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Rückerstattung Sozialhilfe aus Erbschaft und weitere Schulden

Veröffentlicht:
10.05.2022
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren

Wie verhält es sich, wenn eine Klientin durch einen Erlös einer Erbengemeinschaft durch einen Liegenschaftsverkauf in verbesserte wirtschaftliche Verhältnisse gelangt und noch andere Schulden hat? Gibt es Schulden, die Vorrang vor der Rückerstattung der Sozialhilfe haben? Der Sohn der Klientin hat seiner Mutter früher ein Darlehen von 100'000 Franken gegeben. Kann er aus dem Erlös eine Rückerstattung verlangen? Im Kanton BE kennen wir eine Rückerstattung der Sozialhilfe aufgrund verbesserter wirtschaftlicher Verhältnisse. Wir sind der Ansicht, dass die Sozialhilfe Vorrang hat. Aus dem Erberlös ist der Teil direkt an die Sozialhilfe zurückzuerstatten, der über dem Vermögensfreibetrag liegt. Mit dem Vermögensfreibetrag (bei Einzelpersonen 25'000, Regelung BE) wird die Klientin von der Sozialhilfe abgelöst. Der Sozialdienst rechnet aus wie lange die Klientin in etwa von diesem Geld ohne Unterstützung leben können soll (Budget nach Empfehlungen der SKOS, doppelter GBL etc.) und informiert die Klientin. Meldet die Klientin sich verfrüht wieder auf der Sozialhilfe an, wäre das Vorliegen einer selbstverschuldeten Bedürftigkeit zu prüfen. In dieser Betrachtungsweise würde die Sozialhilfe die anderen Schulden (insbesondere Darlehen beim Sohn) nicht berücksichtigen? Ist das korrekt?

Vielen Dank bereits im Voraus und freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

Nach Art. 40 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Bern (SHG) sind Klienten rückerstattungspflichtig bei wesentlich verbesserten wirtschaftlichen Verhältnissen, realisiertem oder realisierbarem Vermögen, bevorschussten Leistungen Dritter, grob selbstverschuldeter Notlage und unrechtmässigem Sozialhilfebezug. Die Sozialhilfe ist verpflichtet, den Rückerstattungsanspruch geltend zu machen (Art. 44 Abs. 2 SHG). Die Rückerstattung erfolgt mittels Vereinbarung oder - wenn die Klientel nicht einverstanden ist - mittels Verfügung (Art. 44 Abs. 2 und 3 SHG). Daraus folgt, dass die Sozialhilfe den Rückerstattungsanspruch geltend machen muss, wenn ein Grund dafür vorliegt, unbesehen davon, ob auch Dritte einen Anspruch geltend machen. Es kommt hinzu, dass nach Art. 30 Abs. 4 SHG für das Tilgen von Schulden keine Sozialhilfe gewährt wird, Schulden den Sozialhilfeleistungen somit nicht vorgehen und damit auch in der vorliegenden Konstellation keinen Vorrang haben.

Gemäss dem Sozialhilfehandbuch BKSE besteht betreffend Ablösung bei erheblichem Vermögensanfall folgende Empfehlung: Kommt eine unterstützte Person während der Unterstützung in den Genuss von Vermögen, wird der Vermögensfreibetrag nicht gewährt und das Vermögen voll im Budget angerechnet. Ein Freibetrag von Fr. 25'000.-- bei einer Einzelperson ist nur bei einer Genugtuung oder Integritätsentschädigung zu gewähren (Art. 8n Abs. 3 lit. a SHV). Handelt es sich um erhebliches Vermögen, das eine nachhaltige Ablösung vom Sozialdienst ermöglicht, so muss die Klientel abgelöst werden und es ist eine Rückerstattung zu prüfen.

Daraus schliesse ich, dass die Klientin aufgrund des Vermögensanfalls abgelöst und gleichzeitig die Rückerstattung geprüft werden muss. Ein Freibetrag von Fr. 25'000.-- ist nicht zu gewähren, da es sich nicht um eine Genugtuung oder eine Integrationsentschädigung handelt. Wird die gesamte Summe von der Sozialhilfe zurückgefordert, weil bis zum aktuellen Zeitpunkt Leistungen in dieser Höhe erbracht worden sind, muss die Klientin ohne Sanktion wieder in die Unterstützung aufgenommen werden, sobald sie die Rückerstattungsforderung beglichen hat und wieder bedürftig ist. Begleicht die Klientin die Rückerstattungsschulden gegenüber der Sozialhilfe nicht aber gegenüber ihrem Sohn und wird dadurch bedürftig, liegt eine selbstverschuldete Bedürftigkeit vor. Betragen die von der Sozialhilfe bis anhin erbrachten Leistungen nicht Fr. 100'000.-- und wird nur ein Teil zurückgefordert und wird die Klientin schneller, als von der Sozialhilfe berechnet, wieder bedürftig, ist ebenfalls zu prüfen, ob die Bedürftigkeit selbst verschuldet ist und die entsprechenden Folgen anzuordnen sind.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können. 

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach