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Rückerstattung Sozialhilfe

Veröffentlicht:
21.02.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag Herr Seiler
Ich gelange mit folgender Frage an Sie:
Frau X. wurde von 30.11.2006 - 31.12.2011 durch die Sozialhilfe unterstützt. Danach konnte sie abgelöst werden, da ein Konkubinatsbeitrag eingerechnet wurde und dieser die Lebenshaltungskosten deckte.
Im April 2016 wurde Frau X. rückwirkend per 01.03.2014 eine IV-Rente zugesprochen und folglich auch Ergänzungsleistungen. Folglich generierte Frau X. ein Vermögen. IV-Renten Nachzahlung: CHF 26059.00.-, EL Nachzahlung: CHF 34120.00.- und HE Nachzahlung: CHF 13`846.00.-
Nun werde ich mit einer Rückforderung der Sozialhilfe konfrontiert. Gestützt auf das generierte Vermögen, wird Frau X. aufgefordert die Sozialhilfeschulden per sofort zurück zu zahlen.
Nun habe ich folgende Fragen:
Ist es korrekt, dass die Sozialhilfe von diesem Vermögen zehren darf?
Wie hoch ist der Vermögensfreibetrag der gewährt werden muss?
Darf die HE zum Vermögen gezählt werden?
Noch als Nachtrag: Frau X. ist seit Dezember 2016 Mutter eines Sohnes. Muss nun der höhere Vermögensfreibetrag gewährt werden?
Besten Dank für die Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Kathrin Müller

So wie ich die Beschreibung verstehe, begründet der zuständige Sozialdienst im vorliegenden Fall einen Rückerstattungsanspruch einzig und allein mit dem Eintritt einer wesentlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der ehemaligen Leistungsbezügerin (Art. 40 Abs. 1 SHG BE). Die Verbesserung resultiert aus einer Nachzahlung von Sozialversicherungsleistungen für welche keine zeitliche und sachliche Kongruenz vorliegt. Es geht, so meine Annahme nur um rechtmässig bezogene wirtschaftliche Sozialhilfe.
Zu beachten sind die Bestimmungen über die Verjährung. Die einzelne Leistung verjährt spätestens 10 Jahre nach deren Ausrichtung (Art. 45 Abs. 1 SHG BE).
Zur Frage der Vermögensverwendung für die Rückerstattung:
Die Nachzahlung von Sozialversicherungsleistungen ist kein Zugang an Vermögen, sondern ein Ersatzeinkommen soweit es IV-Renten sind (Locher/Gächter § 54 N 1), Bedarfsleistungen zur Deckung des verfassungsrechtlichen Existenzminimums, soweit es Ergänzungsleistungen (a.a.O. § 57 N 5 und 6) sind, und eine zweckgebundene Leistung zur Deckung von Kosten, die Dritte wegen der Hilflosigkeit für die Bewältigung des täglichen Lebens Hilfe leisten (a.a.O. § 56 N 2).
Aus diesem Grund ist hinsichtlich eines allfälligen Rückerstattungsanspruchs zu prüfen, wie und womit die versicherte Person in der Zeitspanne auf die sich die Nachzahlung bezieht ihren Existenzbedarf gesichert hat. Für eine Rückerstattung steht allenfalls jener Teil der Nachzahlung zur Verfügung, welcher nach einer allfälligen versicherungsrechtlichen Koordination zur Verhinderung einer Überentschädigung übrigbleibt. Dieser Betrag, der der Klientin in der fraglichen Zeitspanne effektiv zur Existenzsicherung zur Verfügung stand ist als Einkommen zu betrachten. In Bezug auf dieses Einkommen ist zu prüfen ob im Sinne der Praxishilfe der SKOS (H.9) ein Einkommensüberschuss vorliegt, welcher der Rückerstattung zugänglich ist (Art. 11b SHV BE).
Zur Verwendung der Nachzahlung von Sozialversicherungsleistungen gestützt auf einen Vermögenszuwach (Art. 40 Abs. 1 SHG BE) vgl. BVR 2009 S. 273, S. 279ff, bzw. VGer BE, VGE 100.2008.23203 vom 27. Oktober 2008, E.5 ff, Quelle Datenbank zum Sozialhilferecht.
Zur Frage des Vermögensfreibetrags:
Der Rückerstattungsanspruch müsste, wenn er gestützt auf Art. 40 Abs. 1 SHG BE erfolgen soll gemäss Art. 11b SHV BE berechnet werden. Der Freibetrag bei der Rückerstattung infolge eines erheblichen Vermögensanfalls nach Abschluss der Unterstützung wird auf Grund der aktuellen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Rückerstattungsanspruchs festgelegt. Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass der Vermögensfreibetrag für Mutter und Kind von 40‘000 Fr. zu gewähren ist (SKOS-RL E.3.1). Es gibt keine Kumulation der Vermögensfreibeträge gemäss E.2.1 und E.3.1 (vgl. VGer BE, Urteil 200 14 891 SH vom 18. Juni 2015 E.3.2.2, Quelle Datenbank zum Sozialhilferecht).
Zur Frage der Hilflosenentschädigung:
Die Hilfslosenentschädigung ist von der für eine allfällige Rückerstattung zugänglichen Summe in Abzug zu bringen, vgl. VGer BE, Urteil 200 14 891 SH vom 18. Juni 2015 E.3.1.