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Pflegefinanzierung

Veröffentlicht:
09.03.2023
Kanton:
Schwyz
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Lieber Herr Mösch
Liebe Frau D'Amico

Ein Klientenpaar zog im April 2022 vom Kanton St. Gallen in den Kanton Schwyz.  Sie leben in einer Alterswohnung. Die Frau leidet schon fast 50 Jahren an einer Krankheit. Sie verbrachte im Februar 2023 einen Aufenthalt in einer Rehaklinik, ist nun aber wieder in die Alterswohnung zurückgekehrt. Das Ehepaar erkundigte sich betreffend Heimfinanzierung bei mir, wobei wir auch auf das Thema der Pflegefinanzierung gestossen sind. Die Frau ist zwischenzeitlich wieder stabil und im Moment zeichnet sich kein Eintritt in ein Altersheim ab. Dennoch möchte ich mich für sie erkundigen, wie lange sie in der aktuellen Gemeinde angemeldet sein müssen, damit diese die Pflegekosten übernimmt. Ich meinte mal gehört zu haben, dass die Frist zwölf Monate ist, finde hierzu aber nichts mehr in meinen Schulungsunterlagen. 

Über eine Antwort von Ihnen würde ich mich freuen.

Beste Grüsse

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag!

a) Zunächst zur Pflegefinanzierung: Mit Blick auf Ihre Frage muss beachtet werden, dass es bei der Pflegefinanzierung zu unterscheiden gibt, ob es um Übergangspflege nach einem Spitalaufenthalt geht. Oder um die Kostenübernahme für die Kosten stationärer oder ambulanter Für die letzteren beiden Kostenarten geht es um den Beitrag des Kantons an die ungedeckten Kosten der Pflege, für welchen im Übrigen die Krankenkasse einen gesetzlich bestimmten Betrag leistet (Art. 25a KVG) und der/die Betroffene 1/5 (bis höchstens CHF 23/Tag Selbstbehalt zu tragen hat. 

Für die Frage dieser interkantonalen Zuständigkeit ist bezüglich der stationären Pflege, also der Pflege in einem Pflegeheim, der Wohnsitz von Bedeutung. Dieser bestimmt erstens, welcher Kanton die entsprechenden Kosten zu tragen und und zweitens, welche kantonalen Regeln und Tarife zur Anwendung kommen.

Soweit es um ambulante Pflege geht ist für die Frage der anwendbaren Tarife die kantonale Regel zu beachten des Kantons, wo die Spitex ihren Sitz und ihre Zulassung erhalten hat (vgl. Art. 25a Abs. a Satz 3 KVG).

Mit Blick auf die kantonale Zuständigkeit in der EL gilt, dass bei einem Heimeintritt der Kanton zuständig bleibt, wo jemand vor dem Heimeintritt den Wohnsitz hatte (Art. 25a Abs. 5 KVG).

Der Aufenthalt in einem Pflegeheim begründet keine neue Zuständigkeit. Kann allerdings der zuständige Kanton der versicherten Person zum Zeitpunkt des Heimeintritts kein Pflegeheimplatz in geografischer Nähe in ihrem Wohnkanton zur Verfügung gestellt werden, so muss der Wohnkanton die Restfinanzierung nach den Regeln des Standortkantons des Heimes erbringen. Diese Restfinanzierung und das Recht der versicherten Person zum Aufenthalt im betreffenden Pflegeheim sind für eine unbeschränkte Dauer gewährleistet.

Es bleibt also relevant, wo jemand vor dem Heimeintritt den Wohnsitz hatte.

Dies richtet sich nach dem zivilrechtlichen Wohnsitz (vgl. Art. 13 Abs. 1 ATSG). Der selbständige Wohnsitz wird dabei durch eigenen Willen begründet und gilt als der Ort, an welchem sich eine Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält (CHK ZGB-Breitschmid, Art. 23 N 3).

Es müssen also zwei Kriterien erfüllt sein: der objektive physische Aufenthalt und die subjektive Absicht des dauernden Verbleibens (BGE 137 II 122, 126; 136 II 405 E. 4.5). Das subjektive Element ist der Wille dauernden Verbleibens. An die Urteilsfähigkeit als subjektives Element, welche der Absicht des dauernden Verbleibens an einem Wohnort zugrunde liegen muss, sind nur geringe Anforderungen zu stellen (BGE 127 V 237, 240 ff. E. 2.c mit dort zitierten Hinweisen). Massgebend ist daher der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (125 III 100, 102; BSK ZGB I-Staehelin, Art. 23 N 5).

Wer also freiwillig seinen Lebensmittelpunkt an einen Ort, etwa auch an den Ort im Kanton, wo später der Heimeintritt erfolgt, verlegt, begründet dort einen zivilrechtlichen Wohnsitz (statt vieler BGE 135 III 49, 56). Dabei gelten die oben genannten Kriterien (Mittelpunkt der Lebensbeziehungen als äusseres Zeichen für die Absicht des dauernden Verbleibes und des fortgesetzten Aufenthaltes).

Die Dauer des Aufenthaltes ist dabei nur ein Indiz, ob der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen – unabhängig von einem später geplanten Heimeintritt – an den neuen Ort verlegt wurde. Je konsequenter der frühere Lebensmittelpunkt aufgegeben wurde (Wohnung geräumt etc.) und je länger der Aufenthalt am neuen Ort dauert vor dem Heimeintritt, desto weniger dürfte dies strittig sein. Eine formale Vorgabe bzgl. der Anzahl Monate des Aufenthaltes, die notwendig sein sollen, um einen Wohnsitz zu begründen, wäre aber unzulässig und bundesrechtswidrig.

b) Pro memoria: Die Regeln sind sehr ähnlich mit Blick auf mögliche Ansprüche auf EL. Auch dort ist und bleibt der Kanton zuständig, wo jemand Wohnsitz hatte vor dem Heimeintritt. Und muss dann bei Personen, die dauernd in einem Heim oder Spital leben, werden neben den allgemeinen Augaben insb. die Tagestaxe und der Betrag für persönliche Auslagen – entsprechend dem Kanton, wo ein Wohnsitz bestand vor dem Heimeintritt - als Ausgabe anerkennen.

c) Mit Blick auf einen allfälligen Anspruch aufie Sozialhilfe ist im Rahmen der Subsidiarität zu prüfen, ob eine Rückkehr in ein Heim im Kanton, der für die EL zuständig ist, bzw. in ein Heim mit tieferen Tarifen verhältnismässig, namentlich zumutbar wäre. Je länger der Betroffene bereits in diesem Heim ist und je schlechter sein Gesundheitszustand, desto eher ist dies zu verneinen. Zum Teil kann auch mit dem Heim selber über eine allfällige Anpassung des Tarifs diskutiert werden.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot