zurück gefordert werden kann? Muss ich als Beistand alle Unterlagen einreichen, obwohl meine Klientin das Vermögen von Fr. 5'000.- noch nicht erreicht hat?
Vielen Dank für eine kurze Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Anja Loosli Brendebach

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrter Herr Pivarci
Vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne wie folgt beantworte:
In § 20 Abs. 1 des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes (SPG) des Kantons Aargau vom 06.03.2018 steht, dass die Sozialhilfeleistungen dann rückerstattungspflichtig seien, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse sich soweit gebessert hätten, dass eine Rückerstattung ganz oder teilweise zugemutet werden könne. Diese Bestimmung wird in § 20 der Sozialhilfe- und Präventionsverordnung (SPV) vom 28.08.2002 präzisiert. Dort steht in Abs. 1, dass bessere wirtschaftliche Verhältnisse nach § 20 SPG vorliegen, wenn Vermögen vorhanden ist, Vermögen gebildet wird oder gebildet werden könnte. Der Vermögensfreibetrag für eine Einzelperson wird in Abs. 2 auf maximal CHF 5'000.-- festgelegt. Die Rückerstattung solle zudem nach Abs. 3 auf Basis des sozialen Existenzminimus (GB I und II gem. § 10 Abs. 2 und 3 SPV, erweitert um 20% unter Berücksichtigung von Auslagen, Steuern, Unterhaltsverpflichtungen und Darlehenstildung) berechnet werden. Die an Volljährige in Ausbildung erfolgte Unterstützung bis zum 20. Altersjahr darf nach Abs. 4 nicht zurückgefordert werden. Die SKOS-Richtlinien werden vom Kanton Aargau als verbindlich erklärt, wobei im entsprechenden Merkblatt ausdrücklich festgehalten ist, dass die Rückerstattung nach § 20 SPG und SPV erfolge. Es wurde also bzgl. Rückerstattung ausdrücklich eine Abweichung von den SKOS-Richtlinien festgehalten.
In einem Zwischenfazit ist daraus zu schliessen, dass der Kanton Aargau über eine ausreichende gesetzliche Grundlage verfügt, um die Unterstützungsleistungen - unter bestimmten Voraussetzungen - zurückzufordern. Diese Regeln widersprechen auch nicht Bundesrecht, da es einerseits kein Bundesrahmengesetz über die Sozialhilfe gibt und mit der Berechnung der Rückerstattung in der vorliegenden Form Art. 12 BV grundsätzlich nicht verletzt wird. Auch die Abweichung von den SKOS-Richtlinien, die kein zwingendes Gesetzesrecht darstellen - sind ausdrücklich festgehalten und somit zulässig.
Ob die Sozialhilfe in dem von Ihnen geschilderten Fall im heutigen Zeitpunkt zurückgefordert werden kann, steht damit aber noch nicht fest. Zwar lässt es § 20 SPV zu, dass auch aus dem Einkommen die Sozialhilfe zurückerstattet werden muss, aber nur dann wenn entweder bereits ein Vermögen von CHF 5'000.-- angespart wurde oder zumindest hätte angespart werden können. Sie schreiben, dass ein solches Vermögen noch nicht angespart wurde. Ob es hätte angespart werden können, kann sich mit obiger Berechnung errechnen lassen. Vom Einkommen sind GB I und II, eine 20%-Pauschale, die Mietkosten, die Gesundheitskosten, weitere Auslagen, Steuern, Unterhaltsverpflichtungen und Darlehensverpflichtungen abzuziehen. Resultiert daraus ein so grosser Überschuss, dass seit April 2018 ein Vermögen von CHF 5'000.-- hätte angespart werden können, dann kann allenfalls bereits im heutigen Zeitpunkt eine Rückerstattung verlangt werden, wobei die monatliche Summe die berechnete Differenz von Einkommen und Ausgaben nicht übersteigen darf. Ich wage es stark zu bezweifeln, dass Ihre Mandantin in den 3 Monaten sei ihrer Ablösung von der Sozialhilfe nach der obgenannten Berechnung hätte CHF 5'000.-- ansparen können. Ich empfehle Ihnen deshalb, genau zu kontrollieren, ob die Sozialhilfe die Summe richtig berechnet und keine Rückzahlungsvereinbarung zu unterzeichnen oder von Ihrer Mandantin unterzeichnen zu lassen, wenn Sie nicht vollkommen von der Berechnung überzeugt sind.
Zur Berechnung des möglichen Vermögens braucht es tatsächlich die finanziellen Unterlagen Ihrer Klientin, weshalb Sie grundsätzlich verpflichtet sind, diese einzureichen.
Mich stört aber noch ein weiterer Punkt am Vorgehen der Sozialhilfe. Gemäss Sozialhilfehandbuch des Kantons Aargau sollte nach Empfehlung der SKOS - wie im Handbuch ausdrücklich aufgeführt ist - mit der Rückerstattungszahlung bei mehrjähriger Unterstützung mindestens ein Jahr zugewartet werden, um die Integration nicht zu gefährden. Zwar wurde Ihre Mandantin "nur" zwei Jahre unterstützt. Aber auch bei dieser Dauer erscheint mir eine Rückforderung bzw. die Berechnung der Rückforderung nach bereits 3 Monaten unverhältnismässig und nicht dem Handbuch entsprechend. Ich empfehle Ihnen vor Einreichung der Unterlagen die Sozialhilfe auf diese Bestimmung im Handbuch hinzuweisen und vorzuschlagen, dass die Siuation im April 2019 nochmals angeschaut wird. Ergänzend ist auszuführen, dass nach Handbuch die Rückzahlung auch nicht länger als 4 Jahre dauern soll und empfohlen wird, auf die dannzumalige Restsumme zu verzichten. Schliesslich stellt sich die Frage, ob allenfalls - zumindest teilweise - die Voraussetzungen von Abs. 4 von § 20 SPV gegeben sind, d.h. keine Rückerstattung zulässig ist, weil Ihre Mandantin jünger als 20 Jahre alt war beim Bezug.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach