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Mietschäden - wer ist haftbar

Veröffentlicht:
08.07.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Folgendes zur Situation:

Für meinen Klienten besteht eine Beistandschaft nach 394 - 396 mit Einschränkung der Handlungsfähigkeit. Mein Klient ist anfangs 2019 umgezogen und hat die alte Wohnung im desolatem Zustand hinterlassen. Unter anderem haben Katzen von ihm auf den Boden uriniert. Der Boden-, Küche etc. musste komplett entfernt werden. Die Haftpflicht/Hausratversicherung übernimmt den Schaden nicht, da er über eine längere Periode entstanden ist. Insgesamt wird gem. mündlicher Aussage des Vermieters ein Schaden von ca. Fr. 100'000.- entstehen. Der Vermieter droht mit einer Klage gegen das Sozialmedizinische Zentrum Oberwallis, gegen mich als Beistand und wird das Geld des Schadens über einen Anwalt einfordern.
- Wer ist in dieser Situation haftbar?
- Können die Beistände oder der Sozialdienst belangt werden?
- welche Verantwortung/Pflichten hat der Vermieter gegenüber dem Mieter

Freundlicher Gruss

Thomas Koehler, Sozialarbeiter Berufsbeistand

Frage beantwortet am

Urs Vogel

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Erwägungen

Soweit aus der kurzen Darstellung des Sachverhaltes hervorgeht, hat die verbeiständete Person während längerer Zeit selbstständig in der nun zu renovierenden Wohnung gewohnt. Durch sein Verhalten respektive durch seine mutmasslich nicht tiergerechte Haltung und ungenügende Aufsicht über seine Haustiere sind Schäden an der gemieteten Wohnung entstanden, welche vorliegend von der Haftpflicht- respektive Hausratsversicherung von Herrn X. nicht übernommen werden.

Grundsätzlich ist Herr X., soweit er urteilsfähig bezüglich dieser Unterlassungshandlungen ist, haftbar, auch wenn er in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt wurde (Art. 19 Abs. 3 ZGB; BK-Bucher/Aebi-Müller, Art. 19-19c N 318). Somit ist konkret auf diese Fragestellung zu beurteilen, ob Herr X. als urteilsfähig anzusehen ist oder nicht. Urteilsfähigkeit wird grundsätzlich bei volljährigen Personen vermutet (BK-Bucher/Aebi-Müller, Art. 16 N 83). Je nach Schwächezustand von Herrn X. ist er somit urteilsfähig oder urteilsunfähig, eine nur teilweise Urteilsfähigkeit in Bezug auf eine konkrete Fragestellung kennt das Zivilrecht nicht.

Unter der Annahme, dass Herr X. urteilsfähig ist, ist er für den Schaden haftbar und kann vom Vermieter ins Recht gefasst werden. Ich gehe davon aus, dass aufgrund seiner selbstständigen Wohnfähigkeit wohl von einer Urteilsfähigkeit auszugehen ist.

Vorliegend stellt sich die Frage, ob aufgrund des Schwächezustandes eine erhöhte Kontrolle und Überwachung der Wohnfähigkeit von Herrn X. notwendig war und dies in der massgeschneiderten Massnahme eine Aufgabe des eingesetzten Beistandes war. Ist dies der Fall, stellt sich die Frage einer allfälligen Anwendung der Haftungsbestimmungen des Erwachsenenschutzes. Dritte jedoch können sich nach herrschender Lehre für Schäden nicht auf Art. 454 Abs. 1 und 2 ZGB berufen, wenn diese Schäden durch Handlungen oder Unterlassung des mit dem Vollzug der Erwachsenenschutzmassnahme betrauten Beistandes entstanden sind. Ihnen steht allenfalls der Weg über das kantonale Verantwortlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 lit. a Verantwortlichkeitsgesetz VS) offen, oder aber die generellen Haftungsnormen nach Art. 41 ff OR. Voraussetzung aber ist, dass dem Beistand eine sogenannte Garantenstellung zukommt. Gemäss bisheriger Rechtsprechung zur Führung von Erwachsenenschutzmassnahmen besteht jedoch auf jeden Fall nur eine beschränkte Garantenstellung gegenüber dem durch den Verbeiständeten geschädigten Dritten (BGE 115 II 15 E. 3b und 4a; BSK ZGB I-Hausheer/Wey, Art. 454 N 34a). Das Bundesgericht führt wörtlich aus: ….. Besondere Vorkehren zur Verhinderung rein vermögensmässiger Beeinträchtigungen hat der Vormund nur zu treffen, wenn konkrete und gewichtige Anzeichen dafür bestehen, dass bedeutende Drittinteressen einer hohen Gefährdung ausgesetzt sind. Das setzt einmal voraus, dass der Vormund um das besondere Risiko weiss oder mit einer Schädigung rechnen muss. Dabei genügt nicht, dass er Kenntnis von früheren Verfehlungen seines Mündels hat, die allenfalls sogar zur Entmündigung geführt haben; vielmehr muss eine erhöhte Rückfallgefahr objektiv erkennbar sein. …..(BGE 115 II 15, 22 E.4a).

Ob unter neuem Erwachsenenschutzrecht diese enge Auslegung der Haftungsnorm vom Bundesgericht bestätigt wird, wird mindestens von einem Teil der Lehre in Frage gestellt (BSK ZGB I-Hausheer/Wey, Art. 454 N 34; KUKO ZGB-Mösch Payot/Rosch, Art. 454-456 N 6).

Bejaht man in vorliegendem Fall eine Garantenstellung des Beistandes und die Anwendbarkeit der Haftungsnormen des Erwachsenenschutzes, was nach meiner Beurteilung höchst unwahrscheinlich ist, so hat der Vermieter nicht das SMZO oder den Beistand einzuklagen, sondern seine Haftungsklage würde sich gegen den Staat Wallis richten (Art. 454 Abs. Abs. 3 ZGB).

Verneint man eine Anwendung der Haftungsnormen des Erwachsenenschutzes, so steht dem Dritten die Möglichkeit des Vorgehens nach kantonalem Verantwortlichkeitsgesetz offen, aber auch hier kann der Beistand oder das SMZO nicht direkt eingeklagt werden, sondern die Klage richtet sich an das zuständige Gemeinwesen (Staat oder Gemeinden), die Amtsträger können persönlich nicht via kantonalem Verantwortlichkeitsgesetz eingeklagt werden (Art. 5 Verantwortlichkeitsgesetz VS). Eine allfällige Verantwortlichkeitsklage ist beim Zivilgericht anhängig zu machen (Art. 19 Abs. 1 Verantwortlichkeitsgesetz VS). Aber auch hier wäre eine Widerrechtlichkeit des Beistandes nur dann gegeben, wenn er dabei eine einschlägige Schutznorm und somit eine aus er Garantenstellung fliessende Handlungspflicht durch Unterlassen verletzt hat.

Parallel dazu steht dem Dritten auch der Weg über die allgemeinen Haftungsnormen des Zivilrechts (Art. 41 ff OR) offen. Aber auch hier kann nur von einer Haftbarkeit ausgegangen werden, wenn eine Garantenstellung in der konkreten Situation bejaht würde.

Gesetzt den Fall, Herr X. würde als urteilsunfähig bezüglich der persönlichen Wohnfähigkeit eingestuft und damit auch für die von ihm verursachten Schäden, wäre wohl eine erhöhte Garantenstellung des Beistandes respektive allenfalls der anordnenden KESB zu bejahen, was eher auf eine Staatshaftung hindeuten würde.

Was Ihre letzte Frage anbelangt: Die Pflichten und Verantwortlichkeiten des Vermieters ergeben sich aus dem Mietrecht des Obligationenrechts und aus dem Mietvertrag. Ein Vermieter wird mit eingeschränkten Erfolgsaussichten seinen Mieter wegen Schadenersatz einklagen können, wenn er über lange Zeit mangels Aufsicht oder sogar bewusst ein schädigendes Verhalten seines Mieters geduldet hat und dadurch nach Treu und Glauben zur Schadensentstehung beigetragen hat.

 

Fazit

Es steht dem Vermieter offen, auf verschiedene Art und Weise den bei ihm entstandenen Schaden geltend zu machen. Primär ist seine Gegenpartei die verbeiständete Person. Um gegen andere Beteiligte Erfolg zu haben, muss eine Garantenstellung durch den Beistand bezüglich der Verhinderung des Schadens bestanden haben, was sich nur aus einer differenzierten Beurteilung des Schwächezustandes, der konkreten Aufgabenstellung des Beistandes und der konkreten Schädigung beantworten lässt.

Wer als Beistandsperson für Personen mit Schwächezuständen wie dem Geschilderten mit persönlicher Fürsorge betraut wird, ist gut beraten, sowohl aus methodischen als auch aus haftungsrechtlichen Gründen sich einen Handlungsplan zurecht zu legen, welcher sich mit der Wohnfähigkeit und deren Rahmenbedingungen auseinandersetzt.

Kulmerau, 13. Juli 2020

Urs Vogel