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nachträgliche Ferienkürzung wegen Krankheit

Veröffentlicht:
29.03.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Guten Tag Herr Pärli
Eine Klientin von mir ist seit Okt. 2017 arbeitsunfähig. Im August 2018 begann ein Arbeitsversuch im Betrieb. Damals hat man der Klientin mitgeteilt, dass man auf die Ferienkürzung gemäss Reglement verzichte. Die Klientin hat von ihrer Vorgesetzten im Juli 2018 diesen Wortlaut als Mail erhalten: "Weiterhin hast Du einen Urlaubsanspruch aus 2017 von 3 Tagen und für 2018 noch die vollen 20 Tage.
Daher brauchst Du Dir keine Sorgen um die 3 Tage zu machen, die wir für die Betriebsferien zum Jahreswechsel vorarbeiten müssen.
Du solltest nur zusehen, dass Du den Urlaub irgendwie auch nimmst, damit wir keinen Berg für 2019 aufbauen, da Du dann wieder 20 Tage zugute haben wirst."
Der Arbeitsversuch verlief leider (v.a. aus zwischenmenschlichen Gründen) nicht erfolgreich. Die Klientin hat per Ende Mai 2019 die Kündigung erhalten und wird die Wiedereingliederung nun in einer IV-Massnahme weiterführen.
Der Betrieb hat ihr nun nachträglich rückwirkend die Ferientage (gestützt auf das Personalreglement, welches Kürzungen ab dem 4. Monat vorsieht) gekürzt. Begründung: man habe auf die Ferientagkürzung verzichtet, damit sie während des Wiedereinstiegs genug Erholungszeit hat. Da sie in dieser Zeit kaum Ferientage bezog, sehe man sich gestützt auf das Personalreglement im Recht, die Ferientage nachträglich zu kürzen. Nicht gekürzt wurde lediglich das Ferienguthaben für die Zeit des Arbeitsversuchs (August 18 bis Januar 19).
Die Klientin fühlt sich abgestraft. Frage: es ist klar, dass das Personalreglement die gekürzten Ferientage stützt. Ist es trotzdem möglich, dass die Kürzung nicht zulässig ist, weil man mit ihr eine andere Regelung vereinbarte? Mehr als den Mailtext gibt es dazu aber schriftlich nicht. Lohnt es sich, wenn die Klientin hier interveniert oder hat sie die Kürzung zu akzeptieren? Es macht natürlich für die Schlussabrechnung einen deutlichen Unterschied, wieviel Ferienguthaben ihr noch ausbezahlt wird.
Herzlichen Dank für Ihre Einschätzung.
Freundliche Grüsse
Katrin Schenker

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Schenker
Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt: Eine Kürzung des Ferienanspruchs bei länger dauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist gestützt auf Art. 329d OR zulässig. Die Regelung sieh u.a. t vor, dass der Ferienanspruch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit von mindestens zwei vollen Monaten um einen Zwölftel gekürzt werden dürfen. Von der gesetzlichen Regelung darf nur zu Gunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Gemäss Ihren Angaben sieht das Personalreglement eine Ferienkürzung erst ab dem vierten Monat vor, insoweit ist die Regelung im fraglichen Betrieb günster als die gesetzliche Bestimmung, was aber wie erwähnt zulässig ist (soweit zu Gunsten des Arbeitnehmers).
Nun wurden gemäss ihren Schilderungen der Klientin versprochen, auch auf die nach Personalreglement zulässig Kürzung zu verzichten. Auf diesen Verzicht ist die Arbeitgeberin jedoch wieder zurückgekommen.
Wie ist diese Situation rechtlich zu würdigen?
Eine eigentlich Vertragsänderung zu Gunsten Ihres Klienten kann aufgrund der durch Sie geschilderten e-Mail wohl nicht angenommen werden. Das Angebot, auf die Ferienkürzung zu verzichten, muss deshalb eher als Geste im Sinne eines freiwilligen Entgegenkommens gewürdigt werden. Man kann sich jetzt fragen, ob es gegen den in Art. 2 ZGB verankerten Grundsatz von Treu und Glauben verstösst, wenn Ihre Arbeitgeberin ihr Versprechen, die Ferien nicht zu kürzen, gebrochen hat (wenn auch mit gemäss Arbeitgeberin nachvollziehbaren Gründen). Die Gerichte sind sehr streng, wenn es um eine Prüfung einer Verletzung von Art. 2 ZGB geht. Widersprüchliche Verhalten (venire contra factum proprium) ist eine Variante des Rechtsmissbrauches (Art. 2 Abs. 2 ZGB). . Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 125 III 257) gibt es allerdings keinen Grundsatz der Gebundenheit an das eigene Handeln. Setzt sich jemand zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, ist darin nur dann ein Verstoss gegen Treu und Glauben zu erblicken, wenn das frühere Verhalten ein schutzwürdiges Vertrauen begründet hat, welches durch die neuen Handlungen enttäuscht würde (BGE 121 III 350 E. 5b; 115 II 331 E. 5a; 106 II 320 E. 3.
Überträgt man diese Rechtsprechung auf Ihren Fall, so muss bezweifelt werden, dass ein Gericht den Forderungen ihres Klienten nachgeben würde. Allerdings würde ich dennoch versuchen, die Arbeitgeberin an ihr ursprüngliches Versprechen zu erinnern und auf dem zugesicherten Verzicht auf die Kürzung zu bestehen Angesichts der unsicheren Rechtslage wäre aber sicher zielführend, auch Hand für einen Kompromiss zu bieten (Kürzung um die Hälfte bsw.).
Genügen Ihnen diese Angaben?
mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli