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Nachforschung über frühere Erbschaft bei Abklärung der KESB

Veröffentlicht:
02.03.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Es handelt sich um eine 40jährige Frau mit geistiger und körperlicher Beeinträchtigung.

Sie hatte schon immer eine vollumfängliche Beistandschaft, die immer ihre Eltern inne hatten.

Vor 12 Jahren ist ihr Vater verstorben. Die Mutter hat die alleinige Beistandschaft übernommen.

Bei der Erbverteilung des Vaters, haben die 2 anderen Geschwister schriftlich zugunsten der Mutter auf das Erbe des Vaters verzichtet. Die Verzichtserklärung der Frau mit Beeinträchtigung hat die Mutter, als Beiständin für sie stellvertretend unterschrieben.

Nun hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Mutter immer wieder mit der alleinigen Verantwortung der Beistandschaft, vor allem was Finanzielles oder Belange um Versicherungen ect. Anbelangt, überfordert ist (sprachliche Barrieren, da Deutsch nicht die Muttersprache und wenig Kompetenzen oder Wissen im administrativen Bereich…).

Bei der Diskussion um die Abgabe (zumindest des finanziellen Teils) an einen professionellen Beistand, kam die Befürchtung auf, dass man bezüglich dem ausgeschlagenen Erbe vor 12 Jahren nachhaken würde. 

Sicher ist, dasss die Mutter als Beiständin das meiste von diesem geerbtem Geld in den letzten 12 Jahren für die Tochter verwendet hat. Die Mutter führt darüber aber keine Buchhaltung.

 

Nun meine Frage: Sollte die Beiständin einen professionellen Beistand für das Finanzielle beantragen, werden dann Nachforschungen bezüglich des Erbes vor 12 Jahren angestellt (seitens KESB / Sozialbehörde) oder geht man einfach vom jetzigen Stand aus?

Diese Frage ist entscheidend um die Mutter dazu zu bringen, sich bei der KESB zu melden.

(diese Fall betrifft übrigens nicht die glarner KESB)

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrter Herr Grimm

Im Jahr 2013 trat das neue Erwachsenenschutzrecht in Kraft. Die bestehende altrechtliche Vormundschaft oder erstreckte elterliche Sorge musste sobald als möglich an das neue Recht angepasst werden (Art. 14 Abs. 1 SchlT). Bei der Vormundschaftsbehörde und später bei der Anpassung durch die KESB war die Verzichterklärung offenbar kein Thema. Um was für einen Vorgang es sich hier handelt, das wäre abzuklären. Es könnte sich um eine Schenkung oder eine Ausschlagung handeln.

Nach Art. 403 ZGB bzw. 392 Ziff. 2 aArt. ZGB entfallen bei Interessenkollision von Gesetzes wegen die Befugnisse der Beiständin in der entsprechenden Angelegenheit. Die Mutter konnte deshalb die Verzichterklärung, die ihr zugunsten kam, nicht unterzeichnen. Weiter ist zu beachten, dass die Beiständin nach Art. 412 ZGB bzw. 408 aZGB in Vertretung der Tochter keine Schenkungen vornehmen durfte; solche Geschäfte sind verboten.

Die Verzichterklärung ist somit nichtig, was zur Folge hat, dass die Erbengemeinschaft (zumindest) zwischen Tochter und Mutter weiterhin besteht.

Wenn die Mutter als Beiständin nicht mehr geeignet ist, sei es auch nur für den finanziellen Teil (Vermögenssorge), muss reagiert werden. Auf den „nichtigen Verzicht“ kann dabei keine Rücksicht genommen werden, geht es doch um das Wohl und die Wahrung der Interessen der 40jährigen Frau.

Die KESB muss die Rechtssituation abzuklären. Ich bin der Meinung, dass die KESB über den Verzichtvorgang informiert werden muss, damit die Sache bereinigt werden kann. Es stellen sich haftungsrechtliche Fragen des alten Vormundschaftsrechts. Der Beiständin kann das „jederzeit um die Ohren fliegen“, z.B. ist auch damit zu rechnen, dass eine neue Beiständin auf diesen Vorgang stossen würde.

Wenn die finanzielle Unterstützung durch die Mutter dem Erbanteil der Tochter in etwas entsprochen hat, so wie Sie annehmen, „dass die Mutter als Beiständin das meiste von diesem geerbtem Geld in den letzten 12 Jahren für die Tochter verwendet hat.“, dann dürfte sie kaum etwas zu befürchten haben. Das muss aber abgeklärt werden.

Die KESB hat nach Art. 400 Abs. 3 ZGB dafür zu sorgen, dass die Mutter als Beiständin die erforderliche Instruktion, Beratung und Unterstützung erhält. Es wäre auch denkbar, das ein Geschwister als zweite Beistandsperson (und als "designierte" Nachfolgebeiständin) für die Finanzen eingesetzt würde.

Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich

Luzern, 4. März 2021

Karin Anderer