Sehr geehrte Damen und Herren
Aktuell unterstützen wir eine junge Frau, 20 Jahre alt, aktuell Aufenthalt samt interner Tagesstruktur in einer Institution in Bern. Aktuell in keiner Ausbildung, Ausbildungsplan noch nicht klar. IV ist in Prüfung. Mutter und Vater leben getrennt. Die Mutter ist nur bereit etwas an den Unterhalt zu bezahlen, sobald sich ihre Tochter wieder in der Ausbildung befindet (nur ein Ausbildungsplan sei für sie nicht ausreichend). Der Vater wäre auch jetzt schon bereit etwas zu bezahlen, jedoch nur, wenn auch die Mutter bereits jetzt etwas bezahlen würde.
Wie gehen wir nun am besten vor? Besteht aktuell eine Unterhaltspflicht der Eltern?
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Noelle Schneeberger
Frage beantwortet am
Anja Loosli Brendebach
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Schneeberger
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:
In Art. 24 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Appenzell Ausserroden (SHG AR, BGS 851.1) ist in Abs. 1 festgehalten, dass sich die Unterstützungspflicht der Verwandten von hilfsbedürftigen Personen nach den Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB, SR 210) richtet. Die Unterhaltspflicht der Eltern bleibt vorbehalten. Nach Abs. 2 haben die Sozialhilfeorgane der Gemeinden bei jedem Unterstützugsfall zu prüfen, ob unterstützungspflichtige Personen vorhanden sind und diese gegebenenfalls zu Leistungen aufzufordern. Kommt keine einvernehmliche Lösung zustande, hat das Zivilgericht zu entscheiden. (Art. 24 Abs. 3 SHG AR).Nach Art. 328 ZGB ist zur Unterstützung von Verwandten in auf- und absteigender Linie verpflichtet, wenn er in günstigen Verhältnissen lebt und die verwandte Person ohne die Unterstützung in Not geraten würde. Die Unterhaltspflicht der Eltern geht vor. Diese ist in Art. 276 ff. ZGB geregelt. Die Eltern sind danach bis zur Volljährigkeit unterhaltspflichtig, danach grundsätzlich noch, wenn das KInd in Ausbildung ist (Art. 277 ABs. 2 ZGB). Die SKOS-Richtlinien, welche in Art. 3 der Verordnung zum Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe (SHV AR, BGS 851.11) für anwendbar erklärt werden, geben in Kapitel F.4 zur Ermittlung und Berechnund der Höhe der Verwandtenunterstützungspflicht und in Kapitel F.3.3 zur elterlichen Unterhaltspflicht Auskunft. Es wird als sinnvoll erachtet, die Verwandtenunterstützung in gegenseitiger Absprache mit den Verwandten festzulegen
Dies bedeutet für den von Ihnen geschilderten Fall: Die junge Frau ist aktuell nicht in Ausblidung. Es ist deshalb die Verwandtenunterstützung Thema und es macht tatsächlich Sinn, sich mit den Eltern abzusprechen. Dies sieht auch Art. 24 SHG AR vor. Wenn sich nun aber ein Elternteil weigert zu bezahlen, obwohl dieses nach Ansicht der Sozialhilfe leistungspflichtig ist, hat das Zivilgericht zu entscheiden, d.h. es ist von der Sozialhilfe eine Klage auf Verwandtenunterstützung beim Zivilgericht einzureichen.
Aus dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt geht für mich nicht ganz klar hervor, ob die Eltern finanziell leistungsfähig sind. Sind sie dies nicht, kann tatsächlich nur einvernehmlich ein Verwandtenunterstützungsbeitrag erhältlich gemacht werden und der Sozialhilfe sind die Hände gebunden, wenn die Eltern nicht bezahlen wollen. Sind die Eltern finanziell dagegen leistungsfähig, kann und muss allenfalls eine Zivilklage eingereicht werden. In diesem Fall können auch die Verhandlungen anders gestaltet werden. Die Eltern können nämlich darauf hingewiesen werden, dass die Sozialhilfe eine Klage beim Zivilgericht einreicht, wenn keine einvernehmliche Lösung gefunden wird.
Sobald die junge Frau eine Ausbildung aufnimmt, ist die elternliche Unterhaltspflicht nach Art. 276 ff. ZGB zu prüfen, bei der bezüglich der finanziellen Leistungsfähigkeit geringere Voraussetzungen gegeben sind. Aber auch hier ist eine Klage beim Zivilgericht einzureichen, wenn die Eltern nicht bezahlen wollen.
Kurz: Die Eltern können bei gegebener finanzieller Leistungsfähigkeit nicht wählen, ob, wieviel und ab wann sie Leistungen erbringen wollen. Sie haben nach ihrer Leistungsfähigkeit und für maximal ein Jahr vor Klageerhebung Verwandtenunterstützungen zu erbringen (Art. 279 ZGB). Sind sie finanziell nicht leistungsfähig, kann nur auf freiwilliger Basis eine Zahlung vereinbart werden. In diesem Fall können die Eltern auch über den Zeitpunkt verhandeln.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelten zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach