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PW unter Umständen trotzdem finanzierbar mit der SH?

Veröffentlicht:
24.07.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag
Ich berate eine Klientin die einen PW besitzt. Dieser wurde anno 2004 gekauft & hat aktuell über 100'000 km darauf. Sie findet es unverständlich, dass die SH die Kosten desselben ihr abzieht. Sie argumentiert damit, dass sie die Kinder bei Notfällen zum Arzt fahren müsse (sie wohnt in einer mit dem ÖV angeschlossenen Gegend) und sie brauche eh wieder ein Auto, wenn sie eine Arbeitsstelle finde.
Meines Wissens nach, gibt es keinen Weg, dass sie die Abzüge des PW umgehen kann. Soviel ich bisher weiss - sie braucht das Auto ja nicht beruflich. Folglich muss sie damit leben, dass ihr der PW abgezogen wird. Ist dem so?
Grüsse
D. von May

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag Frau von May
§ 10 Abs. 5 Buchstabe c der Sozialhilfe- und Präventionsverordnung des Kantons Aargau vom 28.8.02 (SPG) bestimmt, dass die Betriebskosten in Abzug gebracht werden, sofern die Benützung eines Motorfahrzeuges nicht beruflich oder krankheitsbedingt zwingend erforderlich ist. Liegen solche Gründe vor, entfällt der Abzug. Diese Regelung findet sich in der Verordnung unter dem Titel «Bemessungsrichtlinien», welche wiederum auf § 10 des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes des Kantons Aargau vom 6.3.01 (SPG) bezieht. § 10 räumt dem Regierungsrat die Kompetenz, Art und Höhe der materiellen Hilfe zu regeln.
Demnach hat die Behörde von einem Abzug abzusehen, wenn aus beruflicher oder krankheitsbedingter Sicht, die Benützung des Motorfahrzeuges zwingend erforderlich ist. Hier besteht ein Ermessensspielraum der Behörde. Auf einen Abzug sollte etwa verzichtet werden, wenn die Klientin in einem Bereich arbeitet, wo sie ein eigenes Auto braucht. Oder wenn die Kinderversorgung und Ausübung einer Beschäftigung nur mit einem Auto unter einen Hut gebracht werden kann. Für die Stellensuche selber ist i.d.R. kein Auto notwendig, weshalb diese alleine wohl nicht ausreichen dürfte.
Ein weiterer Grund könnte sein, wenn etwa ein Kind an einer Krankheit leidet, die viele notfallbedingte Konsultationen verursacht, die ohne Auto nicht mehr wahrnehmbar wären.
Ein Nebenkostenabzug stellt eine Kürzung der materiellen Hilfe dar (§ 13b SPG; vgl. dazu auch Kap. 10 des Handbuchs Soziales des Kantons Aargau https://www.ag.ch/de/dgs/gesellschaft/soziales/handbuchsoziales/handbuchsoziales_1.jsp). Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass eine Einstellung oder Kürzung unter die Existenzsicherung nach § 13b SPG an weitere Voraussetzungen geknüpft ist. Auch müssen die berechtigten Interessen der Minderjährigen angemessen berücksichtigt werden (Abs. 4). Die Behörde müsste sich also zu diesem Punkt vernehmen lassen. Falls die Kinder in Ihrem Fall vom Abzug stark betroffen sind, müsste eine Korrektur der Abzugshöhe vorgenommen werden.
Aufgrund des Kürzungscharakters ist verfahrensmässig zunächst eine Auflage (§ 13 SPG) zu verfügen, bevor nach Eintritt der Rechtskraft der Abzug verfügt werden kann (vgl. dazu auch das Handbuch). Als Auflage wird nicht der Verkauf des Fahrzeugs, sondern die Nummernhinterlegung verlangt (vgl. das Handbuch). Das würde bei den oben erwähnten Ausnahmefällen auch etwa bedeuten, dass während der Arbeitssuche u.U. das Nummernschild hinterlegt werden müsste und dann wieder auf den Stellenantritt ausgelöst werden dürfte, wenn das Auto für die Arbeit notwendig wäre.
Nach dem Gesagten könnte bei Ihrer Klientin geprüft werden, ob ein Ausnahmefall vorliegt, der Abzug die Interessen der Kinder beachtet, und ob das Verfahren eingehalten wurde. Als letzter Punkte käme noch die Prüfung der Berechnung des Abzugs in Frage. Für die Berechnungsweise empfiehlt das Handbuch im oben erwähnten Kapitel einen Link, welche auf eine Berechnungsseite führt, die sich allgemein an den Nebenkosten eines Autos orientiert unter Einbezug der Automarke, dessen Nutzung etc. Falls der Abzug höher als die Kosten ist, die tatsächlich anfallen, kann die Klientin auch dagegen vorgehen, wobei sie darzulegen hätte, inwieweit der Abzug die tatsächlichen Kosten überschreitet.
Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder

Super Antwort - mille grazie