Sehr geehrte Damen und Herren
Ich führe die Beistandschaft einer Dame, welche vor vielen Jahren eine Lebensversicherung der Säule 3b abgeschlossen hat. Gemäss dem mir vorliegenden "Nachtrag zur Fondspolice", datiert auf November 2008, umschliesst die Versicherung der Klientin auch eine "Erwerbsunfähigkeits-Zusatzversicherung", welche die Prämienbefreiung bei Erwerbsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall verspricht.
Aufgrund eines Suizidversuchs ist die Klientin seit 2013 erwerbsunfähig und bezieht eine volle IV-Rente. Bei der Durchsicht ihrer Lebensversicherungsunterlagen tauchte die Frage auf, weshalb die Klientin aufgrund ihrer Erwerbsunfähigkeit nicht prämienbefreit sei. Auf telefonische Nachfrage bei der Versicherung erhielt ich keine aussagekräftigen Auskünfte. Mir wurde mitgeteilt, die Klientin sei inzwischen nicht mehr für Erwerbsunfähigkeit zusatzversichert. Weiter wurde mir gesagt, dass dieser zusätzliche Versicherungsschutz bei der Klientin anscheinend einmal entfernt worden sei, als die Klientin in Vereinbarung mit der Versicherung vorübergehend die Prämienzahlungen sistiert habe. Der Sachbearbeiter meinte auch, er sehe in seinen Akten allerdings schon, dass irgendwann mal IV-Unterlagen von der Klientin eingereicht worden seien und wisse nicht, weshalb sie nie eine Prämienbefreiung erhalten habe.
Da ich telefonisch nicht weiterkam, baten die Klientin und ich zunächst per Mail, später mit eingeschriebener Post darum, dass man mir sämtliche Akten zustelle - insbesondere Akten, aus denen hervorgehe:
- In welchen Zeiträumen die Prämie von der Klientin resp. ihrem damaligen Ehegatten (welcher ihre finanziellen Angelegenheiten bis zur Trennung im Jahr 2020 erledigte) bezahlt worden sei und
- Was die Gründe seien, weshalb sie nie eine Prämienbefreiung aufgrund ihrer Invalidität erhalten habe
Zudem bat ich, dass die Gutschriften rückwirkend vorgenommen würden, sofern man bei der Prüfung meines Anliegens zum Schluss käme, dass aufgrund der Erwerbsunfähigkeit trotzdem Anspruch auf Prämienbefreiung bestehe.
Leider erhielt ich auch auf meinen eingeschriebenen Brief keine Antwort. Mir ist nun unklar, wie ich den Rechtsanspruch der Klientin weiter prüfen und allenfalls durchsetzen könnte. Welches Vorgehen empfehlen Sie mir?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau L.
1) Tatsächlich weist hier der Fall darauf hin, dass eventuell seitens der Versicherung ein Fehler vorliegt, und ev. der Anspruch auf Prämienbefreiung ab 2013 gehabt haben könnte.
Es handelt sich hier um ein Frage eines Anspruchs aus dem Privatversicherungsrecht. Dabei gilt für die Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertragsgesetz und das Privatrecht
Besonders wichtig scheint mir hier die Frage der Verjährung zu sein.
Ansprüche nach VVG (zum Beispiel solche nach Versicherungsleistungen wie die Prämienbefreiung) verjähren in der Fassung von Art. 46 des VVG, welche bis 2022 gilt, innert zwei Jahren, nach Eintritt der Tatsache, die die Leistungspflicht begründet. Hier also die Invalidität. (mit dem revidierten VVG wird diese Frist ab 2022 auf fünf Jahre verlänger).
Allerdings verjähren die Ansprüche gemäss der Rechtsprechung in BGE 139 III 418 wohl nicht gesamthaft, sondern mit jedem neu entstehenden Anspruch auf eine Leistung neu. ES könnten also wohl die Prämienbefreiungsansprüche bis vor zwei Jahren eingefordert werden. Zumindest wenn es keine Hinweise gibt, dass der entsprechende Versicherungsschutz entfallen sein sollte, da ja der Versicherungsfall für die Prämienbefreiung (die Invalitität) schon lange eingetreten war.
Abgesehen davon stellt sich auch die Frage, ob nicht Hinweise zu finden wären, dass die Versicherung bewusst die Prämienbefreiung "vergass". In so einem Fall wäre ebenfalls die Verjährung in Frage zu stellen.
Fazit: Es besteht hier durchaus eine Chance, dass rückwirkend die Prämienbefreiung (oder zumindest der nicht verjährte Teil davon ) noch geltend gemacht werden kann.
2) Akteneinsicht kann diesbezüglich, da es sich um eine Privatversicherung handelt, bei Weigerung der Versicherung nur gerichtlich eingefordert werden im Rahmen von Zivilverfahren. Das ATSG mit seinem Akteneinsichtrecht kommt nicht zur Anwendung.
3) Vor diesem Hintergrund rate ich in diesem Fall in einem ersten Schritt den Ombudsmann der Privatversicherungen einzubeziehen. Unter http://www.ombudsman-assurance.ch/static/www.ombudsman-assurance.ch/typo3/index.php_id=47.html
Wenn dies nicht weiterhilft, ist hier mit einer Anwältin oder einem Anwalt eine zivilprozessuale Klage zu prüfen.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot