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Rechnung Unfall

Veröffentlicht:
08.04.2024
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Ein durch die Sozialhilfe unterstützter Jugendlicher wurde kürzlich von einem Zug angefahren. Gemäss Verfügung der Staatsanwaltschaft handelte es sich bei den Vorkommnissen um einen Unfall. Um die Unfallstelle zu sichern und eine Verkehrsumleitung für den Autoverkehr einzurichten, war die Feuerwehr im Einsatz.

Der Verunfallte erhielt einige Tage nach dem Unfall eine Rechnung der Feuerwehr von rund CHF 1650.- für den Einsatz.

Abklärungen unsererseits haben ergeben, dass die verrechneten Kosten nicht über die GVB (Gebäudeversicherung Bern), wie alle anderem mit dem Unfall in Zusammenhang stehenden Kosten, abgerechnet werden können, da sie keine direkte Unfallfolgen sondern nur Unfallnebenfolgen sind (z.B. Verkehrsdienst aufgrund "Gaffer"). Auch Telefonate mit der Unfallversicherung des Ofers und dessen Haftpflichtversicherung haben leider nur zu ablehnenden Rückmeldungen geführt. Die Unfallversicherung kann nur medizinisch relevante Schäden übernehmen. Die Haftpflichtversicherung wiederum übernimmt keine reine Vermögensschäden. Uns stellt sich daher nun die Frage, über welche Versicherung die oben erwähnte Rechnung abgerechnet werden kann? Oder ob dieser Schaden vollständig dem Umfallopfer respektive seinen gesetzlichen Vertretern zu Lasten geht und über die Sozialhilfe bezahlt werden muss?

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich bedanke mich für Ihre Frage, die ich gerne folgendermassen beantworte:

Gemäss Art. 32 des Feuerschutz- und Feuerwehrgesetzes des Kantons Bern können die Gemeinden die Einsatzkosten der Feuerwehr, die im Rahmen von Verkehrsunfällen aller Art entstanden sind, von den Verursachern einfordern auch ohne Nachweis eines Verschuldens. Eine Versicherung für solche Kosten gibt es nicht.

Im vorliegenden Fall kann die Feuerwehr deshalb vom Jugendlichen bzw. allenfalls seinen gesetzlichen Vertretern die Kosten, die ihr durch die Mitwirkung beim Verkehrsunfall mit der Bahn entstanden sind, einfordern, auch wenn diesen keine Schuld am Unfall treffen sollte. Sollte eine Feuerwehr aus einem anderen Kanton beteiligt gewesen sein, weil der Unfall nicht im Kanton Bern erfolgte, gelten die Regeln des andern Kantons.

Es stellt sich einzig die Frage, ob der Jugendliche als Verursacher des Unfalls geltend kann oder ob die Bahn als Verursacherin gelten muss. Dies kann ich nicht beurteilen, weil ich den Unfallhergang nicht genau kenne. Je nach Sachverhalt könnte aber die Bahn als Verursacherin gelten und die Feuerwehr könnte gebeten werden, die Rechnung an die Bahn zu schicken statt an den Jugendlichen.

Kann oder muss der Jugendliche als Verursacher des Unfalls gelten, kann er oder seine gesetzlichen Vertreter allenfalls auch mit der Feuerwehr verhandeln und diese informieren, dass er und seine Familie finanziell nicht in der Lage sind, die Kosten zu tragen, weil sie von der Sozialhilfe unterstützt werden bzw. er von der Sozialhilfe unterstützt wird. Allenfalls verzichtet dann die Feuerwehr auf die Einforderung der Kosten.

Kann die Rechnung nicht auf die Bahn übertragen werden und ist die Feuerwehr auch nicht bereit, auf die Einforderung der Kosten zu verzichten, ist zu prüfen, ob die Sozialhilfe die Rechnung als situationsbedingte Leistung (SIL) übernehmen muss.

Um grundversorgende SIL, bei denen nur ein geringer Ermessensspielraum besteht, handelt es sich dann, wenn sie Teil der materiellen Grundsicherung sind d.h. ihre Übernahme mit Blick auf die Ziele der Sozialhilfe notwendig sind (SKOS-RL C.1 Erläuterungen lit. a). Ziel der Sozialhilfe sind neben der Existenzsicherung die berufliche und soziale Integration (SKOS-RL A.2).

Da die Kosten für den Feuerwehreinsatz weder der beruflichen noch der sozialen Integration dienen und auch nicht zur zentralen Existenzsicherung (Grundbedarf, Wohnen, Gesundheit) gehören, können sie meiner Ansicht nach wohl nicht als grundversorgende SIL eingestuft werden. Die Sozialhilfe hat damit ein grosses Ermessen, ob sie diese bezahlt oder nicht (SKOS-RL C.6.1). Ein Entscheid ist aber zu begründen. Beim Entscheid berücksichtigt werden könnte dabei einerseits, dass der Jugendliche keinen Einfluss auf die Kosten nehmen konnte, weil er nicht entscheiden konnte, ob die Feuerwehr beigezogen wird oder nicht. Andererseits könnte auch berücksichtigt werden, ob der Jugendliche ein Verschulden am Unfall trifft oder nicht. Kommen Sie zum Schluss, dass die Voraussetzungen zur Übernahme der Kosten nicht gegeben sind, kann die Sozialhilfe die Rechnung aber allenfalls zur Unterstützung des Jugendlichen bzw. der Familie bevorschussen und die Kosten dann ratenweise abbezahlen lassen. Wichtig ist zudem, dass bei einer Ablehnung der Übernahme der Rechnung eine Verfügung erlassen wird, gegen die der Jugendliche bzw. die Familie sich wehren kann.

Ich hoffe, Sie mit meiner Antwort unterstützen zu können.

Freundliche Grüsse