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Rentenanspruch nach BVG Art 23 lit b

Veröffentlicht:
17.11.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag
Eine Klientin erhielt 2007 nach Abschluss einer erstmaligen beruflichen Ausbildung eine ganze IV-Rente zugesprochen.
Nach einer berufsorientierten Weiterbildung wurde diese 2012 bei einem IV-Grad von 38% aufgehoben.
In der Folge arbeitete sie bis Anfang 2016 im gleichen Betrieb.
Wegen mangelnder Leistungen/Konzentrationsproblemen wurde das Arbeitsverhältnis dann aufgelöst und sie stellte erneut einen IV-Antrag.
Jetzt wurde ihr wieder bei einem IV-Grad 56% eine halbe Rente gesprochen. Grundlage waren abstrakte Berechnungen für Validen- und Invalideneinkommen auf der Basis der Lohnstrukturerhebungen.
Die Pensionskasse verweigert jetzt die Leistungen, weil der von der IV angesetzte Invalidenlohn im Vergleich zum vorher im Betrieb erzielten Lohn nur einen IV-Grad von 25% und damit keine Rente begründe.
In sich ist die Argumentation der PK einsichtig.
ABER
ist die PK nicht an den IV-Entscheid gebunden, wenn sie keine Einsprache gemacht hat?
UND
BVG Art 23 lit b verlangt ja eine Einschränkung bei Arbeitsaufnahme von mindestens 20% aber maximal 40% - und laut IV war der IV-Grad bei Einstellung ja 38%, also im massgeblichen Bereich!
Wie beurteilen Sie die rechtliche Situation?
Mit freundlichen Grüssen
M.Blindow

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrter Herr Blindow
Zunächst: Ich gehe davon aus, dass hier Art. 23 lit. b BVG tatsächlich zur Anwendung gelangen kann, wenn die Klientin wegen eines Geburtsgebrechens oder wegen eines Gesundheitsschadens, der sie als Minderjährige traf, bei Beginn der Erwerbstätigkeit dann zu mind. 20%, aber weniger als 40% arbeitsunfähig war.
Dabei geht es aber wohl um die Arbeitsunfähigkeit zwischen 20% und 40%, also die funktionale Einschränkung in der gewählten Erwerbstätigkeit, nicht um die wirtschaftliche Erwerbsunfähigkeit, wie sie im IV-Grad zu Tage tritt. Meines Wissens ist diese Frage aber nicht abschliessend geklärt.
Im vorliegenden Fall könnte also durchaus vertreten werden, dass hier ein Fall von Art. 23 lit. b BVG vorliege. Insb. wenn auch die Arbeitsunfähigkeit zwischen 20% und 40% bestand.
Soweit ich diesen Fall richtig verstehe, ist hier aber die Frage der Anwendbarkeit von Art. 23 lit. b BVG nicht relevant (oder nicht strittig). Die Pensionskasse argumentiert nämlich bei der Ablehnung der Leistung hier nicht mit vorbestehenden Leiden bei der Ablehnung des Anspruchs.
Vielmehr berechnet sie den IV-Grad nach anderen Grundsätzen als die IV. Und wie Sie richtig schreiben ist dies aufgrund der Bindungswirkung nicht ohne Weiteres erlaubt (BGE 132 V 74 E. 3.2.2), soweit die Invalidität sich aus Einschränkungen im Erwerbsbereich ableitet und die Pensionskasse im IV-Verfahren einbezogen war.
Ich würde hier raten bei der Pensionskasse darum nachzufragen, unter Verweis auf Art. 23 BVG und die Bindungswirkung des IV-Entscheides, eine Rente zu sprechen oder dann schriftlich und unter Verweis auf Rechtsprechung und Literatur die Ablehnung gegenüber der versicherten Person zu begründen (unter Hinweis auf den Vorbehalt weiterer rechtlicher Schritte). Je nach Begründung rate ich dann zur Inanspruchnahme von Rechtsberatung einer Rechtsberatungsstelle oder eines Anwaltes, um die Möglichkeiten einer Klage gegen die Pensionskasse aufgrund des gesamten Dossiers zu prüfen.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot