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Miete über den Mietzinsrichtlinien

Veröffentlicht:
27.08.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag liebes Expertenteam
es geht um folgenden Sachverhalt:
Ein alleinstehender Klient hat bei uns im August Sozialhilfe beantragt. Ein paar Monate vorher ist seine Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Die Miete ist für eine Person rund Fr. 900.- über den Mietzinslimiten. Der Vertrag kann frühestens in eineinhalb Jahren gekündigt werden. Es handelt sich um eine Neubausiedling, wo noch über 30 Wohnungen leer stehen. Die Mieten liegen insgesamt deutlich über dem Durchschnitt in der Region. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Klient einen Nachmieter findet ist nahezu aussichtslos. Der Klient möchte wieder zurück an seinen alten Wohnort, was auch einen Kantonswechsel bedeuten würde, jedoch ist er aufgrund des Mietverhältnisses gebunden.
Wie ist mit dem überteuerten Mietzins sozialhilferechtlich zu verfahren?
Für Ihre Bemühungen bedanke ich mich.
Mit freundlichen Grüssen
Sabine Bauer

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Bauer
Vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne wie folgt beantworte:
Art. 8 Abs. 1 der Sozialhilfeverordnung des Kantons Bern, Stand 01.01.2017 (SHV) bestimmt, dass für die Bemessung der Unterstützung die SKOS-Richtlinien, Fassung 12/16, massgebend sind, soweit das Sozialhiflegesetz (SHG) oder die SHV nichts anderes regeln. Zum Thema Miete findet sich weder im SHG noch in der SHV eine ausdrückliche Regelung, weshalb die SKOS-Richtlinien zur Anwendung gelangen. Diese besagen in Kapitel B.3, dass überhöhte Wohnkosten - und um solche handelt es sich nach Ihrer Schilderung - so lange von der Sozialhilfe zu übernehmen sind, bis eine zumutbare günstigere Lösung zur Verfügung steht. Die üblichen Kündigungsfristen seien in der Regel zu berücksichtigen.
Nun ist es nach Ihrer Schilderung so, dass die Kündigngsfrist noch ca. 18 Monate beträgt, weshalb mein Zwischenfazit lautet: der überhöhte MIetzins ist aufgrund der noch laufenden Kündigungsfrist vorerst und bis alle untenstehend aufgeführten Fragen geklärt sind, noch zu übernehmen.
Nun hält Art. 28 Abs. 2 Lit. a und b SHG aber fest, dass Bedürftige und von der Sozialhilfe finanziell unterstützte Personen verpflichtet sind, das zum Vermeiden bzw. Vermindern der Bedürftigkeit Erforderliche selber vorzukehren und Weisungen des Sozialdienstes zu befolgen haben.
Als erster Schritt dieser Verpflicht der Verminderung der Bedürftigkeit gilt es, die Wohnung auch tatsächlich zu kündigen (ich ersehe aus dem Sachverhalt nicht, ob dies schon geschehen ist). In einem zweiten Schritt ist trotz geringer Aussicht auf Erfolg nachweislich (schriftlich) ein Nachmieter zu suchen. In einem dritten - und meiner Ansicht nach wesentlichen - Schritt gilt es an die Pflichten der ausgezogenen Ehefrau zu denken. Wenn sie den Mietvertrag mitunterzeichnet hat, so haftet sie solidarisch und ist trotz Auszug verpflichtet, ihren Mietanteil (in der Regel die Hälfte) bis zur Beendigung des Mietverhältnisses zu bezahlen. Der Klient müsste zur Verminderung der Bedürftigkeit in diesem Fall angehalten werden, von seiner getrennt lebenden Ehefrau ihren Anteil (in der Regel die Hälfte) des Mietzinses zu verlangen (in diesem Fall hat er auch daran zu denken, dass sie das Kündigungsschreiben ebenfalls unterzeichnet bzw. sich mit der Kündigung einverstanden erklärt, da der Mietvertrag formell andernfalls nicht gültig gekündigt ist). Hat die getrennte Ehefrau den Mietvertrag nicht unterzeichnet, wird die Lage rechtlich etwas schwieriger. Es stellt sich dann die Frage, ob der Ehemann in Vertretung von ihr unterzeichnet hat und sie ebenfalls Mietpartei ist (dies kommt auf den Willen der Parteien an, der im Rückblick allenfalls nicht ganz einfach zu eruieren ist). Dann gilt grundsätzlich Obengesagtes. Andernfalls ist sie nicht Vertragspartei und auch nicht verpflichtet, bis zur Beendigung des Mietverhältnisses weiter zu bezahlen und die Kündigung mitzuunterzeichnen. Wie sich der Mietvertrag Ihres Klienten gestaltet, entzieht sich aber meiner Kenntnis. Wenn Sie eine pragmatische, für Sie einfach zu kontrollierende Lösung wählen wollen, dann würde ich vorschlagen, dass Sie bei gemeinsamer Unterzeichnung von einem solidarischen Mietvertrag ausgehen und bei Unterzeichnung nur durch den Ehemann von einem Mietvertrag nur zwischen Ehemann und Vermieter. Es könnte natürlich auch sein, dass nur die Ehefrau den MIetvertrag unterzeichnet hat und nur sie Mieterin ist. Davon gehe ich aber nicht aus. Andernfalls würde sich nämlich die Frage stellen, ob der Ehemann - aufgrund fehlender vertraglicher Verpflichtung gegenüber dem Vermieter - nicht umgehend ausziehen könnte. Dann wäre es grundsätzlich auch nicht an ihm zu kündigen und einen Nachmieter zu suchen.
Dies bedeutet, dass es meiner Ansicht nach Sinn macht, wenn Sie den Klienten mittels Weisung verpflichten, die Wohnung zu künden (falls noch nicht getan und falls er Mieter ist), nachweislich einen Nachmieter zu suchen (falls er Mieter ist) und die Ehefrau im Fall, dass der Mietvertrag gemeinsam unterzeichnet wurde, in die Pflicht zu nehmen (Bezahlung ihres Anteils des Mietzinses und Unterzichnung Kündigung).
Die Weisung dafür kann gemäss Handbuch BKSE mündlich oder schrifltich erfolgen, wobei ich die schriftliche Form aus Beweisgründen vorziehe. Die Pflicht, die zu dieser Weisung führt, leitet sich aus Art. 28 Abs. 1 LIt. a und b SHG ab. Falls der Klient Einwände macht, überlegen Sie, ob diese berechtigt sind. Kommt der Klient den Weisungen nicht vollumfänglich nach, so ist der Klient zu mahnen und bei anhaltender Pflichtverletzung die Kürzung der Unterstützungsleistungen nach Art. 36 SHG mittels Verfügung zu prüfen, wobei vorgängig das rechtliche Gehör zu gewähren ist. Verlangt der Klient von seiner Ehefrau zudem ihren Anteil des Mietzinses (grundsätzlich die Hälfte) nicht, falls sie Mieterin ist, ist aufgrund des Subsidiaritätsprinzips zu prüfen, ob sie ihm nach gesetzter Frist nur noch seinen Anteil des Mietzins bezahlen (Verfügung inkl. vorgängigem rechtichen Gehör.
Zusammenfassung: Prüfen Sie zuerst den Mietvertrag. Wurde er von beiden Ehegatten unterzeichnet, ist Ihr Klient nun nicht nur zur Kündiung und der Suche nach einem Nachmieter sondern auch zum Einbezug der Ehefrau (Kündigung und Mietzins) mittels Weisung/Auflage zu verpflichten, wenn er keine überzeugenden Gründe geltend machen kann, die gegen den Einbezug der Ehefrau sprechen. Bei Nichtbefolgung der Weisung ist einerseits die Kürzung und andererseits nur noch die anteilige Übernahme des Mietzinses zu prüfen.
Ich bedaure, dass ich keine präzisere Antwort geben kann. Dies liegt daran, dass ich nicht weiss, wer den Mietvertrag unterzeichnet hat. Gerne können Sie mir nochmals schreiben, wenn tatsächlich nur die Ehefrau den Mietvertrag unterzeichnet haben sollte. Dann überlege ich mir dir rechtlichen Folgen dieses Sachverhalts genauer.
Ich hoffe, Ihnen trotz der Länge der Antwort weiterhelfen zu können.
Mit freundlichen Grüssen
Anja Loosli Brendebach

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Bauer
Ich möchte gerne einen Nachtrag machen.
Spätestens nach Ablauf der Kündigungsfrist steht dem Klienten nur noch der Grenzwert zu, was ihm bereits im heutigen Zeitpunkt mitzuteilen ist. Zudem kann er den Vermieter fragen, ob er ihn früher aus dem Mietvertrag entlässt, auch wenn dies aufgrund Ihrer Schilderung wohl wenig wahrscheinlich ist.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach

Guten Tag Frau Loosli
vielen Dank für Ihre differenzierten Ausführungen.
Beste Grüsse
Sabine Bauer