Guten Tag
Gerne möchte ich eine Frage in Zusammenhang mit der Rückzahlung der Prämienverbilligung stellen.
Herr Z. bezieht seit August 23 Sozialhilfe ergänzend zu Arbeitslosentaggelder. Bei der Anmeldung für WSH wurde die Prämienverbilligung angemeldet. Im Kanton Uri ist es üblich, dass die Prämienverbilligung für das ganze Jahr gesprochen wird, auch wenn der WSH Bezug später im Jahr stattfindet. Herr Z. hat bis zum WSH-Bezug sämtliche Prämien der Krankenkasse vollumfänglich bezahlt. Ebenso für August, wo er bereits Sozialhilfeanspruch hatte. Im September erhielt die Krankenkasse die Prämienverbilligung und Herrn Z. wurden die zuviel bezahlten Prämien zurückbezahlt. Die Krankenkasse hat die Prämien bis Ende Jahr abgezogen inklusive Zusatzversicherung und den übrigen Betrag von Fr. 1800.- Herrn Z. ausbezahlt.
Herr Z. hat den Sozialdienst über den Eingang der Prämienverbilligung informiert. Der Sozialdienst hat nun Herrn Z. aufgefordert den Betrag an den Sozialdienst zu überweisen. Der Sozialdienst begründet, dass die Prämienverbilligung von Januar bis Juli der Schadensminderung dient und mit der laufenden Sozialhilfe verrechnet werde.
Meine Fragen:
1. Herr Z. hat meiner Meinung nach für den Monat August zu wenig Sozialhilfe erhalten, da er die Prämie mit dem Grundbedarf bezahlt hat. Gem. Abrechnung wurde ihm im Monat August bereits die Prämienverbilligung eingerechnet und nur der Anteil bis zur max. Übernahme der Prämie berechnet. Kann die Sozialhilfe dies ignorieren und den Betrag für die nächsten Monate einrechnen?
2. Herr Z. hat nur ergänzend Sozialhilfe. Gem. Arbeitslosentaggeldabrechnungen und Sozialhilfeabrechnungen wird jeweils etwa ein Betrag von Fr. 200.- bis 300.- Sozialhilfe ausbezahlt. Die Arbeitslosentaggelder sind abgetreten an den Sozialdienst. Trotzdem macht die Sozialhilfe geltend, dass die Einnahme mit der laufenden Sozialhilfe verrechnet werde. Das heisst, die Fr. 1800.- würden bei einem Anspruch von Fr. 300.- über 6 Monate verrechnet werden. Ist das erlaubt?
2a: Was passiert, wenn Herr Z. in nächster Zeit eine Anstellung findet und abgelöst wird. Muss der Sozialdienst das "verwaltete" Guthaben wieder an Herrn Z. zurück zahlen oder kann sie dies mit z.B. Zahnarztkosten verrechnen?
Vielen Dank für Ihre Beantwortung und evtl. Empfehlung zum weiteren Vorgehen.
Frage beantwortet am
Melanie Studer
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne versuche zu beantworten.
Das Sozialhilfegesetz des Kantons Uri enthält keine expliziten Bestimmung zu Ihrer Frage, sodass ich mich – wie in Art. 32 SHG/UR vorgesehen an den SKOS-Richtlinien und allgemeinen Grundsätzen orientiere.
Zu Ihrer 1. Frage betr. den Monat August: Wenn ich Sie richtig verstehe, hat der Klient für den Monat August WSH bezogen, er hat aber die ganze KK-Prämie selbst bezahlt und die Sozialhilfe hat ihm nur die Differenz zwischen der tatsächlichen KK-Prämie und der Individuellen Prämienverbilligung beglichen. Das ist im Resultat korrekt unter der Voraussetzung, dass der Betrag der individuellen Prämienverbilligung direkt an den Klienten ausgerichtet wurde. Denn in der Tat hat auch gemäss den SKOS-RL C.5 die Sozialhilfe den nicht durch die individuelle Prämienverbilligung gedeckten Teil der Krankenkasse gem. KVG als Teil der materiellen Grundsicherung (medizinische Grundversorgung) zu übernehmen (siehe v.a. auch SKOS-RL C.5 Erläuterung b).
Wie geschrieben, ist das «im Resultat» korrekt. Tatsächlich hätten im August die ganzen KVG-Prämien im Budget als Aufwand übernommen werden müssen und es hätte dann – unter Berücksichtigung der zeitlichen und sachlichen Kongruenz – im September die Verrechnung, mit der nun für August ausbezahlten, Prämienverbilligung (für den Monat August) erfolgen können. Denn grundsätzlich können nachträglich eingehende Leistungen Dritter, die dieselbe Periode betreffen, für die eine Person bereits unterstützt wurde, verrechnet werden.
Zu Ihrer 2. Frage: Gemäss Ihren Schilderungen ist eine Verrechnung nicht möglich, da die zeitliche Kongruenz der Leistungen nicht gegeben ist. In der Sozialhilfe gilt jedoch ein breiter Einnahmen-Begriff und grundsätzlich das Zuflussprinzip: Einnahmen sind dann anzurechnen, wenn sie einer Person zufliessen, und zwar ungeachtet der Frage, ob die Leistungen, die zufliessen, für einen Zeitraum gedacht sind, in welchem die Person (noch) nicht Sozialhilfe bezogen hat. Deutlich drückt dies Guido Wizent im Buch «Sozialhilferecht» (2023, N 617) aus: «Entscheiden ist nicht der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs, sondern die effektive Realisierung während der Dauer der Unterstützung (…).» Somit sind solche Nachzahlungen, wie in diesem Fall der Prämienverbilligung, als Einnahme anzurechnen. Dasselbe würde etwa auch gelten, wenn aus einem früheren Arbeitsverhältnis noch Lohn nachgezahlt würde oder bei Steuerrückerstattungen.
Durch die Anrechnung als Einnahme ist aber noch nicht gesagt, dass der Klient die CHF 1'800 an den Sozialdienst überweisen muss. Dies ist nämlich nicht der Fall. Er kann das Geld behalten, es wird aber eben in seinem Budget als Einnahme berücksichtigt, wodurch sich – wie sie darlegen – für mehrere Monate ein Überschuss ergibt und der Klient somit (vorübergehend) abgelöst werden kann. Entsprechend wäre auch die Abtretung der Leistungen der ALV aufzuheben.
Somit wäre auch die Frage 2a mitbeantwortet: die Anrechnung als Einnahme kann auch erfolgen, ohne dass die Einnahme effektiv an den Sozialdienst überwiesen wird. Der Klient darf das Geld behalten und er darf/soll damit seinen laufenden Lebensunterhalt bestreiten. Somit fällt eben auch die "Verwaltung" des Betrages durch den Sozialdienst weg und die Frage beim Austritt stellt sich so nicht.
Dazu empfehle ich Ihnen auch die Lektüre dieses SKOS-Praxisbeispiels, das eine ähnliche Konstellation – einfach mit nachträglich eingegangenen Unterhaltszahlungen – behandelt: https://skos.ch/fileadmin/user_upload/skos_main/public/pdf/zeso/praxisbeispiele/Praxisbeispiel_3-20.pdf
Ich hoffe, diese Antwort dient Ihnen.
Beste Grüsse