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Reicht es im Rahmen der Fürsorgepflicht und der Interventionspflicht aus, wenn die HR Mitarbeiterin der Mitarbeiterin den Kontakt zur Beratungsstelle ermöglicht, sowie das Gespräch und das Vorgehen im Personaldossier schriftlich festhält?

Veröffentlicht:
26.06.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Guten Tag Herr Pärli

Ein Mitarbeiterin meldet sich bei der zuständigen HR Mitarbeiterin und meldet, dass die Zusammenarbeit mit dem Arbeitskollegen seit mehr als sechs Monaten sehr schwierig sei. Sie werde vom Mitarbeiter mit anzüglichen Kommentaren belästigt, fühle sich in seiner Anwesenheit beobachtet und habe auch schon zweideutige Emails erhalten. Sie habe bereits mehrmals versucht ihm klar zu machen, dass sein Verhalten für sie unangenehm sei und er damit aufhören soll.  Die Situation belaste sie sehr und sie habe deswegen gesundheitliche Probleme (Gedankenkreisen, kann schlecht schlafen, Kopfschmerzen)

Die HR Mitarbeiterin nimmt die Situation auf. Die Mitarbeiterin möchte zu diesem Zeitpunkt nichts unternehmen, sondern wollte "nur" mit dem HR über die Situation reden. Die von der HR Mitarbeiterin angebotene Möglichkeit einer externen Beratungsstelle nimmt die Mitarbeiterin gerne an.

Meine Frage zur Interventionspflicht des Arbeitgebers:

Reicht es im Rahmen der Fürsorgepflicht und der Interventionspflicht aus, wenn die HR Mitarbeiterin der Mitarbeiterin den Kontakt zur Beratungsstelle ermöglicht, sowie das Gespräch und das Vorgehen im Personaldossier schriftlich festhält?

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Weekes

Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:

Die Arbeitgeberin ist aufgrund des Gleichstellungsgesetzes, des Arbeitsgesetzes und des OR (Art. 328, Pflicht zum Gesundheits- und Persönlichkeitsschutzes) verpflichtet, präventive Massnahmen gegen Belästigungen am Arbeitsplatz zu ergreifen und in konkreten Belästigungsfall konkret dagegen vorzugehen. Idealerweise existiert in der Unternehmung auch ein Handbuch, dass die einzleitenden Schritte im Belästigungsfall festhält.

Im vorliegenden Fall hat das Unternehmen eine HR-Abteilung, die sich den Beschwerde einer Mitarbeiterin angenommen und auch eine externe Beratungsstelle empfohlen (vermittelt) hat.

Es fragt sich, ob die von der HR-Abteilung getroffenen Massnahmen ausreichen. Die Frage ist sehr schwierig zu beurteilen. In Ihrer Sachverhaltsschilderung erwähnen Sie, dass es sich beim (allfälligen) Belästiger um einen Arbeitskollegen handelt. Dies deutet darauf hin, dass keine hierarchische Unterstellung zwischen (möglchem) "Opfer" und  (möglichem) "Täter" besteht. Eine hiearchische Abhängigkeit würde die Interventionspflicht der Arbeitgeberin erhöhen.

Weiter müsste die HR-Verantwortliche mit der Mitarbeiterin konkrete Strategien besprechen (bzw. dies müsste die externe Beratungsstelle tun), wie sie sich gegen die Belästigungen adäquat zur Wehr setzen kann.

Ein blossen Aktennotiz erscheint ingesamt als zuwenig weitgehend. Die betroffene Mitarbeiterin ist durch die HR-Abteilung zeitnah nochmals zu kontaktieren, damit festgestellt werden kann, ob sich die Situation verbessert hat.

Wie sie richtig schreiben, muss die HR-Abteilung alle von ihr getroffenen Massnahmen und geführten Gespräche sorgfältig dokumentieren. Es versteht sich von selbst, dass dem Schutz der persönlichen Daten in einer solchen Situation besondere Beachtung geschenkt werden muss.

Soweit meine Überlegungen zur durchaus delikaten Ausgangslage. Genügt Ihnen dies? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli

Guten Tag Herr Pärli

Grossartig, herzlichen Dank für diese prompte, umfassende und hilfreiche Antwort.

Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende und grüsse Sie herzlich

Sharon Weekes