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Muss monatliche Pauschale wegen Überschreitung vom Vermögensfreibetrag zurückgezahlt werden?

Veröffentlicht:
13.11.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herrn
Ich bin Beistand von einem Ehepaar, welches im Altersheim lebt, WSH bezieht und von der Fürsorgebehörde eine monatliche Pauschale (Fr.255.00 pro Person) gemäss SKOS Richtlinien B2.5 bekommt. Das Paar lebt sehr sparsam und nun wurde der Vermögensfreibetrag von Fr. 4000.00 überschritten.
Darf die Fürsorgebehörde dieses Geld zurückfordern?
Herzlichen Dank für Ihre Antwort.
Martin Rühl

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag Herr Rühl
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Im Wesentlichen stellt sich die Frage, wie mit Vermögen umzugehen ist, das aus Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe angespart wurde. Den im Kanton Schwyz massgebenden rechtlichen Grundlagen (SHG und SHV) ist keine explizite Regelung zu dieser Thematik zu entnehmen, ebensowenig dem Schwyzer Handbuch zur Sozialhilfe. Auch war diese Frage nicht Gegenstand der Schwyzer Rechtsprechung.
Zu dieser Frage haben sich jedoch zwei andere kantonale Gerichte in unterschiedlicher Weise geäussert. Während das Verwaltungsgericht des Kantons Bern befand, dass angesparte Sozialhilfe über dem Vermögensfreibetrag bei der Bedürftigkeitsermittlung anzurechnen sei, kam das Züricher Verwaltungsgericht zum gegenteiligen Schluss. Das Bundesgericht hat sich zur Frage bislang nicht geäussert.
Im Zentrum des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern (Urteil Nr. 100.2010.164U vom 22.12.2010) stand Art. 30 Abs. 3 SHG BE, wonach eigene Mittel angemessen anzurechnen sind. Auf diesem Weg werden u.a. Eigenmittel mit affektivem Wert (konkretisiert in Art. 34 SHG) oder der Beitreibung entzogene Vermögenswerte der bedürftigen Person belassen. Auch die Einräumung eines Vermögensfreibetrages trägt der angemessenen Anrechnung von Eigenmitteln Rechnung. Im damals zu beurteilenden Fall wollte der betroffene Sozialhilfebezüger mit dem Angesparten u.a. ein Sportgerät sowie Rücklagen für die Steuern finanzieren. Das Verwaltungsgericht stellte in diesem Urteil klar, dass die Bildung von Ersparnissen aus bezogenen Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe zulässig sei, sofern diese nicht den Vermögensfreibetrag übersteigen (Erw. 4.2). Im Grundsatz sowie im konkreten Fall (Angespartes von rund Fr. 11'000) bejahte es auch, dass der den Vermögensfreibetrag übersteigende Teil als Vermögen anzurechnen sei (Erw. 4.3 f.). Es liess aber dabei offen, ob in Einzelfällen anders zu entscheiden wäre, soweit besondere Umstände gegen eine Anrechnung sprechen würden. Dabei könnte u.a. eine Ausnahme die beabsichtigte Vermögensverwendung darstellen. Es machte diesbezüglich keine näheren Ausführungen, wohl muss aber die beabsichtigte Vermögensverwendung vom Zweck her die unmittelbare Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips überwiegen.
Das Zürcher Verwaltungsgericht (VB.2009.00178 vom 2.6.2009) beurteilte den Fall einer Sozialhilfebezügerin, die mit der wirtschaftlichen Hilfe rund Fr. 15'000 als eine Art Rücklage angespart hatte. Das Zürcher Verwaltungsgericht gewichtete im konkreten Fall die Dispositionsfreiheit über die ausgerichtete wirtschaftliche Hilfe höher (Erw. 5 des betreffenden Urteils) als die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips gemäss § 2 Abs. 2 SHG ZH. Es hielt fest, dass es aufgrund der Dispositionsfreiheit den Bezügern von wirtschaftlicher Hilfe freigestellt sei, wofür sie den pauschalisierten Grundbedarf verwenden. So ist es auch ihnen überlassen, davon Ersparnisse zu bilden und insoweit auf den Konsum von Gütern zu verzichten, um damit auf mittlere oder längere Sicht besondere Ausgaben zu tätigen. Damit kam das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass die Einstellung der wirtschaftlichen Hilfe aufgrund des Vermögens nicht zulässig sei. Dennoch befand das Gericht, dass die Sozialhilfe beim Entscheid über künftig anfallende situationsbedingte Leistungen das Vermögen mit Blick auf die Angemessenheit miteinbeziehen darf.
Nach dem dargelegten Urteil des Berner Verwaltungsgerichts sind Ersparnisse aus der wirtschaftlichen Hilfe im Umfang des Vermögensfreibetrags zulässig. Darüber liegende Ersparnisse sind jedoch anzurechnen und vorrangig zur wirtschaftlichen Hilfe zu verbrauchen. Es besteht jedoch ein behördliches Ermessen, von der Anrechnung abzusehen, wenn sachliche, wohl der Zielsetzung der Sozialhilfe dienende Gründe gegeben sind. Demgegenüber gewichtet das Zürcher Verwaltungsgericht die Dispositionsfreiheit höher und lehnt gestützt darauf die Anrechnung von angespartem Vermögen ab, soweit es um die Frage der Bedürftigkeit geht. Es liess jedoch durchblicken, dass in Bezug auf situationsbedingte Leistungen eine Verwendung des Angesparten geprüft werden dürfe. Dabei hielt es nicht fest, in welchem Umfang dies zulässig sei. Nach der hier vertretenen Auffassung bildet der Vermögensfreibetrag die Grenze für die Verwendung.
Der Kanton Schwyz kennt vergleichbare Subsidiaritätsregelung (§§ 2 und 15 SHG und § 6 SHV) wie die Kantone Bern und Zürich, auch verweist er für die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe auf die SKOS-Richtlinien (§ 4 Abs. 2 SHV), womit auch im Kanton Schwyz der Vermögensfreibetrag zur Anwendung gelangt und die Dispositionsfreiheit bezüglich des Grundbedarfs gilt. Je nachdem, welche Prinzip man höher gewichtet, kommt man zu einem anderen Ergebnis. Aufgrund der offenen Rechtslage im Kanton Schwyz und der unterschiedlichen Handhabung in den genannten zwei Kantonen empfehle ich Ihnen, die Sozialhilfe über das angesparte Vermögen zu orientieren und um eine Beurteilung der Sachlage zu ersuchen. Dabei ist es Ihnen unbenommen, für die günstigere Variante zu plädieren. Bestimmt die Behörde, dass angespartes Vermögen bei der Bedürftigkeitsermittlung zu berücksichtigen ist und verfügt sie gestützt darauf eine (Teil-)Einstellung, unter Umständen gar eine Rückerstattung, ist es Ihnen unbenommen, diesen Entscheid überprüfen zu lassen.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort eine Basis für das weitere Vorgehen gegeben haben.
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder