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Nettolohnausgleich / Krankentaggeldversicherung / Familienzulagen

Veröffentlicht:
15.11.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Damen und Herren
Aktuell berate ich einen Patienten, der seit 06.2017 krankheitshalber zu 100% durchgehend krank geschrieben ist. Da er im Baugewerbe tätig ist, ist nebst dem Arbeitsvertrag auch der Landesmantelvertrag sowie der Baukadervertrag 2008 massgebend.
Wenn ich die gesetzliche Grundlage richtig verstehe, wird dem Patienten maximal der Nettolohn ausbezahlt, so dass es nicht zu einer Überentschädigung kommen kann. Wie verhält es sich hier mit den Familienzulagen? Von der KTG-Versicherung wurde mir mitgeteilt, dass die Familienzulagen über die Versicherung ausgerichtet werden, sofern eine Einstellungsverfügung der Ausgleichskasse vorliegt. Müsste dann korrekterweise max. der Nettolohn zzgl. Familienzulagen (800.00) ausgerichtet werden? Welche Gesetzesartikel kommen hier zur Anwendung?
Herzlichen Dank
Sarah Horsch

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Horsch
Ich gehe davon aus, dass in Ihrem Fall arbeitsrechtlich der Landesmantelvertrag 2016 zur Anwendung kommt (mit den Änderungen, die per 1. Juni 2017 in Kraft getreten sind, die aber nur die Prämienteilung betreffen). Zur Anwendung kommen also die entsprechenden Normen des GAV (LMV) sowie das hier nicht bekannten Reglemente der involvierten Krankentaggeldversicherung.
Demgemäss gilt gemäss Art. 64 Abs. 4 LMV, dass eine KTV bestehen muss, welche 90% des wegen Krankheit ausfallenden Bruttolohnes (nicht wie sie schreiben, des Nettolohne) nach Ablauf des unbezahlten Karenztages übernimmt.
Von Ihren Ausführungen her gehe ich davon aus, dass in concreto der Arbeitgeber eine entsprechende Taggeldversicherung abgeschlossen hat.
Die Basis für das Krankentaggeld ist also der Bruttolohn.
Gemäss der wohl herrschenden Lehre und Praxis gelten die auf öffentlichem Recht beruhenden, über den Arbeitgeber ausgerichteten Familienzulagen, auch wenn sie auf öffentlichem Recht beruhen, zwar nicht de jure zum Lohn, sind aber de facto ein Lohnbestandteil (vgl. Streiff/von Kaenel, Art. 322 N 9).
Ob bei der vorliegenden KTV tatsächlich auch die Familienzulagen zum Bruttolohn gezählt werden, deren Ausfall somit zu entschädigen ist, richtet sich nach deren Reglement, dessen genauer Wortlaut hier zu konsultieren wäre. Aus dem LMV habe ich keine eindeutige Regelung gefunden, auch nicht in den vorhandenen Kommentaren zum LMV
Ich rate Ihnen also, die telefonische Auskunft schriftlich bestätigen zu lassen und das Reglement der KTV insoweit anzufordern. Eine verbindliche Antwort zum Begriff des Bruttolohnes im Sinne von Art. 64 LMV (mit oder ohne Familienzulagen) kann eventuell auch seitens der Sozialpartner (Baumeisterverband und Syna bzw. Unia) bei deren Rechtsdienst nachgefragt werden.
Ich hoffe das dient Ihnen.
Pro Memoria: Im Weiteren gelten für die KTV im Anwendungsbereich des Landesmantelvertrages (GAV für den Bau) folgende Rahmenbedingungen:
b) Taggeldleistungen bis zum 730. Tag seit Beginn des Krankheitsfalles. Das erneute Auftreten einer Krankheit gilt hinsichtlich der Leistungsdauer und Aufschubszeit als neuer Krankheits-fall, wenn der Versicherte vor erneutem Auftreten der Krankheit während 12 Monaten ununterbrochen arbeitsfähig war.
c) Das Taggeld wird bei nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit von mindestens 25% entsprechend dem Grad der Arbeitsunfähigkeit ausgerichtet, jedoch maximal während der Bezugsdauer ge-mäss lit. b).
d) Leistungen bei Mutterschaft während mindestens 16 Wochen, wobei mindestens acht Wochen auf die Zeit nach der Niederkunft fallen müssen. Die Bezugsdauer bei Mutterschaft wird nicht an die ordentliche Bezugsdauer von 730 Tagen angerechnet. Die Leistungen der staatlichen Mutterschaftsversicherung können angerechnet werden, soweit sie auf den gleichen Zeitraum entfallen.
5 Prämien und Aufschub von Versicherungsleistungen:
a) Die effektiven Prämien für die Kollektivtaggeldversicherung werden vom Arbeitgebenden und vom Arbeitnehmenden je zur Hälfte getragen.
b) Schliesst der Arbeitgebende eine kollektive Krankentaggeld-Versicherung mit einem Leis-tungsaufschub von höchstens 30 Tagen und unter Einhaltung von einem Karenztag je Krank-heitsfall ab, so hat er während der Aufschubszeit 90% des wegen Krankheit ausfallenden Lohnes selbst zu entrichten.
c) Während der Krankheitszeit ist der Arbeitnehmende von der Prämientragung befreit.