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Rückerstattung Sozialhilfegelder während WSH Bezug

Veröffentlicht:
27.06.2022
Kanton:
Zürich
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich habe einen Klienten in einer Zürcher Gemeinde, welcher während seinem jetzigen Sozialhilfebezug einen vorherigen Sozialhilfebezug in Raten zurückerstatten muss. Darf die Gemeine das?

Es ist so, dass der Klient ca. 5 Jahre Sozialhilfebezüger war, dann aber wegen einer Erbschaft keine mehr erhielt. Weil er knapp CHF 150'000.- erhielt, musste er die bereits bezogenen Sozialhilfegelder von knapp CHF 100'000.- zurückbezahlen. Dieser Entscheid wurde ein Jahr nach der Erbschaft mitgeteilt. Da der Klient bereits Gelder für seinen Lebensunterhalt verbrauchte, konnte er nur noch CHF 80'000.- zurückbezahlen und musste sich zeitglich wieder auf derselben Gemeinde als Sozialhilfeempfänger anmelden. Da er aber noch den Restbetrag von knapp CHF 20'000.- der Gemeinde Schuldet, wird ihm jetzt sein Grundbedarf gekürzt um damit die Schuld abzubezahlen.

Ist dieses Vorgehen so rechtens?

Eigentlich dachte ich, dass die Gelder auch nur zurück zu erstatten seien, wenn dies keine übertriebene Härt dargestellt hätte, was aber meiner Meinung mit dem erneuten Bezug durch die Sozialhilfe gegeben ist.

Desweitern würde sich die Gemeinde gegenüber anderen Gläubigern, meines Erachtens nach bevorzugen, indem sie jetzt das Geld über die Kürzung des GBL zurückverlangt.

Besten Dank für Ihre Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Melanie Studer

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Zunächst zu den anwendbaren Rechtsquellen: Die Rückerstattung von rechtmässig bezogener Sozialhilfe im Kanton Zürich richtet sich in erster Linie nach § 27 SHG/ZH; die SHV/ZH enthält keine weitergehenden Bestimmungen; zudem sind auch die SKOS-RL zu beachten, sofern das Gesetz nicht eine abweichende oder explizitere Norm enthält; der Weisung der SID zur Anwendung der SKOs-RL ist nicht zu entnehmen, dass das Kapitel E. zur Rückerstattung im Kanton Zürich nicht angewendet wird oder weitergehende Abweichungen enthalten wären. Ergänzend ist das Zürcher Handbuch, insbesondere Kapitel 15 zu konsultieren.

Bei § 27 SHG handelt es sich um eine «kann-Bestimmung», d.h. der Gemeinde steht ein Entschliessungsermessen zu, ob rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe überhaupt zurückerstattet werden muss; dies auch dann, wenn ein Hilfeempfänger durch Erbschaft in finanziell günstige Verhältnisse gerät (vgl. § 27 Abs. 1 lit. b SHG/ZH). Dieses Ermessen wurde in dem Sinne ausgeübt, dass eine Rückerstattung verfügt wurde; dass dabei vom gesamten Betrag der Erbschaft (Fr. 150'000) ausgegangen wurde und nicht «nur» von den im Zeitpunkt der Verfügung noch vorhandenen Fr. 80'000 ist zunächst einmal nicht zu beanstanden: so hält auch das Handbuch in Kapitel 15.2.03 fest: «Grundsätzlich unerheblich für die Rückerstattungsforderung ist, ob die unterstützte Person im Zeitpunkt der Rückforderung nach wie vor in günstigen Verhältnissen ist oder nicht. Gibt sie also das ihr zugeflossene Vermögen sogleich wieder aus (z.B. zur Tilgung von Schulden), so hat dies keinen Einfluss auf die Rückerstattungsforderung. Auch in einem solchen Fall kann eine Rückerstattung verfügt werden. » (so auch Wizent Guido, Sozialhilferechtliche Rückerstattung gegenüber der Klientel, in: Jusletter vom 19. März 2018, Rz. 56 mit Hinweis auf Z.B. Urteil des Verwaltungsgerichts Zürich VB.2010.00639 vom 7. April 2011, E. 4.4 (ausgeschlagene Erbschaft);Urteil des Verwaltungsgerichts Zürich VB.2003.00107 vom 19. März 2003, E. 4 (Erbschaft für andere Zwecke eingesetzt). Es scheint zudem, dass der Vermögensfreibetrag von Fr. 30'000 bei der Verfügung der Rückerstattung berücksichtigt wurde. Dieser ursprüngliche Rückerstattungsbeschluss ist – so nehme ich an – auch bereits in Rechtskraft erwachsen, sodass sich die Frage, ob auf diese Rückerstattung an sich schon hätte verzichtet werden müssen, weil es eine übertriebene Härte darstellt, nur noch theoretisch stellt.

Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob es aber legitim ist, die offene Rückerstattungsforderung von Fr. 20'000 mit dem laufenden Sozialhilfebezug zu verrechnen. Zunächst ist zu bemerken, dass gemäss den SKOR-RL lediglich Rückerstattungen aus unrechtmässigem Bezug mit dem laufenden Sozialhilfebezug verrechnet werden können (vgl. SKOS-RL E. 4). Dem SHG/ZH fehlt zudem eine gesetzliche Grundlage zur Verrechnung und auch das Handbuch beschränkt die Ausführungen zur Verrechnung auf unrechtmässig bezogene Leistungen, also Leistungen, die unter Angabe von unwahren oder unvollständigen Angaben erwirkt wurden. In Ihrem Fall geht es ja aber eben nicht um einen unrechtmässigen Bezug. Deshalb fehlt der Verrechnung meiner Meinung nach in Ihrem Fall die gesetzliche Grundlage und sie ist aus diesem Grund aufzuheben. Eine Rückerstattung für rechtmässig bezogene Leistungen kann gestützt auf die geltend rechtlichen Grundlagen nicht mit einer laufenden Unterstützung verrechnet werden, womit es sich hier um eine Rechtsverletzung handelt.

Die Frage der «übertriebenen Härte» stellt sich im Zusammenhang mit der Stundung respektive dem Erlass der Rückerstattung. Bei einer Stundung wird die Forderung lediglich vorübergehen ausgesetzt; sie würde dann wieder aufleben, wenn der Klient erneut in günstige Verhältnisse geraten würde. Bei einem Erlass wird auf die Forderung definitiv verzichtet.

Die Stundung wäre in Ihrem Fall eine alternative Vorgehensweise – wobei die oben dargelegt Argumentation mit der fehlenden gesetzlichen Grundlage für eine Verrechnung meiner Meinung nach die überzeugendere ist.

Bei der Stundung ist den tatsächlichen Verhältnissen des Klienten Rechnung zu tragen (vgl. Wizent a.a.O., Rz. 56 sowie das Zürcher Handbuch Kapitel 15.2.03; was eben bei der ursprünglichen Rückerstattung gerade noch nicht zu tun ist, da dort ja nicht berücksichtigt wird, wenn das Geld bereits nicht mehr vorhanden ist). Das SHG/ZH enthält keine explizite Norm zur Stundung von Rückerstattungsforderungen. Die SKOS-RL E. 5 hält fest, dass in Härtefällen auf Gesuch hin ganz oder teilweise verzichtet werden kann (hier ist der Erlass angesprochen, dazu unten) oder die Schuld gestundet werden kann. Ein Härtefall liege gem. Abs. 2 vor, wenn die Rückerstattungsforderung aufgrund der gesamten Umstände unbillig und unter Berücksichtigung der finanziellen und persönlichen Situation unverhältnismässig ist. Das Zürcher Handbuch führt dazu richtigerweise aus, dass es sich auch hierbei «weitgehend» um einen Ermessensentscheid der Behörde handelt (Kapitel 15.4.02). Das Zürcher Handbuch erläutert ebenfalls, dass eine grosse Härte dann gegeben ist, wenn die rückerstattungspflichtige Person derzeit lediglich ihr betreibungsrechtliches Existenzminimum zu decken vermag

Zudem ergibt sich auch aus den Ausführungen im Handbuch zur Stundung implizit, dass sich die Frage der Stundung bei einer Rückerstattung aus rechtmässigem Bezug nur stellt, wenn die Person nicht mehr von der Sozialhilfe abhängig ist und eine Rückerstattung aus rechtmässigem Bezug bei laufendem Bezug nicht vorgesehen ist, wenn ausgeführt wird, dass bei eine Rückerstattung aus unrechtmässigem Bezug eine Stundung zwar möglich sei, aber bei einer andauernden Unterstützung «ohne Weiteres» verrechnet werden könne – dass bei einem rechtmässigen Bezug verrechnet werden könnte, wird auch hier nicht erwähnt.

Hinzu kommt das von Ihnen erwähnte Argument, dass sich die Gemeinde so selbst bevorzugt und damit gegen den Grundsatz verstossen wird, dass die Sozialhilfe nicht für vorbestehende Schulden aufkommt.

Entsprechend empfehle ich Ihnen in erster Linie für Ihren Klienten zu beantragen die Verrechnung sei mangels gesetzlicher Grundlage aufzuheben, da eine Verrechnung bei laufendem Bezug nur bei einer Rückerstattung aus unrechtmässigem Bezug vorgesehen ist. Ein Gesuch auf Stundung der Rückerstattungsforderung wegen Unbilligkeit und grosser Härte wäre erst in einem zweiten Schritt zu prüfen, falls das Vorgehen erfolglos bliebe.

Noch eine Ergänzung zum Erlass und wieso dieser m.E. vorliegend nicht in Frage kommt: gem. dem Zürcher Handbuch zur Sozialhilfe (mit Hinweis auf die entsprechende Rechtsprechung) wird diesbezüglich Art. 25 ATSG analog angewendet; das heisst der Erlass der Rückerstattung ist nur bei unrechtmässig bezogenen Leistungen möglich. Bei einem Erlass wird auf die Forderung definitiv verzichtet. Gerne verweise ich Sie zudem auf die diesbezüglichen Ausführungen im Zürcher Handbuch: https://www.zh.ch/de/soziales/sozialhilfe/sozialhilfehandbuch/flexdata-definition/15-rueckerstattung/15-4-verjaehrung-stundung-und-erlass-der-rueckerstattungsforderung/15-4-02-stundung-und-erlass.html

Beste Grüsse

Melanie Studer