Mein Klient hat am 1. Oktober 2021 ein neues Arbeitsverhältnis als Pizzakurier gestartet. Ende Oktober hatte er mit dem Geschäftsauto einen Unfall. Er ist auf der Strasse wegen Glatteis ins Rutschen gekommen. Am Auto sind Schäden von CHF 1'400 entstanden. Zudem wurde die Polizei aufgeboten. Gemäss der Polizei waren beim Auto noch Sommerpneu montiert, was vermutlich die Ursache des Unfalls ist. Gemäss der Polizei wird er eine Busse erhalten oder vielleicht sogar den Führerausweis verlieren.
Der Arbeitgeber hat vom Klienten verlangt, dass er das Auto in die Reparatur bringt und die Kosten übernimmt. Meine Fragen sind nun:
1. Muss mein Klient die Reparaturkosten bezahlen?
2. Mein Klient hat die Reparaturkosten bereits bezahlt. Wie muss er vorgehen, wenn er de Kosten wieder zurückverlangen muss?
3. Muss er das Bussgeld bezahlen? Schliesslich kann er nicht vor jeder Fahrt einen General-Check vom Auto machen, sondern muss annehmen, dass alles korrekt ist beim Auto.
4. Wie muss mein Klient vorgehen, wenn die Busse und die Rechnung auf seinen Namen ausgestellt wurden, damit er nicht betrieben wird?
5. Kann der Arbeitgeber dem Klienten eine Kündigung ausstellen, wenn er Aufgrund dieses Unfalls seinen Führerschein verliert oder entzogen bekommt, wenn die Ursache die Sommerpneus sind, welche der Arbeitgeber noch nicht gewechselt hat beim Auto?
Danke für Ihre Rückmeldung!
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Guten Tag
Gerne beantwort ich IHre Fragen wie folgt:
Mein Klient hat am 1. Oktober 2021 ein neues Arbeitsverhältnis als Pizzakurier gestartet. Ende Oktober hatte er mit dem Geschäftsauto einen Unfall. Er ist auf der Strasse wegen Glatteis ins Rutschen gekommen. Am Auto sind Schäden von CHF 1'400 entstanden. Zudem wurde die Polizei aufgeboten. Gemäss der Polizei waren beim Auto noch Sommerpneu montiert, was vermutlich die Ursache des Unfalls ist. Gemäss der Polizei wird er eine Busse erhalten oder vielleicht sogar den Führerausweis verlieren.
Der Arbeitgeber hat vom Klienten verlangt, dass er das Auto in die Reparatur bringt und die Kosten übernimmt. Meine Fragen sind nun:
Art. 321e Abs. 1 OR hält fest, dass der Arbeitnehmer für den Schaden verantwortlich ist, den er absichtlich oder fahrlässig dem Arbeitgeber zufügt. Persönlich haftet der Arbeitnehmer somit grundsätzlich für jeden Schaden, unabhängig davon, warum und wie er ihn verursacht hat.
Zu beachten ist auch Art. 321e Abs. 2 OR: Das Mass der Sorgfalt, für die der Arbeitnehmer einzustehen hat, bestimmt sich nach dem einzelnen Arbeitsverhältnis, unter Berücksichtigung des Berufsrisikos, des Bildungsgrades oder der Fachkenntnisse, die zu der Arbeit verlangt werden, sowie der Fähigkeiten und Eigenschaften des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber gekannt hat oder hätte kennen sollen.
Nach Gerichtspraxis und Lehre muss der Arbeitnehmer bei lediglich leichter Fahrlässigkeit nicht oder lediglich für einen kleinen Teil des Schadens aufkommen. Wenn jedoch der Arbeitnehmer elementare Vorsichtspflichten ausser Acht gelassen hat, liegt grobe Fahrlässigkeit vor und der Anteil des Schadens, den der Arbeitnehmer übernehmen muss, wird höher. Bei Absicht muss der Arbeitnehmer ohnehin den ganzen Schaden übernehmen. Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist dem Arbeitnehmer ein höherer Schadenanteil zuzumuten. Aus der Rechtsprechung lässt sich im Allgemeinen die folgende Regel ableiten:
Leicht fahrlässig verursachte Schäden = der Arbeitnehmer haftet ein Arbeitnehmer in der Regel mit maximal einem Monatslohn;
Mittlere Fahrlässigkeit = maximal zwei Monatslöhne
Grobe Fahrlässig und Absicht = der gesamte Schaden muss vom Arbeitnehmer getragen werden.
Bei Unfällen mit dem Geschäftsauto ist zu berücksichtigen, dass hier ein erhöhtes Berufsrisiko vorliegt, was zu einer Haftungsmilderung führt.
Aufgrund der von Ihnen geschilderten Umstände liegt vorliegend allerhöchstens leichte Fahrlässigkeit vor (Ihr Klient hätte als Kurierfahrer wohl prüfen müssen, ob Sommerpneus oder Winterpneus montiert waren). Ein Mitverschulden des Arbeitgebers (es ist ja sein Geschäftsauto und er ist an sich für die Wartung auch verantwortlich) ist jedoch auch nicht von der Hand zu weisen. Um die Frage konkret beurteilen zu können, müsste abgeklärt werden, welche Abmachungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer i.S. Verantwortlichkeit für das Auto getroffen wurden.
2. Mein Klient hat die Reparaturkosten bereits bezahlt. Wie muss er vorgehen, wenn er die Kosten wieder zurückverlangen muss?
Er muss dem Arbeitgeber die Kosten in Rechnung stellen, ggf. nicht in vollem Umfang (je nach vom Arbeitnehmer zu tragenden Anteil).
3. Muss er das Bussgeld bezahlen? Schliesslich kann er nicht vor jeder Fahrt einen General-Check vom Auto machen, sondern muss annehmen, dass alles korrekt ist beim Auto.
Auch hier verweise ich auf die Antwort zur ersten Frage. Es kommt darauf an, welche Abmachungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinsichtlich Verantwortlichkeit über den Zustand des Autos getroffen wurden.
4. Wie muss mein Klient vorgehen, wenn die Busse und die Rechnung auf seinen Namen ausgestellt wurden, damit er nicht betrieben wird?
Wenn ich sie richtig verstanden habe, wurde die Rechnung bereits bezahlt. Zur Busse: Ich bin kein Spezialist i.S. Strassenverkehrsgesetz und Verordnung. Nach meinem Wissen können aber sowohl der Halter als auch der Fahrer für ein Fehlverhalten (falsche Pneus) gebüsst werden. Das trifft insbesondere auch zu, wenn wegen falscher Pneus ein Unfall entstand und allenfalls sogar ein Führerausweisentzug droht.
5. Kann der Arbeitgeber dem Klienten eine Kündigung ausstellen, wenn er Aufgrund dieses Unfalls seinen Führerschein verliert oder entzogen bekommt, wenn die Ursache die Sommerpneus sind, welche der Arbeitgeber noch nicht gewechselt hat beim Auto?
Wiederum kommt es auf die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer an i.S. Verantwortlichkeit für das Fahrzeug. Wenn der Fahrer als Verantwortlicher für den Zustand des Autos bezeichnet werden kann, dann wäre eine Kündigung, ggf. sogar fristlos, zulässig. Wenn jedoch keine klare diesbezügliche Abmachung besteht oder vielmehr der Arbeitgeber als Verantwortlicher für den Zustand des Autos bezeichnet werden müsste, dann ist die Rechtslage anders. Eine Kündigung wäre missbräuchlich. Während der Zeit des Frührerausweisentzuges müsste der Arbeitgeber zudem den Lohn dennoch bezahlen, dürfte dafür dem Arbeitnehmer allerdings auch eine andere Arbeit zuweisen.
Zusammenfassende Empfehlung: Schauen Sie im Arbeitsvertrag und in allfälligen Betriebsreglementen nach, was bezüglich Verantwortung für den Zustand des Geschäftsautos vereinbar wurde. Falls nicht Schriftliches vorhanden ist: Bestanden mündliche Abmachungen? Falls nicht, wie wird die Verantwortlichkeit für die Firmenautos in vergleichbaren Betrieben gehandhabt? Wenn Sie diese INformationen beschafft haben, kann ich gerne erneut eine rechtliche Beurteilung vornehmen.
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen - Kurt Pärli
Danke für die Antwort. Im Arbeitsvertrag ist nichts ersichtlich. Mündliche Abmachungen bestehen soweit ich weiss nicht. Ein Vergleich mit anderen Betrieben ist schwierig.
Aus Ihren Schilderungen gehe ich davon aus, dass es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt (Sommerpneu, Glatteis, Berufsrisiko) und somit der Arbeitgebende für die Kosten aufkommen muss. Denn Fall mit dem Glatteis habe ich auch bei KTipp gefunden (Zahlt der Betrieb meine Unfallkosten? - Artikel - ktipp.ch).
Meine weiterführende Frage nun: Wie muss mein Klient rechtlich korrekt vorgehen, damit der Arbeitgebende für die Kosten aufkommen muss? Und wie kann mein Klient die bereits bezahlten Schäden dem Arbeitgebenden in Rechnung stellen, damit er es, falls der Arbeitgebende das nicht bezahlt, zurückfordern?
Danke für die Bearbietung.
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Guten Tag
gerne nehme ich zu Ihrer Zusatzfrage wie folgt Stellung:
Wenn aufgrund der Rechtslage und angesichts der nicht ausdrücklichen Zuweisung der Verantwortung für den korrekten Zustand der Fahrzeuge durch die Arbeitgeberin davon auszugehen ist, dass sich der Arbeitnehmer nicht an den Kosten beteiligen muss, dann handelt es sich bei den Reperaturkosten um Spesen, die dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes entstanden sind und die gemäss Art. 327a Abs. 1 OR vom Arbeitgeber zu bezahlen sind.
Ihr Klient soll also dem Arbeitgeber die entstandenen Kosten unter dem Titel "Spesen" in Rechnung stellen.
Das gerade Geschriebene gilt dem Grundsatz nach auch für die Busse. Ihr Klient muss indes gegenüber dem Staat, der ihm gegenüber ja die Busse ausspricht, für die Bezahlung der Busse sorgen. Die entstandenen Kosten jedoch sind gleich wie die Reperaturkosten Spesen des Arbeitnehmers und können in Rechnung gestellt werden.
Zu guter Letzt noch ein Hinweis: So eindeutig ist die Rechtslage nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Gericht ggf. auch dem Arbeitnehmer einen Teil der Kosten zuweisen würde. Vor diesem Hintergrund macht es sicher Sinn, erst einmal dem Arbeitgeber die ganze Summe in Rechnung zustellen. Sollte dieser jedoch ein Angebot machen, z.b. Übernahme der Hälfte, dürfte sicher "nachverhandelt" werden, aber mit der Übernahme von drei Vierteln der Kosten durch die Arbeitgeberin wäre dem Arbeitnehmer anstelle eines womöglichen langen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang auch gedient. Zudem besteht immer die Gefahr, dass am Ende einer Auseinandersetzung um solche Kostenübernahme die Auflösung des Arbeitsverhältnisses steht, was angesichts des eher schwachen Kündigungsschutzes in der Schweiz wiederum nicht im Interesse des Arbeitnehmers liegt.
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli