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Prämienverbilligungen

Veröffentlicht:
12.05.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag
Ich habe im Rahmen der sozialen Mitarbeitendenberatung die folgende Situation und brauche Ihre Einschätzung dazu;
eine Klientin von mir hat mit ihrem Ex-Mann zwei Kinder. 2014 wurde die Ehe geschieden, das Sorgerecht wurde geteilt. Gemäss Scheidungsurteil leben die Kinder 50/50 beim Vater und Mutter. Unterhalt ist gemäss Scheidungsurteil nicht geschuldet. Die Mutter hat ab 2014 für sich und die Kinder Krankenkassen-Prämienverbilligungen beantragt und diese aufgrund der jeweiligen Steuererklärungen auch bekommen. Nun hat das zuständige Kantonale Amt im März 2017 den Anspruch für Prämienverbilligungen rückwirkend auf 2014 aberkannt, da die Kinder gemäss dem Amt nicht bei ihr wohnen. Bereits ist die Krankenkasse mit hohen Nachforderungen gekommen.
Wie schätzen Sie die Situation ein. Ist das obenstehende rechtens und wenn nein, wie kann sich meine Klientin am besten wehren?
Freundliche Grüsse, Andrea Aldous

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Aldous
a) Entscheidend dürfte in diesem Fall der geteilten Obhut sein, ob die Kinder tatsächlich mehrheitlich bei der Mutter oder beim Vater lebten - und ob die Prämienverbilligungen seit 2014 auch für den Vater ausbezahlt wurde.
b) Im Sozialversicherungsrecht ist für diese Zuständigkeitsfrage grundsätzlich der zivilrechtliche Wohnsitz anwendbar (Art. 13 ATSG), wobei für Fälle der geteilten Obhut in der Praxis noch einiges nicht klar erscheint.
c) Für minderjähirige Kinder gilt grundsätzlich gemäss Art. 25 ZGB:
1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
Ich verstehe Ihre Anfrage so, dass im vorliegenden Fall die Obhut (das Aufenthaltsbestimmungsrecht) nicht einem Elternteil zukommt. Insoweit sollte aber das Scheidungsurteil nochmals geprüft werden.
Ist dies aber so, so richtet sich der zivilrechtliche Wohnsitz des Kindes nach seinem Aufenthaltsort. Und hierbei ist zu fragen, wo sich das Kind tatsächlich mehrheitlich oder in erster Linie aufgehalten hat. Als Beweismittel könnte eine entsprechende Erklärung des Kindes oder/und (beider) Eltern eingereicht werden. Beachtlich ist auch, ob auch der andere Elternteil Prämienverbilligungen bezogen hat.
Eine Doppelzahlung der Verbilligung wäre sicherlich nicht zulässig. Falls dies aber so war, müssten hier Ansprüche gegen den anderen Elternteil geprüft werden.
d) Zu beachten sind aber überdies die kantonalen Normen zur Berechnung der Prämienverbilligung.
So für den Kanton Bern das Gesetz betreffend die Einführung der Bundesgesetze über die Kranken-, die Unfall- und die Militärversicherung (EG KUMV); BSG 842.11. Dem gemäss wird für die Berechnung des Anspruchs auf bestimmte familiäre Einheiten abgestellt.
Art. 19
Persönliche und familiäre Verhältnisse
1 Bei der Beurteilung der persönlichen und der familiären Verhältnisse wird auf die aktuellen Verhältnisse abgestellt.
2 Die Familie wird als Einheit betrachtet. Zur Familien zählen *
a die Ehegatten beziehungsweise die eingetragenen Partnerinnen oder Partner,
b der allein stehende Elternteil,
c die Kinder,
d die jungen Erwachsenen, wenn sie ledig sind und ihren Lebensunterhalt noch nicht dauernd aus einem eigenen Einkommen bestreiten, dessen Mindesthöhe vom Regierungsrat durch Verordnung festgelegt wird.
3 Der Mehraufwand von Familien ist bei der Bestimmung der finanziellen Verhältnisse entsprechend den Grundsätzen der Sozialhilfe und des Sozialversicherungsrechts angemessen zu berücksichtigen.
Ergänzend sieht die kantonale Verordnung (KKVV; BGS 842.111.1) Folgendes vor:
Art. 4 Persönliche Verhältnisse
1 Als Kinder gelten Personen bis zum vollendeten 18. Altersjahr. *
2 Als junge Erwachsene gelten Personen nach dem vollendeten 18. Altersjahr bis zum vollendeten 25. Altersjahr. *
3 Als Erwachsene werden alle übrigen Personen bezeichnet.
Art. 5 Familiäre Verhältnisse
1 Junge Erwachsene zählen zur Familie ihrer Eltern, wenn sie ledig sind, nicht mit eigenen Kindern eine Familie bilden und a kein eigenes Einkommen erzielen,
b ein Einkommen nach Artikel 6 Absatz 4 unter 14'000 Franken im Jahr erzielen oder
c ein Einkommen nach Artikel 6 Absatz 4 von mehr als 14'000 Franken im Jahr noch nicht dauerhaft erzielen.
2 Zur Familie zählen auch Personen, die nicht im Kanton wohnen.
3 Bei alleinstehenden Eltern bilden Kinder und ledige junge Erwachsene zusammen mit der Mutter eine Familie, es sei denn, sie wohnen beim Vater oder haben vor Begründung des eigenen Wohnsitzes beim Vater gewohnt. *
4 Nicht zur Familie zählen Personen, welche das 18. Altersjahr überschritten haben und Anspruch auf eine Invalidenrente haben.
Gemäss Art.5 Abs. 3 der KVV werden also Kinder und junge Erwachsene nur bei der Mutter eingerechnet, wenn diese alleinstehend ist. An sich kann dies auch bei geteilter Obhut der Fall sein.
Ich rate im vorliegenden Fall dazu, fristgemäss, eine Einsprache zu machen, um eine genauere Begründung zu erhalten, weshalb hier eine Rückerstattung verlangt wird.
Der entsprechende Entscheid müsste dann genauer aufgrund der konkreten Verhältnisse mit HIlfe einer Rechtsberatungsstelle juristisch geprüft werden.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot