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Rückerstattung Rente Säule 3b

Veröffentlicht:
28.11.2023
Kanton:
Wallis
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich gelange mit folgender Fallfrage an Sie: 

Eine Klientin hat im September 2023 einen Antrag auf Sozialhilfe eingereicht. Die Abklärungen haben ergeben, dass die Klientin bedürftig ist und sie wird nun finanziell unterstützt.

Wegen übermässiger Entäusserung eines Vermögenswertes (Erbschaft) kann die Klientin gemäss kantonaler Gesetzgebung aktuell nicht mit ordentlicher Sozialhilfe, sondern lediglich mit Nothilfe unterstützt werden. (Art. 32 Abs. 2 GES)

Die genannte Erbschaft erhielt die Klientin im Februar 2022, diese betrug rund CHF 380'000.-. Die Klientin wurde zu einem früheren Zeitpunkt mit Sozialhilfe unterstützt, der Gesamtbetrag beläuft sich auf rund CHF 67'000.-. Gemäss kantonaler Gesetzgebung wäre die Klientin verpflichtet gewesen, mit der erhaltenen Erbschaft den ganzen Betrag der erhaltenen Sozialhilfe der Gemeinde zurückzuerstatten. Dies hat sie jedoch nicht getan.

Ein Teil der Erbschaft (CHF 250'000.-) hat die Klientin in eine Säule 3b bei einer Versicherung investiert. Dafür wird sie im Zeitraum zwischen 01.04.2024 bis 31.03.2042 eine monatliche Rente in der Höhe von rund CHF 1000.- ausbezahlt bekommt. Diese Investition war als zusätzliche Altersvorsorge gedacht und als Ergänzung zur AHV und Rente der beruflichen Vorsorge, worauf sie ab 01.06.2024 Anspruch haben wird.

Die Gemeinde verlangt nun die Rückerstattung der geschuldeten Sozialhilfe in Form einer Abtretung der Säule 3b. Die Klientin muss ab 01.06.2024 die Rente der Säule 3b an den Sozialdienst abtreten, damit das Geld für die Rückzahlung der Sozialhilfeschuld gebraucht werden kann.

Das Existenzminimum, welches der Klientin angerechnet werden kann und welches durch die AHV Rente und die Rente der beruflichen Vorsorge gedeckt werden muss, orientiert sich gemäss der kantonalen Dienststelle für Sozialwesen an den Sozialhilferichtlinien, wobei wir vom ordentlichen Ansatz ausgehen.

Uns stellen sich in diesem Zusammenhang zwei relevante Fragen:

  • Ist es der Gemeinde gestattet, die Rente der Säule 3b für die Rückzahlung der Sozialhilfeschuld abtreten zu lassen?
  • Kann die Klientin verpflichtet werden, trotz fehlendem Sozialhilfeanspruch ab 01.06.2024 nach Sozialhilferichtlinien zu leben oder müsste man ihr das Existenzminimum mindestens nach EL Gesetzgebung anrechnen?

Ich bedanke mich im Voraus für Ihre Bemühungen. 

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Ich bedanke mich für Ihre Frage, die ich gerne folgendermassen beantworte.

Vorliegend muss zwischen der Rückerstattung aufgrund der Unterstützungsleistungen vor Februar 2022 in der Höhe von Fr. 67‘000.-- und der Sicherung der aktuell erbrachten Nothilfe bis zum AHV- und EL-Rentenbezug und der Rente der Säule 3b unterschieden werden.

Rückerstattung zu einem Zeitpunkt vor Februar 2022
Gemäss Sachverhalt hat die Klientin vor Februar 2022 insgesamt Fr. 67‘000.—Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe erhalten.

Unterstützungsleistungen sind nach Art. 52 Abs. 1 lit. b GES zurückzuerstatten, wenn eine Person zu bedeutendem Vermögen gekommen ist. Bedeutendes Vermögen kann dann vorhanden sein, wenn der Begünstigte einen über die im Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung (ELG) vorgesehenen Freibeträge hinausgehenden Betrag erhält (Art. 61 Abs. 2 VES).

Da dieser Freibetrag bei Einzelpersonen Fr. 30'000.-- beträgt, ist dieser vorliegend mit der im Februar 2022 erhaltenen Erbschaft in der Höhe von Fr. 380'000.-- bei Weitem überschritten. Es ist deshalb korrekt, wenn die Sozialhilfe die Rückerstattung der vor Februar 2022 erbrachten Leistungen in der Höhe von maximal Fr. 67'000.-- mittels Verfügung (Art. 58 GES) verlangt, wenn die Verjährung nach Art. 53 GES noch nicht eingetreten ist.

Ich gehe davon aus, dass die Unterstützungsleistungen vor Februar 2022 nicht mittels Garantie nach Art. 55 gesichert waren. Insbesondere konnte die Lebensversicherung aus der Säule 3b nicht als Garantie gedient haben, denn diese bestand noch gar nicht vor Februar 2022. Mangels Garantie kann die Rückerstattung der vor Februar 2022 erbrachten Unterstützungsleistungen deshalb im heutigen Zeitpunkt nicht mit der Verpflichtung gekoppelt werden, die künftige Rente der Säule 3b an die Sozialhilfe abzutreten.

Etwas anderes gilt für die Unterstützungsleistungen ab September 2023, wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird.

Sicherung Unterstützungsleistungen bzw. Nothilfe ab September 2023
Nach Art. 30 GES unterliegen die Unterstützungsleistungen dem Subsidiaritätsprinzip. Zu berücksichtigen sind die Mittel und Vermögenswerte, über die ein Antragsteller verfügt, auf die er Anspruch hat und auf die er verzichtet hat. Die Sozialhilfe greift nur, wenn die Person nicht selbst für sich sorgen kann und wenn alle anderen verfügbaren Hilfsmöglichkeiten nicht rechtzeitig und ausreichend erhalten werden können (Art. 2 VES).

Demnach haben Eigentümer eines beweglichen oder unbeweglichen Vermögens grundsätzlich keinen Anspruch auf materielle Hilfe (Art. 55 Abs. 1 GES). Zur Sicherstellung der Rückerstattung der gewährten Vorschüsse kann die Sozialhilfebehörde die Bezahlung von Leistungen von der Gewährung einer Sicherheit abhängig machen (Art. 55 Abs. 3 GES).

Wurden Vermögenswerte während oder zwischen zweit Bezugszeiträumen veräussert, kann die Unterstützung verweigert werden (Art. 32 Abs. 2 GES). Vorbehalten bleibt die Nothilfe bei ausgewiesener Bedürftigkeit (Art. 42 GES).

Ob und in welchem Umfang die Klientin vorliegend auf Vermögen verzichtet hat und damit die Voraussetzungen zur Verweigerung von Sozialhilfe – ausgenommen der Nothilfe – gegeben sind, ist für mich nicht abschliessend geklärt. Dies hat folgende Gründe: Die Klientin hat im Februar 2022 Fr. 380'000.-- geerbt. Davon hat sie Fr. 250'000.-- in eine Versicherung investiert. Von den übrigen Fr. 130'000.-- musste sie damit für die 1 ½ Jahre von Februar 2022 bis August 2023 mindestens einen Teil für die Bestreitung ihres Lebensunterhalts finanzieren, wenn sie über keine anderen finanziellen Mittel verfügte.  

Offensichtlich ist für mich aber, dass die Klientin mit der Versicherung der Säule 3b, in die sie ihr Vermögen im Umfang von Fr. 250'000.-- investiert hat, über Vermögen verfügt. Sie hat damit nach Art. 55 GES grundsätzlich keinen Anspruch auf Unterstützungsleistungen. Die Sozialhilfe kann deshalb nur bevorschussend unterstützen, bis das Vermögen aus der Säule 3b flüssig wird. Dafür könnte sie auch verlangen, dass die Versicherung so rasch als vertraglich möglich aufgelöst wird. Ich kenne die vertraglichen Bedingungen nicht. Aber auch wenn die Auflösung (Rückkauf) der Versicherung aktuell möglich wäre, würde der Rückkauf vorliegend meiner Meinung nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit (SKOS-RL A.4.2) widersprechen, da die Klientin aufgrund des AHV-Bezugs spätestens ab Juni 2024 nicht mehr bedürftig ist und sie wegen wenigen Monaten 18 Jahre auf eine Rente verzichten müsste. Indem die Sozialhilfe nun verlangt, dass die Klientin die Rente aus der Säule 3b abtritt, sobald sie fliesst, sichert sie die bevorschussten Unterstützungsleistungen ab September 2023 bis Juni 2024. Dies ist grundsätzlich zulässig nach Art. 55 GES. Ist die Klientin nicht bereit, die Abtretung zu unterzeichnen, kann die Sozialhilfe die Unterstützungsleistungen einstellen. Allerdings muss die Sozialhilfe nach Ablösung einer Rückerstattungsverfügung erlassen und darin festhalten, wie hoch die Schuld der Klientin ab September 2023 ihr gegenüber ist. Sobald diese Schuld getilgt ist, darf die Rente nicht mehr an die Sozialhilfe abgetreten bleiben. Die Klientin könnte das z.B. so lösen, dass sie zwar eine Abtretung unterzeichnet, darin aber festhält, dass die Abtretung für eine bestimmte Zeit gilt (es könnte errechnet werden, wie viele Unterstützungsleistungen sie von September 2023 bis Juni 2024 voraussichtlich bezieht und wie viele Monate Rente dies umgerechnet bedeutet).

Aufgrund des Sicherungscharakters der Abtretung der Rente der Säule 3b muss die Sozialhilfe dabei nicht das Existenzminimum der EL beachten.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort helfen zu können.

Freundliche Grüsse