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Muss der Klient für die Fachbegleitung einer Klinik während einer FU aufkommen?

Veröffentlicht:
08.11.2022
Kanton:
Zürich
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Wir haben einen Klienten mit einem frühkindlichen Autismus sowie einer nicht näher bezeichneten Intelligenzminderung und einer somatisch nicht näher bezeichneten Epilepsie. Er zeigt ein stark selbstverletzendes (Kopf gegen die Wand schlagen) sowie teils fremdagressives Verhalten und hat nie sprechen gelernt. Da die Betreuung sehr herausfordernd ist und er auf ein spezielles Setting angewiesen ist, wurde er über mehrere Monate von einer Klinik in die nächste gebracht (jeweils ca. 6 Wochen an einem Ort), zur Entlastung des Personals. Während der gesamten Zeit bestand eine FU.

Klinik A zog für seine Betreuung einen Sicherheitsdienst sowie eine Fachbegleitung/-beratung bei. Während dem Aufenthalt in Klinik B waren keine ergänzenden Unterstützungsangebote notwendig.

Klinik A stellt nun die Zusatzkosten für die Betreuung dem Klienten in Rechnung. Die Kosten für den Sicherheitsdienst wurden von der Sozialhilfe bewilligt, die Kosten für die Fachbegleitung (ca. Fr. 12'000) wurden abgelehnt. Die Ablehnung wurde der Klinik im Vorfeld mitgeteilt.

Klinik A hat den Klienten nun betrieben, wir haben Rechtsvorschlag erhoben und nun geht es um die Rechtsklärung.

Unsere Position ist die, dass die Klinik zuständig ist für die Betreuung von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Welche Mittel für die Betreuung nötig sind, ist der Klinik überlassen. Da es in Klinik B ohne externe Unterstützung funktioniert hat, scheint der Bedarf durch die strukturellen Begebenheiten begründet zu sein. Diese Kosten dem Klienten aufzuerlegen empfinden wir als problematisch, da er eine FU hatte, die Verlegungen personeller Natur waren und er den Klinikstandort nicht selber wählen konnte.

Wir sind uns aber rechtlich nicht sicher, wer diese Kosten im Endeffekt wirklich zu übernehmen hat, resp. auf welche gesetzliche Grundlage wir uns stützen können.

Frage beantwortet am

Urs Vogel

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Erwägungen

Eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, darf in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann (Art. 426 Abs. 1 ZGB). Gemäss Sachverhalt befand sich die betreffende Person gestützt auf eine rechtskräftige Entscheidung mittels FU in den verschiedenen Kliniken. Gemäss § 32 Abs. 1 EG KESR ist für eine Verlegung einer untergebrachten Person in eine andere Einrichtung kein neues Einweisungsverfahren erforderlich, zuständig für den Entscheid der Verlegung ist diejenige Instanz, die für die Entlassung zuständig ist.

Das Bundesrecht äussert sich nicht dazu, wer die Kosten einer fürsorgerischen Unterbringung zu tragen hat. Diese Frage beurteilt sich vielmehr aufgrund des kantonalen Rechts (BGer 5A 757/2018 vom 20. Mai 2019 E. 2.1 m.w.H.). Im EG KESR ZH wird in § 19 generell die Kostentragung von Massnahmen geregelt. § 19 lautet wie folgt: Die Kostentragung bei Massnahmen, welche die KESB oder eine Ärztin oder ein Arzt gemäss § 27 angeordnet hat, richtet sich nach Art. 276, 289, 293, 328 und 329 ZGB sowie nach den Bestimmungen des Sozialhilfegesetzes vom 14. Juni 1981. Weitere Bestimmungen in anderen Gesetzen bleiben vorbehalten. Die KESB oder die Ärzteschaft entscheidet bei einer fürsorgerischen Unterbringung, welches die geeignete Unterbringungsform ist und damit auch welche Kosten damit verbunden sind. Der betroffenen Person steht der Rechtsweg offen, wenn sie mit der Unterbringung nicht einverstanden ist.

Eine Kostentragung nach den Artikeln 276, 289 und 293 ZGB scheidet zum vornherein aus, da es sich nicht um eine Kindes- sondern eine Erwachsenenschutzmassnahme handelt. Grundsätzlich richtet sich somit die Kostenübernahme, soweit keine Verwandtenunterstützung in Frage kommt (Art. 328 und 329 ZGB), nach den Regen der Sozialhilfe.

Es stellt sich aber die Frage, welche Kosten im Rahmen einer, auf einer fürsorgerischer Unterbringung beruhenden Betreuung in einer psychiatrischen Klinik neben der Abrechnung über das KVG auf den Klienten respektive das Gemeinwesen überwälzt werden können. In der Taxordnung der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (TO PUK), die auch auf Personen unter fürsorgerischer Unterbringung anzuwenden ist (§ 2 Abs. 1 TO PUK), wird z.B. festgehalten, dass Zusatzkosten zu den Grundkosten nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen zu erheben sind und verrechnet werden können (siehe dazu §§ 10 ff. TO PUK). Was nun genau in der Grundtaxe enthalten ist, wäre über die Gesundheitsdirektion in Erfahrung zu bringen und lässt sich aus der Tarifordnung nicht herauslesen. Vorliegend ist nicht bekannt, um was für eine Klinik es sich im konkreten Fall handelt und was für eine Tarifordnung allenfalls anzuwenden ist.

Gemäss Sachverhalt wurde aber vor dem Übertritt der betroffenen Person in die entsprechende Klinik A bereits im Vorfeld der Klinik A mitgeteilt, dass lediglich die Sicherheitskosten, nicht aber die spezielle Fachbegleitung durch die Sozialhilfe finanziert würde. Wieso sich die Klinik A dennoch bereit erklärte, den Klienten aufzunehmen, ist nicht nachvollziehbar, es sei denn, dass eine Aufnahmepflicht bestanden hat. Jedenfalls hat die KESB oder die Ärzteschaft (je nachdem wer für die Verlegung zuständig zeichnete), die Verlegung explizit verfügt und damit das zuständige Gemeinwesen verpflichtet, die Sicherung der Umsetzung der erwachsenenschutzrechtlichen Massnahme analog wie im Kindesschutz zu garantieren und die entsprechenden Kosten subsidiär zu übernehmen (für den Kindesschutz siehe dazu BGE 135 V 134). Somit wäre der Streit bezüglich der Übernahme dieser Fachbegleitungskosten zwischen der Klinik und der Gemeinde auszutragen und, soweit die Zusatzkosten tatsächlich berechtigt erhoben wurden, von der Gemeinde dann von der betroffenen Person zurückzufordern, soweit nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen die betroffene Person leistungsfähig wäre.

Ich würde Ihnen raten, sich bei der Aufsichtsinstanz der Klinik (wohl die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich) betreffend der Frage der Zusatzkosten (was ist in den Grundtaxen enthalten, was sind zusätzliche Leistungen, die der betroffenen Person werden können) zu erkundigen. Soweit Sie als Beiständin für die betroffene Person eingesetzt sind, ist zudem die Instruktion der KESB einzuholen, respektive die Prozessführungsbefugnis nach Art. 416 Abs. 1 Ziff. 9 ZGB (allenfalls mit Substitutionsbefugnis), sollte es zu einem Rechtsöffnungsverfahren kommen und die betroffene Person nicht in der Lage ist, Ihnen diese Zustimmung zu erteilen (Art. 416 Abs. 2 ZGB).

Kulmerau, 14.11.2022/Urs Vogel

Guten Tag zusammen

Zur Vervollständigung der Fragestellung/Beantwortung halte ich hier noch die Antwort der Gesundheitsdirektion zur Information fest. Es haben sich keine weiteren Fragen daraus ergeben. 
 

"Wir beziehen uns auf Ihre Anfrage betr. die Ihrem Klienten von der PUK in Rechnung gestellten Leistungen.

Vorab halten wir fest, dass die Beurteilung Ihrer Fragen im Streitfalle nicht in die Zuständigkeit der Gesundheitsdirektion bzw. des Amts für Gesundheit fällt und unsere Antwort somit nicht rechtsverbindlich sein kann. Immerhin können wir Folgendes festhalten:

Gemäss Ihrer Anfrage bzw. den Unterlagen, die Sie uns diesbezüglich zur Verfügung gestellt haben, befand sich Ihr Klient zwischen dem (...) in stationärer Behandlung in der PUK.

Die dabei erfolgten Behandlungen wurden der PUK den relevanten Fallpauschalen entsprechend jeweils vergütet.

Darüber hinaus macht die PUK Leistungen der (...)  gegenüber Ihrem Klienten als sog. "Fachunterstützung" geltend, die nach der Auffassung der PUK nicht von der OKP gedeckt seien und daher vom Patienten getragen werden müssten (Verfügung der PUK vom (...).

Begründet wird ein Bedarf an einer solchen Fachunterstützung von der PUK zusammenfassend damit, dass es den Mitarbeitenden der PUK am Fachwissen und der klinischen Erfahrung im Umgang mit den Krankheitsbildern des Patienten fehle, wobei es hierfür in der Schweiz nur wenige spezialisierte Zentren gebe (Schreiben der PUK (...).

Für Behandlungen zu Lasten der OKP gilt nach Art. 44 Abs. 1 KVG grundsätzlich der sog. Tarifschutz, wonach Leistungserbringer den Patientinnen und Patienten bzw. deren Krankenversicherern keine über den vertraglich oder behördlich festgelegten Tarif hinausgehende Vergütungen in Rechnung stellen dürfen.

Bei der PUK handelt es sich um ein auf der Spitalliste Psychiatrie des Kantons Zürich aufgeführtes Listenspital mit integralem Leistungsauftrag. Dieser umfasst u.a. auch Leistungen bezüglich der vorliegend geltend gemachten Diagnose der Kategorie F7 (vgl. Rückforderungsbeleg der PUK 110 6151077972 vom 26. Juli 2022). Aus dem Leistungsauftrag ergibt sich bereits die Pflicht des Spitals, u.a. über die für die Leistungserbringung notwendigen Ressourcen zu verfügen. Entgegen der Auffassung der PUK handelt es sich unserer Ansicht nach bei den Leistungen der (...) nicht um eine Zusatz- oder Mehrleistung, zumal die PUK selber darlegt, sie hätte ihre Pflichtleistung der OKP im Sinne ihres Leistungsauftrags ohne die Unterstützung des Unternehmens nicht erbringen können. Eine Zusatzleistung wäre hingegen gerade nicht Bestandteil einer KVG-Pflichtleistung. Soweit die PUK in ihrer Verfügung vom (...) von einer Nicht-Pflichtleistung ausgeht, widerspricht sie sich selbst, in dem sie oben genannten Rückforderungsbeleg mit dem Hinweis auf die Pflichtleistung für Diagnosen F7 ausgestellt hat.

Da für die Leistungen der PUK Fallpauschalen i.S.v. Art. 49 Abs. 1 KVG vereinbart wurden, mit denen die gesamte Behandlung bzw. sämtliche Ansprüche des Spitals grundsätzlich abgegolten wird bzw. werden (Abs. 5), besteht vorliegend keine Rechtsgrundlage für die Erhebung von Zusatz- oder Mehrleistungen. Die Inrechnungstellung einer allfälligen Zusatz- oder Mehrleistung zu Lasten des Patienten hätte ohnehin eine entsprechende vorgängige (wirtschaftliche) Aufklärung über die «persönlich zu übernehmenden voraussichtlichen Kosten»  (§ 7 Abs. 1 lit. c Patientinnen- und Patientengesetz; PatG) und die diesbezügliche Einwilligung des Patienten bzw. dessen Beiständin erfordert (vgl. auch § 13 Abs. 2 lit. b PatG).

Entsprechend ist die von der PUK Ihrem Klienten in Rechnung gestellte Leistung unseres Erachtens nicht rechtmässig, weshalb wir Ihnen empfehlen die Verfügung anzufechten, sofern die PUK nicht gestützt auf unsere Auskunft einlenken sollte."

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Grüezi

Besten Dank für die Information, es hat sich gelohnt, bei der GD nachzufragen.

Freundliche Grüsse

Karin Anderer