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Möglichkeiten einer neuen Prüfung durch die IV trotz keines verschlechterten Gesundheitszustandes

Veröffentlicht:
20.10.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

In der Sozialhilfe bin ich zuständig für das Dossier einer Person, deren Antrag auf Leistungen der IV im Januar 2019 abgelehnt wurde. Im Abklärungsergebnis hält die IV fest, man habe festgestellt, dass die Klientin seit mehreren Monaten nicht mehr in fachärzlitcher Behandlung sei und dass keine Arbeitsunfähigkeit attestiert werde. Es wird ausgeführt, dass aufgrund der medizinischen Aktenlage kein invalidisierender Gesundheitsschaden festgestellt werden könne und ihr die bisherige Erwerbstätigkeit im bisherigen Umfang weiterhin möglich und zumutbar sei.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid wurde damals nicht erhoben.

Im Zusammenhang mit Depressionen und mit ihrer Persönlichkeitsstörung ist die Klientin allerdings bereits ca. 7 Jahren nicht mehr in der Lage, einer Tätigkeit im 1. Arbeitsmarkt nachzugehen und auch die zahlreichen sehr niederschwelligen und durch die Psychiatriespitex begleiteten Einstiegsversuche im lokalen Arbeitsintegrations- und Beschäftigungsprogramm gelangen aufgrund der ausgeprägten sozialen Ängste und des Vermeidungsverhaltens nicht. Der Zusammenhang zwischen der gesundheitlichen Situation der Klientin und ihrer fehlenden Möglichkeit der Wahrnehmung einer externen Tagesstruktur erscheint sehr deutlich. Die Klientin hat nun im Hinblick auf eine neue IV-Anmeldung wieder eine Therapie begonnen. Die neue Therapeutin hat dem Sozialdienst nachdrücklich davon abgeraten, die Klientin zur Teilnahme an einem Beschäftigungsprogramm zu verpflichten, da dadurch die gesundheitliche Situation der Klientin sehr wahrscheinlich stark destabilisiert würde. Im Rahmen der Sozialhilfe bin ich nun ratlos, welcher Handlungsspielraum überhaupt besteht.

Gemäss meiner Rückfrage bei der IV käme eine neue Prüfung eines Anspruchs auf Leistungen der IV nur in Frage, wenn sich die gesundheitliche Situation der Klientin verschlechtert hätte. Dies ist erfreulicherweise hier nicht der Fall und könnte demnach auch nicht ärztlich attestiert werden.
Gibt es nun nach einem ablehnenden IV-Entscheid nach Ablauf der Rechtsmittelfrist wirklich nur Chancen auf eine erneute Prüfung des Anspruchs, wenn es der Person schlechter geht als bei der ersten Anmeldung - auch wenn damals aufgrund der abgebrochenen Therapie gar nicht alle Aspekte der Situation eingehend berücksichtigt wurden? Können bei der IV nach einem rechtskräftig abgelehnten Leistungsbegehren wirklich keine Beweise mehr vorgebracht werden, dass aktuell ein invalidisierender Gesundheitsschaden vorliegt?

Ich bin gespannt auf Ihre Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag!

 

Auf eine Neuanmeldung muss eingetreten werden, wenn die Tatsachen erheblich und wesentlich geändert haben, und wo dies auch glaubhaft gemacht werden kann (vgl. Art. 17 ATSG, Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV und dazu BGE 130 V 66ff.).

 

Dies ist zum Beispiel bei Änderungen des Gesundheitszustandes der Fall (, Art.17 ATSG). Es kann aber auch der Fall sein, wenn ein anderer Faktor, der wesentlich war dafür, dass ein erstes Gesuch abgelehnt wurde, sich verändert hat. Wenn also zum Beispiel ein erstes Gesuch abgelehnt wurde, weil jemand sich nicht einer genügenden Behandlung unterzieht. Und wenn genügend belegt werden kann, dass jemand sich nun dieser Behandlung unterzieht (zu belegen mit Arztbericht etc.).

 

In einem solchen Fall muss der Sachverhalt wiederum umfassend und allseitig überprüft werden. Es können/müssen dann alle Faktoren neu überprüft werden, zu Gunsten oder zu Ungunsten des Klienten, ohne dass seine Bindung an die früheren Entscheide besteht. (Vgl. Urteil des BGer 9C_378/2014 vom 21.10.2014 und Urteil des BGer 8C_237/2014 vom 21.1.2015).

 

Vor der Neuanmeldung ist hier der damalige rechtskräftige IV-Entscheid und sind die entsprechenden Akten genau zu analysieren. Entscheidend ist, dass die zum ersten Entscheid veränderten Bedingungen nachhaltig und nicht vorübergehend sind. Das ist möglichst gut auszuweisen.

 

Dann muss auf ein neues Gesuch eingetreten werden. Wird dies verweigert, so müsste eine entsprechende Nichteintretensverfügung verlangt werden, oder eventuell eine Rechtsverweigerungsbeschwerde geprüft werden.

 

Schwieriger ist es, Aspekte einzubringen, die schon im ersten Fall hätten geprüft werden müssen. Hier ist nur ein Wiedererwägungsgesuch möglich (Art. 53 ATSG). Das wird aber meist restriktiv gehandhabt.

 

Ich hoffe, das dient Ihnen.

 

Peter Mösch Payot