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Revision Alimentenbevorschussung

Veröffentlicht:
29.10.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Im Rahmen einer freiwilligen Beratung begleite ich eine Pflegefamilie (Grosseltern des Kindes). Die Pflegeeltern erhalten kein Pflegegeld, jedoch die Kinderalimente, die bis anhin von der Wohngemeinde der leiblichen Mutter bevorschusst wurden. Da die Mutter bei der alljährlichen Situationsüberprüfung der zuständigen Sozialkommission nicht die verlangten Unterlagen eingereicht hat und das Schreiben ungeöffnet an die Behörde retourniert wurde - die Mutter halte sich nicht mehr in der Gemeinde auf - wurde die Alimentenbevorschussung eingestellt. Den Pflegeeltern wurde empfohlen, ihr Pflegekind in der eigenen Wohngemeinde anzumelden. Nun zu meinen Fragen:

1. Können die Pflegeeltern ihr Pflegekind bei sich anmelden, wenn die leiblichen Eltern über das gemeinsame Sorgerecht verfügen und die Obhut bei der Mutter liegt? Falls ja, wie ist vorzugehen?

2. Kann die bevorschussende Gemeinde die Zahlungen einfach einstellen? Dies würde doch auch bedeuten, dass das Pflegekind nirgends angemeldet wäre?

Wie denken Sie, wäre in dem geschilderten Fall weiter vorzugehen?

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.

Antwort von Peter Mösch-Payot

Sehr geehrter Herr Reinhard

Für die Beantwortung ihrer Frage wäre es notwendig, dass Sie die Kantone angeben, wo die InhaberIn der elterlichen Sorge, bzw. die Pflegeeltern wohnen.

Da die Alimentenbevorschussung sich nach kantonalem Recht richtet, ist insoweit die Frage der Zuständigkeit nach dem für die Alimentenbevorschussung in Frage kommenden anwendbaren kantonalen Recht zu prüfen.

Ich habe mir im Übrigen erlaubt, die Frage ins Forum Kindes- und Erwachsenenschutz weitergegeben, da es sich nicht um eine Sozialversicherungsfrage handelt.

Beste Grüsse Peter Mösch Payot

Antwort von Herrn Reinhard

Sowohl die Inhaberin der elterlichen Sorge als auch die Pflegeeltern leben im Kanton Aargau, jedoch in unterschiedlichen Gemeinden.

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrter Herr Reinhard

Ich gehe davon aus, dass das Kind unter der Obhut der Mutter steht, sie das Kind freiwillig bei den Grosseltern platziert hat, der Vater zu Unterhaltszahlungen verpflichtet wurde und Mutter und Vater nicht in der gleichen Gemeinde wohnen.

Der zivilrechtliche Wohnsitz einer minderjährigen Person richtet sich nach Art. 25 ZGB:

1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.

2 Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.

Vorliegend hat das Kind seinen zivilrechtlichen Wohnsitz am Wohnsitz der Mutter: Die Eltern sind Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge, haben keinen gemeinsamen Wohnsitz (auch nicht in einer gleichen Gemeinde) und das Kind steht unter der Obhut der Mutter (vgl. dazu BK-Affolter/Vogel Art. 315-315b ZGB, 43.)

Die Eltern haben nach Art. 304 ZGB die gesetzliche Vertretung des Kindes im Umfang der ihnen zustehenden elterlichen Sorge. Sind beide Eltern Inhaber der elterlichen Sorge, so dürfen gutgläubige Dritte davon ausgehen, dass jeder Elternteil im Einvernehmen mit dem andern handelt. Für die Ab- und Anmeldung auf der Einwohnergemeinde kann deshalb die Mutter in der Regel alleine handeln. Der Einwohnerdienst wird davon ausgehen, dass die allein vorsprechende Mutter im Einverständnis mit dem Vater handelt. Regelmässig verwenden die Einwohnerkontrollen Meldeformulare, worin die unterzeichnende sorgeberechtigte Person erklärt, dass die Zu-, Um- resp. Wegzugsmeldung des minderjährigen Kindes im Einverständnis des anderen Elternteils erfolgt und diesbezüglich keine anderweitigen Massnahmen seitens der zuständigen Kindesschutzbehörde vorliegen.

Die Grosseltern können das Kind nicht bei sich anmelden, damit es dort einen Wohnsitz hat; der zivilrechtliche Wohnsitz ergibt sich zwingend aus dem ZGB. Sie verfügen aber über eine Pflegeplatzbewilligung (Art. 316 Abs. 1 ZGB und § 18 Abs. 2 EG ZGB AG), die vom Gemeinderat ausgestellt wurde und das Kind ist auf der Gemeinde als Aufenthalter registriert.

Im Handbuch Soziales des Kantons Aargau finden Sie in Kapitel 22 Ausführungen zur Alimentenbevorschussung (abrufbar auf <https://www.ag.ch/de/dgs/gesellschaft/soziales/handbuch_soziales/16__bevorschussung_von_unterhaltszahlungen/bevorschussung_von_unterhaltszahlungen.jsp>).

Zuständig für die Bevorschussung ist nach § 36 SPG der zivilrechtliche Wohnsitz des anspruchsberechtigten Kindes. Nach § 29 SPV ist das Gesuch um Alimentenbevorschussung schriftlich bei der Gemeinde am zivilrechtlichen Wohnsitz des anspruchsberechtigten Kindes einzureichen, entweder durch die gesetzliche Vertretung des unterhaltsberechtigten Kindes beziehungsweise durch die volljährige Person.

Nach Art 289 ZGB steht der Anspruch auf Unterhaltsbeiträge dem Kind zu und wird, solange das Kind minderjährig ist, durch Leistung an dessen gesetzlichen Vertreter oder den Inhaber der Obhut erfüllt, soweit das Gericht es nicht anders bestimmt.

Die Mutter hat die Bevorschussung an ihrem neuen Wohnort geltend zu machen. Kümmert sie sich, trotz Aufforderung und allfälliger Unterstützung, nicht darum, sind Kindesschutzmassnahmen zu beantragen.

Der zivilrechtliche Wohnsitz des Kindes ist nicht von der Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen oder deren Einstellung abhängig, diese Stelle prüft einzig ihre Zuständigkeit. Die Einstellung der Bevorschussung ist zulässig, wenn sich der zivilrechtliche Wohnsitz des anspruchsberechtigten Kind nicht mehr in der Gemeinde befindet, d.h. wenn die Mutter dort tatsächlich weggezogen ist.

Bemerkung: Problematisch ist vorliegend, dass die Pflegeeltern das Inkassorisiko tragen. Es ist zu empfehlen, einen Pflegevertrag auszuarbeiten und die Leistungen mit einer subsidiären Kostengutsprache abzusichern. Die mit der Pflegekinderaufsicht betraute Fachperson nach Art. 10 PAVO hat den Pflegeeltern bei Bedarf beratend zur Seite zu stehen.

 

Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich

 

Karin Anderer