Sachverhalt
Ich war Beiständin einer Frau, welche im Dezember gestorben ist. Sie lebte von der Sozialhilfe. Die Mandatskosten wurden jeweils von der zuständigen Gemeinde bezahlt.
Die Frau besass eine Liegenschaft. Die Gemeinde, welche die Mandatskosten jeweils bezahlt hatte, ist nun auf mich zugekommen, und will die Mandastkosten von der Erbin rückerstattet erhalten.
Frage
Sind die Mandatskosten bei Todesfall rückerstattungspflichtig (durch einen allfälligen Verkauf seitens der Erbin) und falls ja, unter welchen Umständen?
Besten Dank für Ihre Rückmeldung.
Freundlicher Gruss
Karin Pecec, Berufsbeiständin, SMZO Visp
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Sehr geehrte Frau Pecec
Die Rechtslage im Wallis ist nicht ganz einfach zu erfassen und ich fand keine Publikationen, Empfehlungen oder Merkblätter über die Entschädigung und den Spesenersatz.
Hier folgt meine Kurzeinschätzung, die anhand konkreter Sachverhaltsangaben und Kenntnisse über die Walliser Rechtspraxis ggf. zu ergänzen oder modifizieren wäre. Allenfalls stellen sich auch übergangsrechtliche Fragen.
Art. 31 EG ZGB (Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 24.03.1998 SGS 211.1) regelt die Entschädigung und Vergütung der Spesen des Beistands und des Vormundes.
Art. 31 EG ZGB
1 Die Schutzbehörde beschliesst die Entschädigung des Beistands und die Vergütung der notwendigen Spesen, grundsätzlich im Rahmen der periodischen Berichts- und Rechnungsprüfung.
2 Die monatliche Entschädigung wird zwischen 50 und 300 Franken festgelegt. Die Erwachsenenschutzbehörde kann jedoch:
a) - b) (…)
3 Die Bestimmungen des Gesetzes betreffend den Tarif der Kosten und Entschädigungen vor Gerichts- oder Verwaltungsbehörden bezüglich Reiseentschädigungen und den Ersatz der effektiven oder pauschalen Spesen finden analoge Anwendung.
4 Wenn die mit der Entschädigung und dem Spesenersatz verbundenen Kosten nicht dem Vermögen der betroffenen Person belastet werden können:
a) erhält der Beistand zusätzlich zum Spesenersatz 70 Prozent der regulären Entschädigung;
b) übernimmt die Wohnsitzgemeinde der betroffenen Person die Kosten für die Mandatsführung. Diese ist verpflichtet, den von der Gemeinde geleisteten Vorschuss zurückzuzahlen, sobald sie zu neuem Vermögen kommt.
5 (…)
6 Die Ausführungsbestimmungen des vorliegenden Gesetzes sind in der Verordnung über den Kindes- und Erwachsenenschutz vom 22. August 2012 festgelegt.
In Art. 32a ff. VKES (Verordnung über den Kindes- und Erwachsenenschutz vom 22.08.2012 SGS 211.250) ist die Entlöhnung und Spesenentschädigung des Beistandes geregelt.
Art. 32c VKES regelt die Rückerstattung an die Gemeinde folgendermassen:
1 Die betroffene Person ist zur Rückerstattung des Vorschusses der Wohngemeinde verpflichtet, sobald sie zu neuem Vermögen kommt.
2 Die Forderung der Gemeinde verjährt zehn Jahre nach der Erbringung der letzten Leistung.
3 Die Forderung der Gemeinde wird nicht als Sozialhilfeleistung anerkannt. Unter Vorbehalt der Rückerstattung durch die betroffene Person, bleibt sie vollständig zu Lasten der Gemeinde.
4 Ansonsten gilt sinngemäss das Gesetz über die unentgeltliche Rechtspflege.
Da eine Regelung über die Rückerstattung der Erben in Art. 32a VKES fehlt, muss m.E. nach Art. 32c Abs. 4 VKES sinngemäss das Gesetz über die unentgeltliche Rechtspflege vom 11.02.2009, SGS 177.7 (GUR), angewandt werden.
Im GUR ist eine Rückerstattung durch die Erben nicht explizit vorgesehen. Einzig regelt Art. 10 GUR Folgendes:
1 Unter Vorbehalt des Bundesrechts verlangt das zahlungspflichtige Gemeinwesen von der unentgeltlich prozessführenden Partei die Rückerstattung seiner Leistungen:
a) wenn sich ihre wirtschaftliche Lage, welche die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege erlaubte, verbessert hat, insbesondere wenn sie durch den Verfahrensausgang genügend Mittel erworben hat;
b) wenn ihr zu Unrecht die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde.
2 Der Rückerstattungsanspruch verjährt nach Ablauf von zehn Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils.
Die Frau ist somit unter der Bedingung rückerstattungspflichtig, wenn sich ihre wirtschaftliche Lage verbessert hat. Die Voraussetzungen für die Rückerstattung müssen vor dem Tod der Frau festgestellt worden sein, damit sie als Schuld auf die Erben übergeht. Wurden die Voraussetzungen nach dem Tod der Frau festgestellt, so kann die Bedingung nicht mehr eintreten und die Forderung nicht mehr fällig werden; eine Rückerstattung ist in diesem Fall ausgeschlossen (vgl. dazu Wuffli/Fuhrer, Handbuch unentgeltliche Rechtspflege N 1066).
Hat sich der Sachverhalt bis zum Tod der Frau nicht verändert und wurde die Vergütung zulasten der Betroffenen weder gestundet, noch mit Rückzahlungsauflagen versehen, so sehe ich keinen Raum für eine Rückerstattung durch die Erben.
Nicht klar ist, warum die Mandatskosten von der Gemeinde, trotz vorhandener Mittel, übernommen wurden. Hier wäre, wohl aufgrund mangelnder Liquidität eine Erhöhung der Hypothek, Vermietung oder sogar ein Verkauf des Grundstücks zu prüfen gewesen.
Die KESB und ihre Aufsichtsbehörden im Kanton VS müssten sich m.E. überlegen, wie sie mit solchen Situationen rechtlich umgehen wollen (zum Beispiel Schaffung einer Gesetzgebung wie im Kanton Bern in Art. 11 Abs. 3 ESBV, BSG 213.361 oder Kanton Zürich in § 22 Abs. 3 EG KESR, LS 232.3). Fehlt die Gesetzesgrundlage, und überlegt die KESB mitsamt Gemeinde nicht zum Voraus, wie in solchen Fällen vorzugehen ist, sondern erst im Nachhinein, gilt der Grundsatz in dubio contra stipulatorem (im Zweifel gegen den Verfasser).
In den Materialien zur Revision von Art. 32c VKES vom 17.1.2018 lässt sich nichts über die Rückerstattung der Erben finden; in der Vorgängerversion wurde auf das GES (Gesetz über die Eingliederung und die Sozialhilfe, SGS 850.1) verwiesen, das in Art. 23 eine Rückerstattung der Erben vorsah (vgl. dazu https://parlement.vs.ch/common/idata/parlement/vos/docs/2017/11/2017.12_%C3%84nderung%20EGZGB_BOT_SR.pdf).
Wie dem auch sei: Für die Prüfung und Abwicklung der Rückerstattung (aus dem Nachlass) sind Sie als ehemalige Beiständin ohnehin nicht zuständig. Das Mandat endet gemäss Art. 399 ZGB mit dem Tod der verbeiständeten Person. Die Gemeinde muss prüfen, ob die Voraussetzungen für die Rückerstattung vorliegen und sich damit direkt an die Erben wenden. Ich empfehle Ihnen, hier auch keine Auskünfte zu erteilen.
Ich hoffe, die Angaben sind Ihnen nützlich und ich grüsse Sie freundlich.
Luzern, 25.2.2021
Karin Anderer