Guten Tag
Meine Klientin kommt ursprünglich aus Bosnien. Sie ist verwitwet. Eine Liegenschaft in Bosnien hat sie ca. im Jahr 2007 ihren beiden Kindern überschrieben. Unterlagen dazu liegen mir als Beiständin nicht vor. Aus bosnischen Unterlagen im Jahr 2012 ist ersichtlich, dass die Liegenschaft effektiv den Kindern und nicht meiner Klientin gehört. Irgendwie ist sie auch noch in einer Erbengemeinschaft mit einem Grundstück, auch in Bosnien beteiligt. Genaueres ist nicht ersichtlich. Diese Erbteilung ist meines Wissens noch pendent.
Vom 01.04.2009-30.09.2009 und erneut vom 01.03.2011-30.11.2012 wurde sie in einer Gemeinde im Kanton Zürich mit wirtschaftlicher Hilfe unterstützt. Danach konnte sie von den Ergänzungsleistungen abgelöst werden (ab 02/2011). Für den Zeitraum ab Februar 2011 wäre die Sozialhilfe mit den Ergänzungsleistungen zurück vergütet worden. Im August 2014 hat sie auf Druck der Sozialen Dienste eine Abzahlungsvereinbarung für den Bezug von vorschussweise ausgerichteten wirtschaftlichen Sozialhilfe in der Höhe von Fr. 37'600.- unterzeichnet. Die Sozialen Dienste stützen sich auf die Berechnungen der Ergänzungsleistungen zur AHV/IV. Jedoch ist in diesen Berechnugnen weder eine Aufwendung Unterhalt für die Immobilie noch Berechnung für die nicht selbstbewohnte Liegenschaft aufgeführt. Auf Deutsch übersetzte Unterlagen kann mir die Sozialen Dienste nicht geben, da keine solchen vorliegen. Mir wurden nur Dokumente zur Verfügung gestellt nach dem Jahr 2012 und dort ist wie erwähnt meine Klientin nicht Besitzerin einer Liegenschaft im Ausland. Mir ist nicht bekannt, ob meine Klientin von den Sozialen Diensten aufgefordert worden ist die Liegenschaft und das Grundstück zu verkaufen.
Gründsätzlich bin ich noch am Abklären wieviel meine Klientin bereits zurück erstattet hat und ob die Sozlalen Dienste eine Rückforderung der Ergänzungsleistungen ab Februar 2011 gestellt haben und das Geld auch erhalten haben.
Mir stellt sich die Frage ob eine solche Abtretungserklärung rechtens ist und wie ich als Beiständin gegen diese Abtretungserklärung vorgehen kann. Die Ratenzahlungen wurden eingestellt. Die Sozialen Dienste gedenken meine Klientin zu betreiben. Was in einem Verlustschein enden würde, wenn kein Rechtsvorschlag erhoben wird.
Besten Dank für Ihre Antwort.
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Ulrich
Vielen Dank für Ihre Frage.
Darf ich zur Klärung des Sachverhalts bei Ihnen folgende Fragen stellen:
1. Für welche Zeitperiode muss Ihre Klienten Unterstützungsleistungen zurückbezahlen? Ab Februar 2011 bis Unterstützungsende? Oder auch für eine frühere Periode?
2. Gestützt auf welchen Rechtsgrund wird die Rückerstattung verlangt? Aufgrund der Liegenschaften? Aufgrund der Bevorschussung von Sozislversicherungsleistungen, weil keine Abtretung angezeigt wurde? Aus einem anderen Grund?
Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung.
Liebe Grüsse
Anja
Frage 1: ist mir nicht bekannt. Mir wurde leider keinen Einstellungsbeschluss zur Verfügung gestellt. Ich gehe davon aus, auch aus früheren Perioden. Zwischen den einzelnen Perioden war meine Klientin Sozialhilfe unabhängig wegen Bezug von Krankentaggeldern. Gemäss den Erwägungen des Entscheides vom Juni 2012 wurde bereits im Jahr 2009 auf die Verpflichtung zum Verkauf der Liegenschaften einstweilen verzichtet. Die mir vorliegende Klientenkontoabrechnung des Zeitraumes März 2011 bis Januar 2013 ergibt einen negativen Saldo zulasten der Sozialhilfe von Fr. 11'386.05 und eine Restschuld aus einem Entscheid vom Februar 2012 von Fr. 527.85.
Frage 2: Diese Frage ist mir nicht bekannt, da kein Einstellbeschluss vorliegt. In einem Leistungsentscheid vom Juni 2012 wird von einer subsidiären Bevorschussung gesprochen und es wird ausdrücklich auf eine Aufforderung zur Verwertung der ausländischen Liegenschaft verzichtet. Ich zittiere: "Auf eine Verpflichtung zum Verkauf der Liegenschaften wird einstweilten verzichtet". "Im Falle der Ablösung ohne erfolgten Verkauf wird die seit Unterstützungsbeginn vorschussweise ausgerichtete wirtschaftliche Hilfe zur Rückerstattung fällig."
Im Entscheid wird auf §§ 19 und 20 SHG verwiesen.
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Ulrich
Vielen Dank für Ihre Erläuterungen. Ich verstehe Ihre Antwort so, dass auch für Sie unklar ist, für welchen Zeitraum und gestützt auf welche Rechtsgrundlage von der von Ihnen verbeiständeten Person Fr. 37'600.-- mittels Vereinbarung zurückverlangt werden. Ich muss Ihnen deshalb eine grundsätzliche Antwort geben und hoffen, dass Ihnen diese weiterhilft.
1. Thema Liegenschaft
Nach § 20 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Zürich (SHG, BG 851.1) vom 14. Juni 1981 wird von einem Hilfesuchenden, der Grundeigentum oder andere Vermögenswerte in erheblichem Umfang hat, deren Realisierung ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, in der Regel die Unterzeichnung einer Rückerstattungsverpflichtung verlangt. Darin verpflichtet sich der Hilfesuchende, die Leistungen ganz oder teilweise zurückzuerstatten, wenn diese Vermögenswerte realisierbar werden. Aus dem Gesetzestext kann herausgelesen werden, dass die Rückerstattungsverpflichtung vor Aufnahme der Unterstützung oder zumindest zu Beginn der Unterstützung unterzeichnet werden muss. Dies wird durch das Sozialhilfehandbuch des Kantons Zürich bestätigt, wenn dort steht, dass bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Veräusserung einer Liegenschaft (auch im Ausland) eine Rückerstattungsvereinbarung (Kapitel 9.3.01 und 9.3.02) vor Ausrichtung der wirtschaftlichen Hilfe zu unterzeichnen ist. Wenn die Rückerstattungspflicht nicht pfandrechtlich sichergestellt wird, so ist in der Vereinbarung festzuhalten, um welche aktuell nicht realisierbare Vermögenswerte es geht, dass sich die Klientschaft verpflichtet, die Unterstützungsleistungen zurückzuerstatten und die Rückerstattung fällig wird, wenn die Vermögenswerte realisierbar sind. Ergänzend ist im Unterstützungsbeschluss festzuhalten, dass die unterstützte Person über Vermögenswerte von erheblichem Wert verfügt, die zurzeit aber nicht realisiert werden können oder deren Realisierung momentan nicht zumutbar ist. Die Vermögenswerte sind genau zu bezeichnen. Weiter ist festzuhalten, dass die Sozialhilfeleistungen gestützt auf § 20 SHG gegen die Unterzeichnung einer Rückerstattungsverpflichtung ausgerichtet werden (Kapitel 9.3.02 Sozialhilfehandbuch Zürich).
Ist im Wissen um das Vorhandensein von nicht realisierbaren Liegenschaften im Ausland im Zeitpunkt der (erneuten) Unterstützungsaufnahme keine Rückerstattungsverpflichtung als Voraussetzung für die Unterstützung unterzeichnet worden und auch nichts Entsprechendes im Unterstützungsbeschluss festgehalten, so kann die Rückerstattung gestützt auf Liegenschaften im Ausland deshalb nicht nach erfolgter Unterstützung mittels Vereinbarung verlangt werden.
Vorliegend kommt hinzu, dass nach Ihren Angaben die Liegenschaften im Ausland (neben den unklaren Rechtsverhältnissen) nicht realisiert wurden d.h. die Erbschaft geteilt oder die Liegenschaft veräussert wurde. Die Voraussetzungen für eine Rückzahlung wären deshalb auch aus diesem Grund nicht gegeben.
2. Thema Rückerstattung generell
Rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe kann nach § 27 SHG ganz oder teilweise zurückgefordert werden, wenn
a. der Hilfeempfänger rückwirkend Leistungen von Sozial- oder Privatversicherungen oder von haftpflichtigen oder anderen Dritten erhält, entsprechend der Höhe der in der gleichen Zeitspanne ausgerichteten wirtschaftlichen Hilfe,
b. der Hilfeempfänger aus Erbschaft, Lotteriegewinn oder anderen nicht auf eigene Arbeitsleistung zurückzuführenden Gründen in finanziell günstige Verhältnisse gelangt; in Fällen eigener Arbeitsleistung nur dann, wenn diese zu derart günstigen Verhältnissen führt, dass ein Verzicht auf Rückerstattung, unter Berücksichtigung der Gründe des Hilfebezugs, als unbillig erscheint
c. die Voraussetzungen zur Rückerstattung nach § 20 erfüllt sind.
Hat die Gemeinde als Grundlage für die Rückerstattungsvereinbarung die Ergänzungsleistungen als bevorschusste Leistungen genommen, so stellt sich die Frage, in welcher Form die Leistungen zurückverlangt werden können. Im Sozialhilfegesetz wird dies nicht ausdrücklich geregelt. In anderen Kantonen wie dem Kanton Aargau ist die vereinbarungsgemässe Rückforderung dagegen ausdrücklich vorgesehen. Die Zulässigkeit einer Rückerstattungsvereinbarung aufgrund bevorschusster Leistungen ist deshalb aufgrund der allgemeinen Grundsätze zu prüfen.
Das Bundesgericht hält in BGE 137 V 210 E. 3.4.2.4 fest, dass ein Verwaltungsakt dann in Verfügungsform zu erlassen ist, wenn ein spezifisches Rechtsschutzinteresse besteht (RENÉ A. RHINOW, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Wandel, in: Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, G. Müller und andere [Hrsg.], 1982, S. 660). Dies bedeutet mit anderen Worten, dass immer dann eine Verfügung bzw. Anordnung zu erlassen ist, wenn eine Handlung der Behörde eine Rechtswirkung hat (Guido Wizent, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Zürich/St. Gallen 2014, S. 552). Die Regelung in den Kantonen, in denen Vereinbarungen den Verfügungen (z.B. bei Rückerstattungen) vorgehen, wird in der Lehre folglich als sehr kritisch eingeschätzt, da damit eine rechtstaatlich unbefriedigende Situation geschaffen wird (Guido Wizent, Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2020, N. 815).
Da der Kanton Zürich keine gesetzliche Regelung hat, dass im Falle von Rückerstattungen eine Vereinbarung getroffen werden kann (ausser eben bei nicht realisierbaren Liegenschaften im Zeitpunkt der Unterstützungsaufnahme), muss dann eine Verfügung bzw. eine Anordnung erlassen werden, wenn die obgenannten Voraussetzungen erfüllt sind. Da die Rückforderung von Unterstützungsleistungen eine erhebliche (finanzielle) Wirkung hat, die Richtigkeit der Berechnung der Rückerstattungssumme für einen Laien kaum nachvollziehbar ist ohne detaillierte Berechnung und ohne Gewährung des rechtlichen Gehörs, besteht meiner Meinung nach vorliegend ein Rechtsschutzinteresse auf Erlass einer Verfügung. Daraus folgt, dass trotz Vereinbarung auch im heutigen Zeitpunkt eine anfechtbare Verfügung verlangt und geltend gemacht werden kann, dass auch aufgrund der Höhe der zurückgeforderten Summe eine Vereinbarung nicht ausreicht.
Fazit: Sowohl die Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen von nicht realisierbaren Vermögenswerten in Form von Liegenschaften nach der Unterstützung wie auch die Rückerstattung gestützt auf die Bevorschussung von Sozialversicherungsleistungen (z.B. Ergänzungsleistungen) kann nicht mittels Vereinbarung erfolgen und muss von der Sozialhilfe mittels Verfügung bzw. Anordnung verlangt werden. Zudem können Unterstützungsleistungen auch bei gültigen Vereinbarungen betreffend Liegenschaften nur bei realisiertem Vermögen zurückverlangt werden. Eine diesen Grundsätzen widersprechende Vereinbarung kann deshalb nach Art. 20 Abs. 1 OR für nichtig erklärt werden.
Ich empfehle Ihnen als Beiständin deshalb, die fragliche Vereinbarung als nichtig zu erklären mit der Begründung des widerrechtlichen Inhalts.
Der Gemeinde steht es dann frei, dies zu akzeptieren und allenfalls eine anfechtbare Verfügung bzw. Anordnung zu erlassen oder den Rechtsweg zu beschreiten.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse