Guten Tag
Unserer Stelle liegt ein Sozialhilfegesuch vor, welches von einer Mutter ist, welcher im April ihr Kind geboren hat. Die Frau hat bis März 2022 Arbeitslosengeld bezogen, danach wurde sie krankgeschrieben und hat im April ihre Tochter geboren.
Sie hat vor längerem einen Antrag auf IV gestellt, dieser wurde im April abgelehnt, dagegen hat sie mit ihrem Anwalt Einsprache gemacht.
Bis heute liegt kein definitiver Entscheid vor. Wir haben ihr nahegelegt, dass sie Antrag auf Mutterschaftsentschädigung stellen soll. Diese ist laut unserem Verständnis der Sozialhilfe vorrängig.
Laut Auskunft der Sachbearbeiterin der Mutterschafsversicherung, hat unsere Klientin keinen Anspruch auf Mutterschaftstentschädigung, weil das Arbeitslosentaggeld nicht aufgrund von einem versicherten Lohn, sondern einer Leistung einer Massnahme der IV gesprochen wurde. Sollte die IV aber die Rente sprechen, hätte sie Anspruch auf die Leistung der Mutterschaftsversicherung .
Stimmt diese Aussage und muss die Sozialhilfe nun für den Lebensunterhalt aufkommen und wenn ja wo ist hier die Rechtsgrundlagen? Leider können wir diese nicht finden.
Frage beantwortet am
Daniel Schilliger
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag und danke für Ihre Anfrage.
Eine Mutter, die im Zeitpunkt der Geburt arbeitslos ist oder infolge Arbeitslosigkeit die erforderliche Mindesterwerbsdauer von fünf Monaten nicht erfüllt, hat Anspruch auf die Entschädigung, wenn sie bis zur Geburt ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung bezog; oder am Tag der Geburt die für den Bezug eines Taggeldes nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz erforderliche Beitragsdauer erfüllt (Art. 29 EOV).
Die Mutter ist im Zeitpunkt der Geburt arbeitslos. Die Frage ist also, ob sie bis zum Zeitpunkt der Geburt Arbeitslosentaggeld bezog. Da gemäss Art. 28 AVIG die ALV auch bei einer Arbeitsunfähigkeit für einen begrenzten Zeitraum Taggelder ausrichten kann, könnte dieses Kriterium erfüllt sein. Das ist auf der Taggeldabrechnung der ALK ersichtlich.
Wurden die Arbeitslosentaggelder wegen Karenzfrist oder aus anderen Gründen nicht bis zur Geburt des Kindes ausgerichtet, entsteht der Anspruch auf die Entschädigung, wenn die Taggelder bis zur Geburt nicht ausgeschöpft wurden und im Zeitpunkt der Geburt eine Rahmenfrist offen ist (Kreisschreiben über die Mutter- und Vaterschaftsentschädigung, RZ 1105). Es besteht also kein Anspruch, wenn die Taggelder vor der Geburt ausgeschöpft wurden. Auf der Taggeldabrechnung ist ersichtlich, ob die Rahmenfrist bis nach der Geburt läuft und noch Taggelder bezogen werden können.
Das Bundesgericht konkretisiert diese Bestimmung in BGE 136 V 239: Ein Anspruch soll auch dann bestehen, wenn ohne Bezug von Arbeitslosenentschädigung im Zeitpunkt der Geburt eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug eröffnet ist, unabhängig davon, ob unmittelbar vor der Niederkunft Arbeitslosenentschädigung bezogen wird, oder wenn unmittelbar vor oder unmittelbar nach der Niederkunft eine nach dem AVIG genügende Beitragszeit nachgewiesen ist oder ein Grund für die Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit vorliegt.
Ich gehe davon aus, dass obgenannte Bedingungen erfüllt sind und sie also Anspruch hat.
Offenbar hat die Klientin vor der Arbeitslosigkeit an einer IV-Massnahme teilgenommen und dabei IV-Taggelder erhalten. Taggelder der IV sind ALV-beitragspflichtig, wenn die betroffene Person vor dem Leistungsbezug Arbeitnehmerin war. Die Taggelder der IV sind in der Regel also ganz normale Beitragszeit (KS-ALE B24). Sie gelten in diesem Fall zudem als versicherter Verdienst der ALV auf dem die Taggeldhöhe (70% oder 80%) beruht (KS-ALE C4).
Da es sich vorliegend um eine Umschulung handelt, gehe ich davon aus, dass die Klientin vor dem IV-Taggeld-Bezug Arbeitnehmern war, also ALV-Beiträge entrichtete und somit die Beitragszeit bei der ALV ganz normal erfüllte.
Wenn die IV-Taggelder hingegen nicht der ALV-Beitragspflicht unterstanden und auch nicht genügend Beiträge aus anderen Tätigkeiten vorliegen, hatte sie wohl einen Beitragsbefreiungsgrund gehabt. Auf der Taggeldabrechnung ist die Beitragsbefreiung dadurch ersichtlich, dass sie dann nur gesamthaft 90 Taggelder beanspruchen dürfte. Auch dann besteht aber in Anspruch auf MuE, wenn die Taggelder vor der Geburt nicht ausgeschöpft wurden und die Rahmenfrist weiterläuft.
Zusammenfassend ist die Begründung der MuV für mich so nicht nachvollziehbar. Sollte die MuV an der Ablehnung festhalten, würde ich Ihnen empfehlen eine rechtlich fundierte Begründung (mit Verweisen auf Gesetzesartikel und Kreisschreiben) zu verlangen. Machen Sie wenn nötig rechtzeitig eine Einsprache.
Freundlicher Gruss
Daniel Schilliger