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Polizeirapport

Veröffentlicht:
10.08.2022
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Datenschutz, Persönlichkeitsschutz und Haftung

Liebes Team

die örtliche Polizei hat einen Klienten von uns in der Wohnung im Koma nach einem Suizidversuch fotografiert. Dieses Foto wurde in den Polizeibericht integriert und an die KESB gesendet. Diese haben es wiederum an die zuständige Beiständin weitergeleitet.

Ist es zulässig Personen in dieser Verfassung zu fotografieren und dies per Mail weiterzuleiten? Hätte die KESB dies gefiltert an die Beiständin schicken müssen, bzw. im Vorfeld eine Warnung aussprechen können, dass das Bild verstörend wirken kann?

Besten Dank.

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Datenschutz, Persönlichkeitsschutz und Haftung

Guten  Tag!

Gerne beantworte ich die Anfrage. Die Frage betrifft verschiedene Themen: Zunächst die Frage der Berechtigung der Datenerhebung und dann die Frage der Weiterleitung von Daten. Zudem auch die Frage der Art und Weise der Weiterleitung mit Blick und mögliche Schutzvorkehren wegen möglicher Eingriffe in die Integrität von Personen, welche die Akten sichten (müssen).

Diese Fragen sind im Detail geregelt in den einschlägigen Verfahrensnormen, ergänzend zudem im Datenschutzrecht. 

a) Für die Datenerhebung seitens der Polizei, also für das Erstellung der Fotografie und die Einbindung in einen Polizeibericht kommt die  Strafprozessordnung (StPO) und das kantonale Polizeigesetz zur Anwendung. Generell gilt dabei, dass die Polizei alle Daten erheben darf, die für den gesetzlichen Zweck ihrer Tätigkeit notwendig sind. Namentlich dürfte es um die  Prüfung der Umstände des Todesfalls und die Abklärung des Vorliegens einer Straftat gehen. Insoweit ist die Aufnahme solcher Fotografien und das Einbinden in den Polizeibericht zu Handen der Staatsanwaltschaft wohl zulässig, ja gar geboten sein. Vgl. Art. 15 Abs. 2 StPO, Art. 76 und 77 StPO

 

b) Für die Frage der Weiterleitung an die KESB seitens der Polizei sind die StPO und das kantonale Datenschutzrecht anwendbar. 

Dabei unterstehen die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich der Geheimhaltung (Art. 73 StPO), geschützt auch durch das Strafrecht (Amtsgeheimnis gemäss Art. 320 StGB).

Eine Weiterleitung an andere Behörden bedarf also einer spezifischen Legitimation. Namentlich kommt dafür eine gesetzliche Meldepflicht oder ein entsprechendes Melderecht in Frage.

Art. 75 Abs. 2 StPO schafft eine entsprechende Grundlage für die Weiterleitung an die KESB, hinsichtlich der Information zu eingeleiteten Strafverfahren sowie über Strafentscheide, wenn dies zum Schutz einer beschuldigten oder geschädigten Person oder ihrer Angehörigen erforderlich ist. Ebenso wenn sie bei der Verfolgung von Straftaten, an denen Minderjährige beteiligt sind, feststellen, dass weitere Massnahmen erforderlich sind. Wenn ich den vorliegenden Sachverhalt korrekt interpretiere, ist das aber im vorliegenden Fall nicht von Relevanz.

Art. 144 des Polizeigesetzes des Kantons Bern (BSG 151.1) und Art. 24 des Gesetzes über Kinde- und Erwachsenenschutz des Kantons Bern, KESG (BSG 213.316) erlaubt die Übermittlung von auch besonders schützenswerten Personendaten durch die Kantonspolizei an andere Behörden wie die KESB, soweit dies zur Erfüllung von Aufgaben im Sinne dieses Gesetzes durch die Polizei oder durch die KESB erforderlich ist.

Und Art. 453 ZGB besagt, dass in Fällen wo eine  hilfsbedürftige Person sich selbst gefährdet oder ein Verbrechen oder Vergehen begeht, mit dem sie jemanden körperlich, seelisch oder materiell schwer schädigt, die Erwachsenenschutzbehörde, die betroffenen Stellen und die Polizei zusammenarbeiten. Und auch Personen und Stellen, die dem Amts- oder Berufsgeheimnis unterstehen, in einem solchen Fall berechtigt sind, der Erwachsenenschutzbehörde Mitteilung zu machen.

Es ist vorliegend nicht ganz klar, welche Informationen genau wann von der Polizei an die KESB weitergeleitet wurden. Es ist aber sicherlich kritisch zu hinterfragen, ob die Weiteleitung der gesamte Polizeibericht inkl. solcher Fotos tatsächlich notwendig ist, damit die KESB ihre Aufgabe wahrnehmen kann.

Diese Aufgabe besteht beim Tod einer von einer Massnahme betroffen Person primär im Abschluss, in der ordnungsgemässen Aufbewahrung und Archivierung. Gegebenenfalls auch im Prüfen einer allfälligen Strafanzeige.

Unabhängig davon dürfen auf jeden Fall solche heiklen Informationen wegen dem Gebot der Datensicherheit (vgl. Art. 149 PolG BE; Art. 10 KDSG BE (BGS 152.04) nur verschlüsselt und geschützt weitergeleitet werden, wenn sie nicht innerhalb desselben, nach aussen geschützten Netzwerkes weitergeleitet werden (vgl. auch RENÉ HUBER, Datenschutz, in: Fountoulakis/Affolter-Fringeli/Biderbost/Steck, Fachhandbuch Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, S. 956f.).

 

c) Für die Frage der Weiterleitung von Informationen der KESB and die Beistandperson sind primär Verfahrensnormen des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts relevant.  Das Verschwiegenheitsgebot der KESB stützt sich  auf Art. 451 Abs. 1 ZGB. Als öffentliche Organe unterstehen sowohl Beistandsperson als auch die KESB ausserhalb eines hängigen Verfahrens dem kantonalen Datenschutzgesetz (vgl. THOMAS GEISER, Behördenzusammenarbeit im Erwachsenenschutzrecht, Aktuelle Juristische Praxis ([AJP] 2012 S. 1689 Ziff. 2.1.1). Demgegenüber richtet sich der Umgang mit Daten und Informationen im Rahmen eines hängigen Verfahrens nach dem massgeblichen Verfahrensrecht (namentlich Art. 446 ff. ZGB).

Aus dem ZGB (Art. 400 Abs. 3 ZGB) und aus der Zusammenarbeitsnorm in Art. 22 des kantonalen KESG ergibt sich auch für die Zusammenarbeit der KESB mit der Beiständin, dass die notwendigen Informationen für die Auftragserfüllung der Beiständin weiterzuleiten sind und weitergeleitet werden dürfen.  

Aus meiner Sicht ist fragwürdig, ob für die Auftragserfüllung, bzw. den Abschluss der Massnahme, die Weiterleitung der gesamten Polizeiakten tatsächlich notwendig erscheint. Und auf jeden Fall ist dabei auch gemäss den allgemeinen Regeln von Treu und Glauben die Persönlichkeit der Beiständin zu beachten. Das ist bei einer unvermittelten Konfrontation mit entsprechenden Fotos einer Person direkt nach einem Suizid nicht der Fall.

Es gilt unabhängig davon auch bezüglich der Art der Weiterleitung, dass diese, zumal es um besonders schützenswerte Daten geht, nicht per ungeschützte Emails ausserhalb eines geschützten Netzwerks erfolgen darf (RENÉ HUBER, Datenschutz, in: Fountoulakis/Affolter-Fringeli/Biderbost/Steck, Fachhandbuch Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, S. 956f.).

Sollten in der Praxis hier Unklarheiten und Fragen bestehen rate ich, den kantonalen Datenschutzbeauftragten einzuschalten.

Für die Frage, wie welche Daten in solchen Fällen weitergeleitet werden ist zu empfehlen, vor dem Hintergrund des Vorgenannten eine entsprechende Absprache/Praxis mit der KESB zu etablieren.