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Mietzins

Veröffentlicht:
16.08.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag,
In unserem Einzugsgebiet wohnen mehrere, von uns mit Sozialhilfe unterstützte, Klienten beim gleichen Vermieter. Die Wohnungen sind in einem desolaten Zustand und der Mietpreis ist nach unserem Ermessen missbräuchlich. Die Mietverträge wurden teilweise überschrieben, die Regelung der Nebenkosten ist uneinheitlich. Nebenkostenabrechnungen erhielten wir bisher nicht. Ferner gab der Vermieter in einem Gespräch uns gegenüber an, dass im Mietzins auch eine gewisse Betreuungspauschale enthalten sei, weil er ja unseren Klienten helfe. Des Weiteren wurde mit einigen Mietern vereinbart, dass sie auf seinem landwirtschaftlichen Betrieb mithelfen. Teilweise existieren Arbeitsverträge ohne klare Arbeitsbedingungen oder Lohnangaben (z.B. gegen Kost). Dort wo ein Salär bezahlt wird liegt dieses weit unter den üblichen landwirtschaftlichen Entschädigungen.
Als Sofortmassnahme haben wir die Mietzinszahlungen an den Vermieter resp. die betroffenen Klienten gestoppt (ohne Zahlungen auf ein Sperrkonto). In einem zweiten Schritt führten wir ein Gespräch mit ihm und verlangten, dass er sämtliche Mieten anpasse. In einem Fall erhielten wir nun einen um Fr. 50.- reduzierten Mietvertrag. Das ursprüngliche Original wurde zu diesem Zweck überschrieben und die Anzahl der zur Verfügung gestellten Zimmer abgeändert. Der Mietvertrag ist damit weder angemessen, noch korrekt erstellt worden.
Solche Lösungen stellen uns nicht zufrieden, kosten die Öffentlichkeit viel Geld und schaden denjenigen Klienten, welche auf eine billige Wohnung angewiesen sind und die jetzige nicht verlieren wollen.
Aus diesem Grund ersuchen wir Sie um die Beantwortung folgender Fragen:
 Wie sollen wir Ihrer Meinung nach weiter rechtlich korrekt vorgehen?
 Wäre es eine Option, zusammen mit dem Mieterverband eine Besichtigung der Wohnungen zu unternehmen, um so einen angemessen Mietpreis zu ermitteln? Selbstverständlich müssten die Klienten ihre Zustimmung erteilen. Könnten wir diese Kosten allenfalls dem Vermieter aufbürden?
 Können die Mieten überhaupt rückwirkend auf Mietbeginn herabgesetzt werden (das wäre unsere Vorstellung)?
 Welche Möglichkeiten stehen uns bei einer Verweigerung des Vermieters offen?
 Können Sie uns eventl. weitere Empfehlungen unterbreiten?
Besten Dank

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Bauer
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Die Thematik ist nicht unbekannt. Im 2015 gab es einen medienwirksamen Fall in Zürich. Dazu lässt sich im Internet einiges nachlesen. Als Auswahl gebe ich Ihnen einen Artikel vom Beobachter https://www.beobachter.ch/burger-verwaltung/strafverfahren-zurcher-polizei-geht-gegen-vermieter-vor.
Es gibt grundsätzlich 2 allenfalls 3 Vorgehensmöglichkeiten bei missbräuchlichen Mieten in der von Ihnen geschilderten Art:

  • Mietrechtlich auf Basis von Art. 269 bis 270e OR (Obligationenrecht vom 30.3.1911), d.h. Anfechtung eines missbräuchlichen Mietzinses mit dem Ziel, den Mietzins in angemessener Weise herabsetzen zu lassen. Bei Mängeln an der Mietsache wäre ebenfalls eine Herabsetzung während der Dauer der Behebung möglich (vgl. Art 259d OR).
  • Strafrechtliche Anzeige des Vermieters wegen (gewerbsmässigem) Wucher, Art. 157 StGB, wobei es beim Strafrecht i.e.L. darum geht, den Vermieter zu bestrafen
  • Feuer- oder gesundheits- bzw. umweltpolizeilich nach kantonalem Recht mit dem Ziel, Zustände, die polizeilichen Vorschriften widersprechen, mit behördlichem Druck beheben zu lassen, womit die Wohnsituation nicht günstiger aber u.U. besser würde.
    Zunächst zur mietrechtlichen Vorgehensweise:
    Die Anfechtung des Mietzinses muss durch die betroffene Mieterschaft erfolgen. D.h. würde der Sozialdienst die Mieterschaft vertreten wollen (soweit nach kantonalem Recht zugelassen), müsste dieser sich bevollmächtigen lassen, wie Sie selber ausgeführt haben. Aus der Erfahrung in Basel aber auch Zürich ist es nicht einfach, die betroffenen Mieter zur Mitwirkung zu bewegen. Sie sind eher bereit, die schlechten Wohnverhältnisse in Kauf zu nehmen, als diese zu verlieren. Mit sozialhilferechtlichen Auflagen den Druck zu erhöhen, ist aus meiner Sicht nicht ratsam, zumal die Rechtslage, was die Herabsetzung anbelangt, nicht eindeutig ist.
    Damit die Bereitschaft der Mieterschaft erreicht werden könnte, gegen die Vermieterschaft vorzugehen, ist es sinnvoll, sie über das Verfahren aufzuklären. Dabei wäre zunächst daran zu denken, eine Mietrechtsanwältin bzw. –anwalt (über den Mieterverband) einzuschalten, um solide fachliche Vertretung zu garantieren (was ebenfalls eine Bevollmächtigung durch die Mieterschaft voraussetzt).
    Ferner wäre der betroffene Mieter darüber zu informieren, dass das Mietrecht einen Kündigungsschutz vorsieht, wenn er sich berechtigterweise wehrt. Nach Art. 271a OR ist die Kündigung anfechtbar, wenn sie etwa erfolgt:
    „a. weil der Mieter nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Mietverhältnis geltend macht;“
    „d. während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens, ausser wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat;“
    Auch besteht unter bestimmten Umständen nach Ende des Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens während 3 Jahren ein Kündigungsschutz (vgl. Art. 271a Abs. 1 lit. e OR).
    Der Vollständigkeit halber zu erwähnen ist, dass dieser Schutz nicht bedingungslos ist. D.h. kommt der Mieter in Zahlungsverzug, gilt der Schutz bei den Fällen von Art. 271a Abs. 1 d. und e OR. nicht mehr.
    Wann gilt ein Mietzins als missbräuchlich? Dazu sagt Art. 269 OR Folgendes:
    „Mietzinse sind missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird oder wenn sie auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruhen.“
    Vgl. Art. 269a OR zu den Gründen, welche die Annahme der Missbräuchlichkeit nicht erlauben.
    Einen missbräuchlichen Mietzins kann zu Mietbeginn oder während der Mietdauer angefochten werden. Zu Mietbeginn muss dies innert 30 Tagen nach Übernahme der Mietsache erfolgen (Art. 270 Abs. 1 OR). Danach kann er nur noch angefochten werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass der Vermieter wegen einer wesentlichen Änderung der Berechnungsgrundlagen, vor allem wegen einer Kostensenkung, einen nach den Artikeln 269 und 269a OR übersetzten Ertrag aus der Mietsache erzielt. Dies könnten z.B. nicht weitergegebene Senkungen des massgebenden Referenzzinssatzes für Hypotheken sein (vgl. die Merkblätter des Mieterverbandes https://www.mieterverband.ch/mv/mietrecht-beratung/ratgeber-mietrecht/top-themen/mietzinssenkung.html).
    D.h. bei den von Ihnen dargelegten Situationen sollte möglichst der Anfangsmietzins angefochten werden, da zu einem späteren Zeitpunkt der Spielraum enger wird. Es ist aber anzunehmen, dass der von Ihnen geschilderte Vermieter kaum Senkungen beim Referenzzinssatz weitergegeben hat, so dass zumindest da eine Basis für eine Anfechtung während der Mietdauer besteht. Sie kommen jedoch nicht darum herum, die jeweiligen Einzelfälle mietrechtlich genau anzuschauen bzw. anschauen zu lassen.
    Die Änderung des Mietzinses kann nur für die Zukunft auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden, und zwar auf den nächstmöglichen Kündigungstermin (Art. 270a Abs. 1 OR). Dabei ist ein Verfahren vorgegeben, das zunächst beim Vermieter beginnt (Art. 270a Abs. 2 OR):
    „2Der Mieter muss das Herabsetzungsbegehren schriftlich beim Vermieter stellen; dieser muss innert 30 Tagen Stellung nehmen. Entspricht der Vermieter dem Begehren nicht oder nur teilweise oder antwortet er nicht fristgemäss, so kann der Mieter innert 30 Tagen die Schlichtungsbehörde anrufen.“
    Für aussergerichtliche Verhandlungen wie z.B. bei der von Ihnen erwähnten Besichtigung mit Hilfe des MV gibt es keine Kostentragungsregeln. Sie müssen also damit rechnen, dass die von Ihnen beanspruchten Dienstleistungen auch durch Ihren Dienst berappt werden müssen. Wenn der Vermieter Hand zu einem solchen Vorgehen bieten würde, wäre dies aber sicher ein sinnvoller Weg.
    Gibt es ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle, so gilt die Zivilprozessordnung vom 19.12.08 (ZPO). Die Schlichtungsbehörde kann nur Streitsummen bis Fr. 2000 entscheiden, bei Mietstreitigkeiten kann sie immerhin in der Regel einen Urteilsvorschlag unterbreiten (Art. 202 ff. ZPO). Das Verfahren ist kostenlos. Eine Parteientschädigung wird in der Regel nicht zugesprochen. D.h. jede Partei hat ihre Kosten selber zu tragen, wobei von dieser Regel bei Urteilsvorschlägen abgewichen werden kann. Generell besteht die Möglichkeit der unentgeltlichen Verbeiständung, d.h. der Staat finanziert den Rechtsbeistand, soweit die Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Art. 113 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c ZPO, Art. 117 ff. ZPO; Voraussetzungen sind fehlende Aussichtslosigkeit und ungenügende Mittel). D.h. bei Sozialhilfebezügern besteht die Chance, dass ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt wird, sofern der Prozess nicht aussichtslos erscheint.
    Es lohnt sich daher, sich bei der Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten über Ihre Möglichkeiten gratis beraten lassen (siehe in Bern die persönliche/telefonische Beratung unter http://www.justice.be.ch/justice/de/index/zivilverfahren/zivilverfahren/rechtsberatung/rechtsgebiete/mietrecht.html). Auch der Mieterverband bietet Beratung an, wobei diese jedoch kostenpflichtig sind.
    Wie bereits eingangs erwähnt, bestünde auch die Möglichkeit der Geltendmachung der Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d OR) wegen Mängel an der Mietsache bis hin zur Hinterlegung des Mietzinses, wenn der Vermieter die Mängel nicht behebt (Art. 259g OR). Selbstredend muss dafür die Voraussetzung der Mangelhaftigkeit gegeben sein.
    Die Vorgehensweise, einfach weniger Miete zu zahlen, ist eher heikel. Der Mieter könnte in Zahlungsverzug versetzt werden, und wenn die Zahlung immer noch ausbleibt, könnte ihm sogar fristlos gekündigt werden (siehe im Einzelnen Art. 257d OR).
    Zur strafrechtlichen Vorgehensweise:
    Hier rate ich Ihnen, sich mit der für Ihre Region zuständige Staatsanwaltschaft des Kantons Bern in Verbindung zu setzen und sich über eine allfällige Anzeige zu erkundigen. Eventuell können Sie sich auch beim Sozialdepartement der Stadt Zürich zu ihren Erfahrungen im eingangs erwähnten Fall erkundigen. Vorsicht ist geboten, wenn dem Vermieter mit Drohen einer solchen Strafanzeige Druck aufgesetzt werden sollte. Da sollten Sie sich rechtlich absichern.
    Zur polizeilichen Vorgehensweise (Feuer/Gesundheit/Umwelt)
    Setzen Sie sich ebenfalls mit den zuständigen kantonalen Ämtern in Verbindung. Allenfalls kann Ihnen die Schlichtungsbehörde für Mietstreitigkeiten Angaben zu den zuständigen Stellen machen. Natürlich muss es sich um Zustände handeln, die generell bedenklich sind z.B. Schimmelbefall.
    Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass aus rechtlicher Sicht mehrere Vorgehensweisen offen stehen. Die mietrechtliche Strategie bedingt jedoch das Einverständnis des Klienten bzw. der Klientin. Die Strafanzeige als auch die polizeiliche Vorgehensweise stehen dem Sozialdienst direkt offen. Es empfiehlt sich da allenfalls, sich mit der vorgesetzten Stelle vorgängig abzusprechen.
    Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder

Guten Tag Frau Schnyder
besten Dank für Ihre ausführliche Antwort. Wir haben dies sehr geschätzt.
Beste Grüsse Sabine Bauer