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Mietzinsanteil bei Aufenthalt in Institution

Veröffentlicht:
12.09.2022
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Wir hatten einen Fall, bei dem eine volljährige Klientin in einer Insititution platziert war und die Wochenenden bei den Eltern verbrachte. Sowohl die volljährige Tochter als auch die Eltern wurden von uns mit wirtschaftlicher Sozialhilfe unterstützt. Die Tochter hat aufgrund ihres Aufenthaltsstatus keinen Anspruch auf eine IV Rente / EL. Es stellte sich in diesem Dossier die Frage, ob wir bei der volljährigen Tochter einen Mietzinsanteil im Budget berücksichtigen. Diese Frage stellt sich bei uns grundsätzlich: kann im Budget von volljährigen Personen, die in einer Institution platziert sind, ein Mietzinsanteil der Miete der Eltern im Budget berücksichtigt werden, wenn diese die Wochenenden regelmässig bei den Eltern verbringen? 

Besten Dank für Ihre Antwort.

Frage beantwortet am

Melanie Studer

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich gehe in meiner Antwort davon aus, dass die volljährige Klientin noch in die Kategorie der «jungen Erwachsenen» fällt, also noch nicht 25ig ist.

Grundsätzlich gilt bei jungen Erwachsenen ohne abgeschlossene Ausbildung, dass ihnen das Wohnen bei den Eltern zugemutet wird und anteilsmässige Wohnkosten nur dann angerechnet werden, wenn den Eltern die Übernahme der vollen Wohnkosten nicht zugemutet werden kann (SKOS-RL, C.4.2 Abs. 4 und 5; diese gelten für den vorliegenden Fall im Kanton Bern, da sich dem SHG Bern und der SHV Bern keine abweichenden Bestimmungen entnehmen lassen). In Ihrer Konstellation war es den Eltern offensichtlich nicht möglich, die vollen Wohnkosten zu tragen, da sie selber bedürftig sind. Somit ist im Grundsatz ein Mietzinsanteil im Budget der jungen Erwachsenen zu berücksichtigen.

Mit der Unterbringung in der Institution entsteht nun etwas ähnliches wie ein «doppelter» Wohnbedarf (vgl. Wizent Guido, Sozialhilferecht, Dike, Zürich/St. Gallen, 2020, N 960): da die Unterbringung in der Institution nur unter der Woche notwendig oder angezeigt ist, muss, bzw. darf, die Klientin am Wochenende ausserhalb der Institution wohnen. Diese Wohnkosten sind grundsätzlich zu übernehmen. Ansonsten würde sich eine meiner Meinung nach nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung ergeben und die Klientin – aufgrund ihrer Bedürftigkeit, bzw. der Bedürftigkeit der Eltern – gezwungen, auch die Wochenenden in der Institution zu verbringen, obwohl das Setting der Unterbringung dies gar nicht erfordert. Ich nehme an, mit der Möglichkeit, Wochenenden zu Hause zu verbringen, soll auch die Integration ins Familiensystem aufrechterhalten werden und somit die soziale Integration gefördert werden.

Ähnliche Ausführungen finden sich im BKSE-Handbuch unter dem Stichwort «Stationäre Aufenthalte», wonach der Sozialdienst die Situation bezüglich Miete bei Mehrpersonenhaushalten rechtzeitig zu thematisieren hat. Es ist dabei auch im Sinne des Individualisierungsprinzips die aktuelle und künftige Situation des Familiensystem zu berücksichtigen. Im von Ihnen geschilderten Fall könnte man zudem auch eine Analogie zu den Eltern mit Besuchsrechten ziehen, wo der Bedarf nach einer grösseren Wohnung ja unter Umständen auch nur an (einzelnen) Wochenenden besteht, aber dieser ebenfalls anzuerkennen ist (vgl. SKOS-RL C.4.2. Abs. 7).

Im Übrigen: auch wenn die Klientin nicht mehr «Junge Erwachsene» wäre, müsste es ihr durch die entsprechende Berücksichtigung von Wohnkosten, ermöglicht werden an den Wochenenden ausserhalb der Institution zu leben, sofern es das Setting der institutionellen Unterbringung nicht erfordert, dass sie die Wochenenden dort verbringt. Dort dürfte dann allerdings nicht mehr erwartet werden, dass die Person grundsätzlich bei den Eltern zu wohnen hat und dass diese die Wohnkosten übernehmen, falls sie dazu in der Lage sind.

Selbstverständlich wäre jeweils zu prüfen, ob nicht ein anderes Sicherungssystem – allenfalls auch Stiftungen – für die Kosten aufkommen könnte. Und ein letzter Hinweis: bei minderjährigen Klient*innen im Kanton Bern läuft die Finanzierung – je nach in Frage stehender Leistung - über das KFSG, in Ausnahmefällen auch bis zum 25. Altersjahr. (vgl. Art. 3 Abs. 2 KFSG)

Ich hoffe das hilft Ihnen weiter.

Beste Grüsse