Guten Tag
Herr X wird mit wirtschaftlicher Sozialhilfe unterstützt und bekommt gemäss Vorbescheid der IV-Stelle rückwirkend eine volle und anschliessend halbe IV-Rente zugesprochen. Mit dem Rentenzuspruch erhält Herr X seitens IV-Stelle bestimmte Auflagen (fachärztliche psychiatrische und medikamentöse Behandlung, kontrollierte THC-Abstinenz), deren Einhaltung/Erfüllung laut Auskunft der IV-Stelle ausschlaggebend seien, ob bei einer Revidierung des Versicherungsfalles im Juni 2023 Herrn X weiterhin eine Rente zugesprochen werde. Herr X zeigt sich mit diesen Auflagen grundsätzlich einverstanden.
Unserem Dienst stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein erneutes Gesuch um wirtschaftliche Sozialhilfe von Herrn X abgewiesen werden könnte, sollte Herr X den Auflagen der IV nicht/ungenüngend nachkommen und dadurch den Anspruch auf die Sozialversicherungsleistungen verlieren.
Danke im Voraus für die Antwort.
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Gerne beantworte ich Ihre Frage. Ihren Angaben zufolge wird Herr X mit einer IV-Rente, vermutlich Ergänzungsleistungen und allenfalls einer Rente der beruflichen Vorsorge von der wirtschaftlichen Hilfe abgelöst. Sie fragen sich, ob ein erneutes Gesuch um wirtschaftliche Hilfe abgewiesen werden kann, falls Herr X. seine IV-Rente im Juni 2023 und allfällige weitere Leistungen verliert, weil er der Auflage der IV nicht nachgekommen ist.
Nach Art. 17 SHG / NW hat Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe, wer nicht über die nötigen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen verfügt (Abs. 1). Der Anspruch besteht auch, wenn die nötigen Mittel nicht rechtzeitig oder nicht hinreichend mit eigenen Mitteln, Arbeit oder Leistungen Dritter beschafft werden können (Abs. 2). Im Sinne der Subsidiarität ist jede hilfesuchende Person verpflichtet, alles Zumutbare zu unternehmen, um eine Notlage aus eigener Kraft abzuwenden oder zu beheben (Art. 2 SHG / NW).
Der Subsidiaritätsgrundsatz verpflichtet Herrn X. dazu, seinen Rentenanspruch gegenüber der IV zu wahren, soweit dies ihm nach seinen eigenen Kräften zumutbar ist. Kommt er dem nicht nach und wird er dadurch bedürftig, besteht gleichwohl ein Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe gemäss Art. 17 SHG / NW. Denn der gesetzlich verankerte Bedürftigkeitsgrundsatz macht den Anspruch nicht davon abhängig, dass dieser unverschuldet entstanden ist. Diese gesetzliche Konzeption entspricht dem für die Sozialhilfe grundlegenden Prinzip, wonach die wirtschaftliche Hilfe unabhängig eines Verschuldens erbracht wird, sog. Finalprinzip (siehe dazu auch SKOS-RL A.4 Abs. 5, woran sich die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe im Kanton Nidwalden orientiert, § 8 SHV / NW). So sieht das Nidwaldner SHG auch lediglich vor, dass auf das Gesuch nicht eingetreten wird, wenn die Bedürftigkeit nicht nachgewiesen ist (Art. 18 SHG / NW). Ist die Bedürftigkeit aber nachgewiesen, besteht der Anspruch. Die Verschuldensfrage ist kein Aspekt des Grundanspruchs. Insoweit sehe ich keine Grundlage, das Gesuch abzuweisen.
Es besteht für die Sozialhilfe aber mit Auflagen und Kürzungen (Art. 21 ff. SHG / NW) die Leistungen in der Folge einzuschränken. In diesem Fall muss aber geklärt sein, dass die von der IV verfügten Auflagen Herrn X. auch zumutbar sind und dieser in der Lage ist, die Vorgaben der IV zu erfüllen. Im Falle einer allfälligen Rentenaufhebung durch die IV wegen Nichtbefolgen der Auflage wäre dies von Seiten der Sozialhilfe aus meiner Sicht selbständig zu prüfen.
Im Sinne der persönlichen Hilfe könnte die Sozialhilfe aber Herrn X. bei Bedarf unterstützen, die Auflagen zu erfüllen (z.B. Hilfe bei der Suche einer Psychiaterin bzw. eines Psychiaters). Denn die persönliche Hilfe (Art. 14 SHG / NW) kann auch unabhängig eines Anspruchs auf wirtschaftliche Hilfe erbracht werden, vorausgesetzt werden gemäss Gesetz lediglich persönliche Schwierigkeiten. Nach § 4 Abs. 2 Ziff. 4 SHV / NW erbringt das kantonale Sozialamt die Leistung von persönlicher Hilfe durch Beratung und Betreuung. Eine Alternative wäre auch eine Verbindung zu Pro Infirmis zu etablieren. Mit Beratung und Betreuung könnte Herr X. dabei unterstützt werden, seinen Rentenanspruch längerfristig zu erhalten, womit einer erneuten Bedürftigkeit vorgebeugt würde. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die persönliche Hilfe auf Freiwilligkeit beruht und nur erbracht werden kann, wenn Herr X. mitwirkt.
Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder