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Rückerstattung durch Erbe - Sozialhilferecht

Veröffentlicht:
12.08.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen

Eine Klientin wurde mit insgesamt Fr. 31'000.00 von einer Gemeinde im Kt. Schwyz unterstützt. Beim Wegzug wurde sie über die Rückerstattungspflicht nach § 25 ShG und § 14 des ShV von bezogener wirtschaftlicher Hilfe in definierten Fällen informiert.

Die Klientin hat in einer Gemeinde im Kt. Bern wirtschaftliche Sozialhilfe im Betrag von rund Fr. 7'000.00 bezogen.

Durch ein Erbe hat sie einen Betrag von Fr. 90'000.00 erhalten, weshalb die wirtschaftliche Sozialhilfe per 31. Mai 2020 beendet wurde. Die Klientin verfügt gemäss ihren Angaben über keinerlei Einkommen und finanziert ihren Existenzbedarf seit Juni 2020 mit dem Erbe. Sie ist bei der IV angemeldet, es ist derzeit noch nicht bekannt ist, ob ein Anspruch auf eine Rente besteht.

Gemäss Handbuch zur Sozialhilfe im Kanton Schwyz ist zur Rückerstattung verpflichtet, wer wirtschaftliche Hilfe in Anspruch genommen hat, wenn er finanziell in besonders günstige Verhältnisse gelangt ist (§ 25 Abs. 1 ShG). Finanziell besonders günstige Verhältnisse liegen vor, wenn die unterstützte Person zu einem Vermögen (z.B. Erbschaft, Lotteriegewinn) gekommen ist, das ihm die Rückerstattung der empfangenen Hilfe ohne Einschränkung einer angemessenen Lebenshaltung erlaubt (§ 14 Abs. 1 ShV).

Die Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) sind für den Vollzug der individuellen Sozialhilfe wegleitend, soweit das Gesetz und diese Verordnung keine andere Regelung vorsehen (§ 14 Abs. 1 ShV). Die SKOS-Richtlinien empfiehlt unter E.3.1 Rückerstattung bei rechtmässigem Bezug, dass die Wiedererlangung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit unterstützter Personen das primäre Ziel der Sozialhilfe ist. Personen, die infolge eines erheblichen Vermögensanfalles keine Unterstützung mehr benötigen, ist ein angemessener Betrag zu belassen (Einzelperson Fr. 25'000.–) .

Die Klientin hat einen Betrag von Fr. 90'000.00 geerbt. Nach Abzug von Fr. 25'000.00 steht ein Betrag von 65'000.00 zur freien Verfügung.

Die Wiedererlangung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit ist voraussichtlich bis zur Pensionierung nicht gegeben. Nach geltender Rechtslage können Frauen die AHV-Rente maximal 2 Jahre vor der eigentlichen Pensionierung vorbeziehen. Die Klientin wird im Januar 2025 bei Erreichung des 62 Altersjahres die AHV-Rente vorbeziehen.

Gemäss Kontoauszug der Gemeinde im Kt. Bern kann von einem monatlichen SKOS-Existenzbedarf 2020 von zirka Fr. 2'200.00, abzüglich kleinerer Lohnzahlungen ausgegangen werden. Ob Anspruch auf eine IV-Rente besteht, kann derzeit nicht beurteilt werden. Ausgehend davon, dass sich die wirtschaftliche Situation der Klientin bis zu jenem Zeitpunkt nicht verbesserst, ist von einem Vermögensverzehr bis zur Pensionierung von insgesamt Fr. 70'400.00 auszugehen.

Kann die wirtschaftliche Sozialhilfe zurückgefordert werden oder muss diese der Klientinzum bestreiten des Lebensunterhaltes bis zur Pensionierung belassen werden?

Falls das Erbe bis zur Pensionierung der Klientin belassen werden müsste, so trägt die Vorgemeinde die erhebliche Last der wirtschaftlichen Sozialhilfe.

Welches kantonale Recht gilt zur Rückforderung?

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Philipp Schaller

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrter Herr Schaller

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

Sie haben bereits die richtigen rechtlichen Grundlagen für die Beantwortung der Frage zusammengetragen. Vielen Dank.

§ 25 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Schwy (SHG SZ) hält fest, dass unter anderem zur Rückerstattung der wirtschaftlichen Hilfe ist, wer in finanziell besonders günstige Verhältnisse gelangt ist. In § 14 Abs. 1 der Sozialhilfeverordnung des Kantons Schwyz (SHV SZ) wird diesbezüglich präzisisert, dass besonders günstige Verhältnisse im Sinne von § 25 Abs. 1 SHG SZ dann vorliegen würden, wenn die Hilfe suchende Person zu einem Vermögen gekommen ist, das ihr die Rückerstattung der empfangenen Hilfe ohne Einschränkung einer angemessenen Lebenshaltung erlaubt. Was dies bedeutet, wird im Sozialhilfehandbuch des Kantons Schwyz nicht näher präzisiert. Es wird lediglich - wie Sie bereits geschrieben haben - erwähnt, dass der Vermögensanfall z.B. in einer Erbschaft bestehen könnne. Vorliegend helfen auch die SKOS-Richtlinien nicht weiter, denn auf diese wird in § 4 Abs. 2 SHV zwar verwiesen, aber nur soweit das SHG SZ und die SHV SZ keine andere Regelung vorsehen. § 14 Abs. 1 SHV SZ sieht aber eben gerade eine andere Regelung als die SKOS-Richtlinien vor, weil in § 14 SHV verlangt wird, dass die Rückerstattung eine angemessene Lebensführung nicht einschränken dürfe, die SKOS-Richtlinien diese Voraussetzung aber nicht kennen und lediglich einen Vermögensfreibetrag von Fr. 25'000.-- bei Einzelpersonen vorsiehen.

Das Erfordernis der angemessenen Lebensführung geht meiner Ansicht nach aber weiter als der Vermögensfreibetrag der SKOS-Richtlinien, denn wenn dieser aufgebraucht ist und keine anderen finanziellen Einkommensquellen vorhanden sind, ist keine angemessene Lebensführung mehr möglich und die Person wird wieder bedürftig.

Ich habe zum Thema einen älteren Regierungsratsbeschluss gefunden (RRB Nr. 1036 vom 04.07.2000). In diesem Fall ging es um einen Sohn, der aus der Erbschaft eines ehemaligen Sozialhilfeempfängers Vermögen geerbt hatte (§ 25 Abs. 3 SHG SZ). Zwar führte der Regierungsrat aus, dass der Erbe nicht in besonders günstige Verhältnisse gelangen müsse, um rückerstattungspflichtig zu werden, erachtete es aber dennoch als angemessen, nicht die gesamten Unterstützungsleistungen zurückzufordern, weil der Erbe noch eine Lehre absolvierte und somit (da beide Eltern verstorben waren) in bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebte.

Vorliegend hat die unterstützte Person Fr. 31'000.-- Sozialhilfeleistungen im Kanton Schwyz bezogen. Dies ist somit der maximale Rückerstattungsbetrag. Aktuell läuft ein IV-Verfahren mit noch offenem Ausgang. Ohne Zusprache einer IV-Rente wird die unterstützte Person nach Ihrer Berechnung bis zu ihrer Pensionierung noch einen Betrag von Fr. 74'000.-- für ihre Lebensführung benötigen. Damit stehen meiner Ansicht nach Fr. 16'000.-- (Fr. 90'000.-- - Fr. 74'000.--) der aus Erbschaft zugeflossenen Fr. 90'000.-- zur Verfügung, damit eine angemessene Lebensführung weiter möglich bleibt.

Ich komme deshalb zum Schluss, dass aktuell Fr. 16'000.-- vom Kanton Schwyz bzw. der unterstützenden Gemeinde im Kanton Schwyz zurückverlangt werden können.

Sollte die (ehemals) unterstützte Person eine IV-Rente zugesprochen erhalten, sehe ich die Möglichkeit gegeben, in diesem Zeitpunkt weitere Leistungen Leistungen zurückzufordern, allenfalls auch gestützt auf § 25 Abs. 3a SHG SZ (Bevorschussung von Sozialversicherungsleistungen).

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach

Sehr geehrte Frau Loosli

Herzlichen Dank für Ihre Antwort.

Die Klientin wohnt jetzt im Kanton Bern. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Kanton Bern anderweitige Rückerstatttungskritierien kennt.

Wenn die Rückerstattung auf mehrere Sozialdienste aufgeteilt werden, welches kantonale Gesetz hat dann denVorrang?

Vielen Dank für Ihr Antwort.

Freundliche Grüsse

Philipp Schaller

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrter Herr Schaller

Vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich sehr gut verstehe. Kein Kanton hat Vorrang. Beide Kantone sind ebenbürtig. Entweder erlassen Sie deshalb eine Rückerstattungsverfügung unbesehen von allfälligen Forderungen des Kantons Bern und überlassen es dem Klienten, sich mittels eines Rechtsmittels zu wehren. Oder Sie besprechen sich mit der zuständigen Gemeinde im Kanton Bern. Liegen im Kanton Bern die gesetzlichen Grundlagen für eine Rückforderung in dieser Situation vor? Was sehen diese vor? Plant der Kanton Bern eine Rückforderung zu machen? In welcher Höhe? Können Sie einen Kompromiss finden?

Ich hoffe, Ihnen mit dieser ergänzenden Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach