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Nachträgliche Verrechnung von WSH und IV-Leistungen

Veröffentlicht:
30.11.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Frau X. hat sich im 2010 bei der IV angemeldet. Da die Abklärungen andauerten und das Krankentaggeld ausgeschöpft war, musste sie von Januar 2012 bis Januar 2013 zur Überbrückung WSH beziehen. Die Unterstützung konnte eingestellt werden, als Frau X. eine ganze IV-Rente zugesprochen wurde (rückwirkend ab 2010). Die Gemeinde konnte die geleistete Sozialhilfe mit der rückwirkend ausgerichteten IV-Leistung verrechnen. Es blieb sogar ein "Überschuss", welcher Frau J. damals von der IV überwiesen wurde.
Nun hat sich die Gemeinde 4 Jahre später mit einer Forderung von Fr. 400.-- bei Frau X gemeldet. Offensichtlich sei dieser Betrag damals nicht verrechnet worden - die Gemeinde kann aber nicht erklären, wie das zustande kam oder worum es sich bei dem Betrag genau handelt.
Muss Frau X. dieser Forderung unter diesen Umständen nachkommen, obwohl es sich (höchstwahrscheinlich) um einen Fehler der Gemeinde handelt?
Besten Dank und freundliche Grüsse
Kathrin Kayser

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Kayser
Ich entschuldige mich für die verspätete Beantwortung Ihrer Anfrage. Dies liegt daran, dass ich Ihre Anfrage bereits beantwortet habe, die Technik mir aber einen Streich gespielt und die Antwort nicht gesendet hat. Ich habe dies leider erst jetzt gemerkt.
Gemäss Regierungsratsbeschluss vom 31.08.2017 (RRB Nr. 490) sind die SKOS-Richtlinien im Kanton Uri verbindlich. Diese besagen in Ziff. F.2, dass in den Kantonen, in denen sich aus dem Gesetz keine Rückerstattungspflicht ergibt, die gegenüber der Sozialversicherung anspruchsberechtigte Person sich zur Rückerstattung schriftlich verpflichten muss. Für die Auszahlung der Versicherungsleistungen an Dritte wie die Sozialhilfe bedarf es zudem eines Zahlungsauftrages der Berechtigten. Ziel soll es jedoch sein, dass die Sozialhilfe mit bevorschussten Leistungen verrechnen kann, andernfalls zum selben Zweck doppelte Leistungen erbracht werden. Das Sozialhilfegesetz des Kantons Uri kennt keine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, die die automatische Verrechnung bevorschusster Leistungen zulässt. Allenfalls könnte Art. 34 Abs. 2 Lit. a zur Anwendung gelangen, der besagt, dass Personen, die rechtmässig Unterstützungsleistungen bezogen haben, zur Rückerstattung verpflichtet sind, wenn sich ihre finanziellen Verhältnisse so bessern, dass ihnen die Rückerstattung zugemutet werden kann. Im Sozialhilfehandbuch des Kantons Uri wird unter dem Stichwort „Subsidiarität“ jedoch festgehalten, dass sich die Sozialhilfebehörden im Falle der Bevorschussung die nicht liquiden Ansprüche abtreten lassen soll. Eine Rückerstattung gestützt auf Art. 34 Abs. 2 Lit. a SHG ist nicht vorgesehen.
So wie Sie den Sachverhalt schildern, hat Ihre Klientin sich schriftlich mit der Rückerstattung einverstanden erklärt und gegenüber der IV wahrscheinlich auch einen Zahlungsauftrag z.G. der Sozialhilfe unterzeichnet. Andernfalls hätte die IV der Sozialhilfe die Nachzahlungen wohl nicht in dem von der Sozialhilfe geltend gemachten Umfang ausbezahlt. Wenn nun die Sozialhilfe der Meinung ist, dass sie der IV gegenüber einen um CHF 400.-- zu tiefen Betrag genannt hat, der zur Verrechnung kommen soll bzw. hätte kommen sollen, so kann sie gestützt auf die Verpflichtung zur Rückerstattung Ihrer Klientin (oder möglicherweise auch gestützt auf Art. 34 Abs. 2 Lit. a SHG) diese CHF 400.-- von Ihrer Klientin zurückverlangen (auch nach dieser langen Zeit, besteht doch eine Verjährungsfrist von 15 Jahren, siehe Art. 35 SHG). Allerdings hat die Sozialhilfe in diesem Fall genau darzulegen, um was für einen Betrag es sich handelt, wie dieser berechnet ist und ob er einen Zeitraum betrifft, für die die Nachzahlung der IV erfolgt ist. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör/Begründungspflicht. Kommt die Sozialhilfe dieser Aufforderung nicht nach, so rate ich Ihrer Klientin, den Betrag nicht zu bezahlen. Kommt die Sozialhilfe der Aufforderung nach, so ist zu prüfen, ob sich die verlangte Summe aus zeitgleichen Leistungen ergibt, tatsächlich erbracht wurde und eine Sozialhilfeleistung darstellt. Nur in diesem Fall besteht der Anspruch der Sozialhilfe, dass Ihre Klientin ihr den Betrag von CHF 400.-- auch im heutigen Zeitpunkt noch bezahlt.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können. Andernfalls dürfen Sie gerne nachfragen.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Kayser
Ich möchte noch einen Nachtrag zu meiner Antwort machen.
Zwar hat die Sozialhilfebehörde in dem von Ihnen geschilderten Fall offenbar ihre Abrechnungsverfügung (falls es eine solche gibt) nicht in Wiedererwägung gezogen, faktisch handelt es sich aber um eine Wiederwägung (die es noch zu verfügen gälte), da die Sozialhilfe mehr als ursprünglich zurückverlangt.
Eine Wiedererwägung ist aber nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. So sind die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung u.a. dann gegeben, wenn wenn erhebliche Tatsachen aufgetaucht sind, die die Partei im früheren Verfahren ohne Verschulden nicht geltend machen konnte, wenn die Verfügung zweifellos unrichitg ist oder wenn die Verfügung mit einem schweren und offensichtlichen Rechtsmangel behaftet ist und die Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist.
Ich (und auch Sie) kennen den Grund für die nachträglich noch einverlangten CHF 400.-- nicht. Wurde falsch gerechnet? Kam nachträglich noch eine von der Sozialhilfe zu bezahlende Rechnung? War die Verfügung mangelhaft? Auf jeden Fall ist ein Betrag von CHF 400.-- für eine Behörde meiner Ansicht nach nicht von erheblicher Bedeutung, weshalb ich der Ansicht bin, dass Ihre Klientin - auch dann, wenn die Sozialhilfebehörde den Betrag nun noch erklärt unkorrigierte Verfügung erlässt - die Bezahlung dieser Summe ablehnen kann.
MIt freundlichen Grüssen
Anja Loosli Brendebach