Guten Tag
Wie wird die neue Berechnungsmethode für TeilzeitlerInnen angewendet, die keine Tätigkeit in einem anerkannten Aufgabenbereich nachweisen können?
Also beispielsweise: ich hatte Teilzeit gearbeitet, als unsere Tochter noch klein war und das Pensum dann später nicht erhöht, sondern beibehalten, um eine positive work-life-balance zu erzielen.
Wenn ich jetzt versuche, dass nach der neuen Regelung versicherungstechnisch zu sehen, bleiben für mich Fragen offen.
Beispiel:
Angenommen ein 100%-Lohn wäre Fr. 100‘000
Anstellung wäre 75% gewesen.
Nach der Invalidisierung heisst es, ein 50%-Pensum im angestammten Beruf wäre möglich.
Wie wird dann gerechnet?
Variante 1:
Wird dann mein 75%-Pensum nach der neuen Methode berechnet? Also einem Validenlohn des 100%-Pensums von Fr. 100‘000.- wird ein 50% Lohn bezogen auf das 75%-Pensum gegenübergestellt. D.h. Fr. 37‘500.- wären noch möglich, das gäbe einen IV-Grad von 62.5% auf den Erwerbsteil.
Dieser wird gewichtet mit 75% (und die 25% des nicht anerkannten Aufgabenbereichs mit Null gesetzt) gibt einen IV-Grad von rund 47%.
Das gäbe eine ¾-Rente bei der Pensionskasse und eine ¼-Rente bei der IV.
Oder Variante 2a:
50% von Fr. 100‘000.- wäre noch zu verdienen, damit einen IV-Grad von 50% unabhängig von der konkreten Anstellung? Und der ist verbindlich für IV und Pensionskasse?
Oder Variante 2b:
Aber könnte dann die PK nicht sagen: also ½- Rente bei der IV ist unbestritten.
Aber Fr. 50‘000 sind immer noch ein Einkommen von 66.6 % des letzten bei uns versicherten Verdienstes, der IV-Grad für die Pensionskasse beträgt damit nur 33.3% und es gibt noch nicht einmal eine ¼-Rente.
Mit freundlichen Grüssen
M. Blindow
P.S. vom 02.02.2018
Gerade ist ein Artikel in Handicap und Recht (01/2018) zu dieser Thematik erschienen:
http://inclusion-handicap.ch/admin/data/files/asset/filede/457/handicap-und-recht-012018gemischte-methode19012018.pdf?lm=1517323953&_fumanNewsletterId=56929:616671e3195a8576d4c178009603e13d
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrter Herr Blindow
Die auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zurückgehende Neuerung der Berechnung der Invalidität bei der gemischten Methode (also bei Teilzeiterwerbstätigen) ist geregelt in Art. 27bis Abs. 2-4 IVV.
- Ein paar Grundsätze bleiben dabei gleich.
Erster Schritt: Zunächst wird erhoben, in welchem Umfang die Person ohne Invalidität überwiegend wahrscheinlich erwerbstätig wäre.
Meist wird angenommen, dass die Person im restlichen Umfang (100% minus Umfang Erwerbstätigkeit) im Aufgabenbereich tätig ist.
Zweiter Schritt: Der IV-Grad wird getrennt nach dem Einkommensvergleich für den Erwerbsbereich und nach dem Betätigungsbereich für den Aufgabenbereich festgestellt.
Dritter Schritt. Die so ermittelten IV-Grade werden mit dem Faktor des (hypothetischen) Beschäftigungsgrades einerseits und dem Umfang der Tätigkeit im Aufgabenbereich andererseits multipliziert und dann zusammengezählt.
Neu ist nun seit 1.1.2018, wie der IV-Grad im Erwerbsteil für die teilzeiterwerbstätige Person festgelegt wird: Die Erwerbseinbusse resultiert neu aus einem Vergleich des trotz Invalidität erzielten Einkommens im Vergleich zum hypothetischen Erwerbseinkommen, dass bei 100%-Pensum erreicht würde (und nicht zum Einkommen, was hypothetisch bei der gewichteten Teilzeiterwerbstätigkeit erreicht würde, wie früher). Dieser IV-Grad für den Erwerbsbereich wird dann mit dem Anteil/Faktor des (hypothetischen) Beschäftigungsgrades gewichtet. - Übt eint versicherte Person neben dem erwerblichen Teilpensum Beschäftigungen aus, welche keinen Aufgabenbereich darstellen, gilt sie als Teilerwerbstätige ohne Aufgabenbereich. Indizien, welche gegen die Annahme eines Aufgabenbereichs sprechen, sind z.B.: keine betreuungspflichtigen oder pflegebedürftigen Kinder oder Angehörige (BGE 141 V 15, 9C615/2016) oder auch die Reduktion des Arbeitspensums zwecks Gewinnung von Freizeit bzw. zu Gunsten von Freizeitaktivitäten (BGE 131 V 51, 8C846/2015, 9C764/2010).
In diesem Fall erfolgt die Bestimmung des IV-Grades grundsätzlich nach dem Einkommensvergleich. Auch in solchen Kosntellationen ist für die Bestimmung des Valideneinkommens das Einkommen aus dem Teilzeitpensum neu auf eine hypothetische Vollerwerbstätigkeit hochzurechnen (Siehe Artikel 27bis Absatz 3 IVV; vgl. KSIH Rz. 3042.01ff., Stand 1.1.2018 ).
Dieses ist dann mit dem realen Invalideneinkommen zu vergleichen. Dann erfolgt eine Gewichtung mit Blick auf das Teilzeitpensum. Wer also z.B in diesem Sinne freiwillig nur 80% arbeitet, bei dem wird der aus dem Vergleich von Invalideneinkommen und dem Valideneinkommen (berechnet als auf eine 100%-Tätigkeit hochgerechnetes hypothetisches Einkommen noch mit dem Faktor 0.8 multipliziert.
Die Konsequenzen der neuen Berechnung für die berufliche Vorsorge sind noch nicht klar und dürften durch die Rechtsprechung geklärt werden müssen. Zwar ist für die PK eindeutigerweise nur der Erwerbsteil der Person von Bedeutung. Offen ist aber, ob die dabei erfolgende neue Berechnung des IV-Grades im Sinne der Bindungswirkung auch für die berufliche Vorsorge gilt.
Siehe auch ausführlich, z.B. auch zu den Übergangsbestimmungen, inkl. den Voraussetzungen für Neuanmeldungen abgelehnter Entscheid im Bereich der gemischten Methode: https://www.inclusion-handicap.ch/admin/data/files/asset/filede/457/handicap-und-recht-012018gemischte-methode_19012018.pdf?lm=1517323953 (eingesehen am 9.2.2018 ).
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot