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Mindestlohn Geschützte Werkstatt

Veröffentlicht:
19.03.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Ich wurde mit der Behauptung konfrontiert, eine Geschütze Werkstatt müsse einen Mindestlohn von Fr. 2.55/Stunde zahlen.

Im Bundesgerichtsurteil 9C_837/2015 Urteil vom 23. November 2016 werden zwar diese Fr. 2.55  (zu erwartender Leistungslohn) als ein Kriterium genannt, um eine Anrecht auf eine IV-Anlehre zu begründen.

Doch ist damit ja nicht gesagt, ob nach Absolvierung der Ausbildung auch ein solcher Lohn erreicht wird.

Ein Stundenlohn wir meistens über diesen Fr. 2.55 liegen, doch darf es je nach individueller Leistung/Ausdauer und den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Werkstatt auch tiefere Stundenlöhne geben.

Ist diese Ansicht korrekt?

freundliche grüsse,

Martin Blindow

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrter Herr Blindow

Hier gilt es zu unterscheiden:

a) Für eine Zusprache einer erstmaligen beruflichen Ausbildung im Sinne von Art. 16 Abs. 2 lit. a IVG besteht ein Anspruch auf Ersatz der Zusatzkosten zu einer üblichen beruflichen Ausbildung, wenn diese erstmalige Ausbildung geeignet und notwendig ist für die Vorbereitung auf eine Hilfstätigkeit oder eine Tätigkeit in einer geschützten Werkstätte. 

Wird die versicherte Person wegen der Invalidität in einer Ausbildungsstätte untergebracht, so übernimmt die  Versicherung auch die Kosten von Verpflegung und Unterkunft (Art. 5 Abs. 5 IVV).

Die entsprechenden Praxisausbildungen nach INSOS dauern in der Regel zwei Jahre (BGE 142 V 523; Rz. 3020.1 Kreisschreiben über die Eingliederungs,assnahmen beruflicher Art (KSBE; Stand 1.1.2020).

Die Massnahme muss im Sinne von Art. 8 IVG geeignet, notwendig und zumutbar sein. Dazu bedarf es auch einer gewissen Eingliederungswirksamkeit (BGE 142 V 523 E. 2.3). Dazu gehört auch, dass die Massnahme prognostisch eine Arbeitsleistung ermöglicht (in einer geschützten Werkstatt), die einem Leistungslohn von mindestens CHF 2.60 erwarten lässt (Rz 3010 KSBE).

b) Damit ist nichts darüber gesagt, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Bedingungen dann Tätigkeiten und Arbeitsleistungen in geschützten Werkstätten angeboten und ev. entlöhnt werden. 

Insoweit könnten die Kantone, welche nach IFEG diese Angebote mitfinanzieren, Vorgaben machen im kant. Recht. Das IFEG selber sieht in Art. 5 Abs. 1 lit. f IFEG nur vor, dass die Entlöhnung wirtschaftlich verwertbarer Tätigkeiten eine (neben anderen) Anerkennungsvoraussetungen durch die Kantone ist.

Im übrigen aber ist ein allfälliger Lohn zu bestimmen nach einem Arbeitsvertrag, der zwar den Rahmen des kantonalen Rechts zu beachten hat, ansonsten aber nach OR frei das Entgelt bestimmt. Die entsprechenden Löhne sind denn auch sehr unterschiedlich. Siehe der Bericht https://www.marchecomplementaire.ch/wp-content/uploads/2019/10/DEUTSCH_Kurzbericht_DEFINITIV_30092019.pdf

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot