Frau A.O. bezieht eine 100% IV-Rente und EL. Sie arbeitet seit 12 Jahren in einem geschützten Rahmen zu ca. 10%. Diese Tagesstruktur ist ihr sehr wichtig. Als «Lohn» verdient sie ca. 200.- Fr / Monat.
Frau A.O. hat die letzte Wohnung mit T.W. geteilt. Beide waren Mieterinnen auf dem Vertrag.
Während den letzten Jahren sind bei der Vermieterin Schulden betreffend der Wohnung entstanden (ausstehende Mietzinsen), wofür beide haften. Fau T.W. nicht pfändbar, da sie kein Einkommen und kein Vermögen hat.
So ist ausschliesslich A.O. gepfändet worden und haftet für die ganze Schuld: Vom Betreibungsamt wurden Frau A.O. ohne Vorwarnung CHF 6'000 Vermögen vom Konto abgebucht. Da die IV Rente und die EL nicht pfändbar sind, frage ich mich, ob das Vorgehen überhaupt rechtens ist.
Danke im Voraus für Ihre Auskunft
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag!
Das Sozialversicherungsrecht sieht vor, dass ein Teil der Sozialversicherungsleistungen als Einkommen nicht pfändbar ist: Art. 92 Abs. 2 lit. 9a SchKG schliesst die Pfändbarkeit für Renten der AHV, der IV und für die Ergänzungsleistungen aus. Letzteres gilt auch für kantonale Ergänzungsleistungen und für Hilflosenentschädigungen
Insoweit handelt es sich um eine absolute Unpfändbarkeit.
Anders ist die Situation bei anderen Sozialversicherungsleistungen, welche einen Erwerbsausfall kompensieren, wie IV- oder ALV-Taggelder. Das gilt auch für ausländische Renten oder für Taggelder und Invaliditätsrenten der Unfallversicherung Diese sind gemäss Art. 93 SchKG beschränkt pfändbar (vgl. auch BGE 135 III 2; BGE 134 III 608; BGE 134 III 182; BGE 130 III 400). Das bedeutet, dass sie gepfändet werden können, wenn sie nach Ermessen des Betreibungsamtes nicht unbedingt notwendig sind.
Im vorliegenden Fall wurde ein Vermögen von CHF 6000 in die Pfändung einbezogen.
Im Grundsatz gilt, dass Sparguthaben, also Vermögen, dass aus unpfändbarem Einkommen (AHV-Renten, EL) geäufnet wird, pfändbar ist. Das gilt dann, wenn es Sparcharakter erhält.
Sicher nicht pfändbar ist ein Saldo auf einem Durchgangskonto, auf welchem die Renten eingehen und laufend wieder abgehoben werden (vgl. Von der Mühll Georges, in Staehelin et. al, Basler Kommentar SchKG Art. 92 N. 38 mit Hinweisen). Ebenso besteht noch keine Pfändbarkeit, wenn etwa Nachzahlungen auf ein Konto eingehen und dann vorübergehend einen etwas höheren Saldo bewirken. Dann aber zur Existenzsicherung notwendig sind, etwa zur Zahlung von aufgelaufenen Schulden (vgl. etwa Urteil PS180043-O/U des Obergerichts Zürich vom 16. Mai 2018).
Anders wiederum besteht eine Pfändbarkeit, wenn die Ersparnisse einige Zeit nicht genutzt werden und so Spar- und Vermögenscharakter erhalten (vgl. Winkler Thomas in: Kren Kostkiewicz Jolanta et al. [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG, Zürich Basel Genf 2017, Art. 92 N 63). Die Grenzen sind hierbei nicht ganz klar.
Entscheidend dürfte also sein, wann und wie dieses Kapital auf dem Konto anfiel: Falls der Saldo schon seit längerem als Ersparnis auf dem Konto war, dürfte die Pfändbarkeit kaum angreifbar sein. Sollte hingegen der Betrag vor relativ kurzer Zeit auf das Konto einbezahlt worden sein (etwa als Nachzahlung bzgl. EL etc.), und wären daraus aus der Zeit, auf die sich die Nachzahlung bezieht etwa noch Zahlungen zu tätigen und Schulden zu begleichen etc, dann wäre eine Intervention beim Betreibungsamt und, wo nötig, ein Rechtsmittel, hier die betreibungsrechtliche Beschwerde, angezeigt.
Möglich ist es auch, eventualiter die vollständige Pfändung des Saldos in Frage zu stellen, wenn er teilweise aus unmittelbar eingegangenen Einkommen aus AHV-Renten und EL-Leistungen besteht.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot