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Quellensteuer und Asylsozialhilfe/Sozialhilfe

Veröffentlicht:
23.10.2020
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Gerne hätte ich Ihre Einschätzung zu folgender Problematik: Seit der Umstrukturierung der Asylsozialhilfe im Kanton Bern per 1.7.2020 wird in einigen Fällen bei Personen, die teilerwerbstätig und weiterhin von der Asylsozialhilfe abhängig sind, der Quellensteuerabzug dem Nettolohn aufgerechnet und als Einkommen im Budget berücksichtigt.

Klar ist, dass es nicht Zweck der Sozialhilfe ist, Steuern zu bezahlen. Zudem kann die Quellensteuer von Sozialhilfeabhänigen Personen ja rückgefordert werden, allerdings geschieht das in der Regel nur 1x pro Jahr. Den Klient/innen würde also dieses Geld während eines ganzen Jahres fehlen. Bis anhin wurde deshalb durch die Asylsozialhilfestellen die Rückforderung bei den Gemeinden veranlasst und die Quellensteuer nicht im Budget als Einkommen berücksichtigt.

Wird nun die Quellensteuer als Einkommen angerechnet, wo würde dann der entsprechende Abzug gemacht? Beim GBL oder beim EFB? Oder wie müsste das gehandhabt werden?

Wir sind der Ansicht, dass nach wie vor die Sozialhilfestelle die Quellensteuerabzüge nicht berücksichtigen und anschliessend die Rückforderung veranlassen sollte, da ansonsten nicht garantiert ist, dass die Rückforderungen effektiv gemacht werden können.

Nach Abklärungen mit der Steuerverwaltung im Frühjahr 2020 hatten wir ein entsprechendes Merkblatt verfasst (www.kkf-oca.ch/fi-quellensteuer). Es stellt sich nun die Frage, ob diese Handhabung so korrekt ist oder ob das angepasst werden muss und alle Betroffenen selbständig für die Rückforderung zuständig sind.

Zusätzlich wären wir interessiert zu wissen, ob Vollzugskostenabzüge (gemäss L-GAV) ebenfalls als Einkommen berücksichtigt und so den Klient/innen belastet werden dürfen.

Vielen Dank im Voraus für Ihre Einschätzung und freundliche Grüsse

Raphael Strauss

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrter Herr Strauss

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

In Art. 9 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Bern (SHG BE) wird das Prinzip der Subsidiarität festgehalten. Nur wenn die eigenen finanziellen Mittel inklusive Hilfe von Dritten nicht reichen, um den Lebensunterhalt zu finanzieren, wird von der Sozialhilfe Hilfe gewährt. Die Bemessung dieser wird in der Sozialhilfeverordung des Kantons Bern festgehalten (Verweis in Art. 31 Abs. 1 SHV). In dieser werden für die Bemessung der Sozialhilfeleistungen grundsätzlich die SKOS-Richtlinien für verbindlich erklärt (Art. 8 Abs. 1 der Sozialhilfeverordnung des Kantons Bern, SHV BE). Dort steht in Kapitel E.1, dass  bei der Bemessung der finanziellen Leistungen prinzipiell das ganze verfügbare Einkommen einbezogen wird. Der Begriff «verfügbar» besagt, dass Einkommen, auf das kein Zugriff besteht, nicht berücksichtigt werden darf.

Diesen Umstand nimmt das Handbuch der Berner Konferenz für Sozialhilfe im Eintrag «Steuern und Quellensteuern» auf, in dem dort unter «1. Grundsätze» steht, dass Steuern nicht von der öffentlichen Sozialhilfe übernommen würden. Dass dies aber indirekt bei den quellenbesteuerten Personen dennoch so sei. Im Sozialhilfebudget werde der Lohn nach Abzug der Quellensteuer angerechnet.

Schlussfolgerung: Da die abgezogenen Quellensteuern für die unterstützten Personen bei Auszahlung des Lohns nicht zur Verfügung stehen, ist es rechtlich absolut korrekt, die Quellensteuern im Zeitpunkt des Lohnflusses NICHT als Einnahmen anzurechnen (so auch das Handbuch).

Es bleibt deshalb auch kein Raum, zu beurteilen, ob der Abzug beim Grundbedarf oder dem Einkommensfreibetrag zu machen ist.

Ergänzung: Im Zeitpunkt der teilweisen Rückerstattung der Quellensteuern können diese dann als Einnahmen angerechnet werden.

Da Personen, die Sozialhilfe beziehen, gegenüber dem Sozialdienst zu wahrheitsgetreuer Auskunft verpflichtet sind (Art. 28 SHG BE), müssten sie, um diese Pflichten zu erfüllen, den Sozialbehörden melden, wenn ihnen eine Quellensteuer (teilweise) zurückbezahlt wurde. In diesem Fall kann die zurückbezahlte Quellensteuer im Folgemonat als Einnahme berücksichtigt werden und es muss zu keiner Rückerstattung kommen.

Wird die (teilweise) Rückerstattung der Quellensteuer pflichtwidrig nicht oder verspätet gemeldet, so sind die Voraussetzungen einer Rückerstattung nach Art. 40 Abs. 5 SHG BE gegeben. Zudem ist eine Kürzung der Unterstützungsleistungen möglich (Art. 36 Abs. 1 SHG BE).

Ich verstehe, dass dieses Vorgehen aufwändiger ist, als wenn die Quellensteuern im Zeitpunkt der Anrechnung des Lohns berücksichtigt werden dürften. Es würde aber klar den Grundsätzen und rechtlichen Grundlagen der Sozialhilfe widersprechen, diese bereits in diesem Zeitpunkt als Einnahmen zu berücksichtigen.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach

Herzlichen Dank, Ihre ausführliche Rückmeldung hilft mir sehr weiter!