Zum Inhalt oder zum Footer

Mietansatz und Grundbedarf: Begleitetes Wohnen (Studio) Sohn

Veröffentlicht:
11.08.2021
Kanton:
Luzern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

KL, alleinerziehende Mutter, hat einen 17-jährigen Sohn (wird im Dezember 2021 18 Jahre alt). Sohn E. war die letzten Jahre in einem Jugendheim, besuchte die Mutter jeweils während den Wochenenden. Aktuell wird der Grundbedarf also nach einem 1P-HH + Ferien- und Wochenendentschädigung bis max. CHF 528.00 (Differenz GBL 1P-HH zu 2P-HH) ausbezahlt.

Ab 01.08.2021 bezieht Sohn E. ein Studio in einem Begleiteten Wohnen ausserhalb des Heimatortes. Dieses wird im Rahmen der Arbeitsintegration durch IV-Taggelder finanziert. Gemäss Abklärungen mit der IV wird hierbei die Miete sowie die Fahrkosten für die Besuche bei der Mutter übernommen. Ansonsten gibt es keine Kostenübernahme. Das Studio kann jedoch 7 Tage die Woche bezogen sein, Sohn E. ist somit frei, an den Wochenenden auch da zu bleiben. Das Studio ist nicht wohnsitzbegründend, somit bleiben wir seitens Sozialen Diensten weiterhin zuständig.

Anhand der Unterhaltszahlungen, dem geringen Einkommen während dem Praktikum sowie den Ausbildungszulagen gilt es nun abzuklären, ob es betreffend Sohn E. zu einer Ablösung WSH kommen kann. Weiter gilt es zu prüfen, ob eine Entschädigung an die Klientin während der Wochenenden für die Miete etc. geleistet werden muss/soll.

Die Mutter wird weiterhin auf Bezug WSH angewiesen sein und es ist kein Fallabschluss bei ihr absehbar.

Frage:

  • Wie ist der Grundbedarf für die Mutter sowie den Sohn E.  ab Begin Praktikum zu berechnen? Wird jeweils zweimal 1P-HH berechnet, bei Sohn E. den Abzug für junge Erwachsene?
  • Muss Sohn E. bei der Mutter einen Anteil an der Miete finanzieren da er weiterhin den Unterstützungswohnsitz in der Gemeinde hat? Mietansatz 2P-HH verteilt auf beide oder hat die KL einen Mietanspruch im Rahmen des 1-P-HH?
  • Werden die Wochenendbesuche zusätzlich im Budget der Mutter entschädigt? Ändert sich etwas mit dem Erreichen des 18. Lebensjahr

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Ruckstuhl

Gerne beantworte ich Ihre Fragen. Ausganslage bildet, dass der 17-jährige Sohn im Rahmen eines begleiteten Wohnens, welches in Bezug auf die Wohnung, Fahrtkosten für Besuche des Sohnes bei der Mutter durch die IV finanziert wird, in einem Studio lebt und am Wochenende zu seiner Mutter zurückkehrt. Vor dem begleiteten Wohnen lebte der Sohn im Heim und kam ebenfalls am Wochenende zu seiner Mutter auf Besuch. Der Sohn erzielt einen geringe Praktikumslohn und bezieht Unterhaltsbeiträge sowie Ausbildungszulagen. Es stellt sich nun die Frage, wie dies von Seiten der Sozialhilfe zu finanzieren sei.

  1. Bemessung Grundbedarf Mutter und Sohn E. im Grundsatz ab Beginn Praktikum - ohne Wochenendbesuche

Die Situation des Sohnes ist ein Sonderfall, der auch nicht im Luzerner Sozialhilfe-Handbuch C.3.2.3.3 erwähnt ist. Der Sohn hält sich weder im Heim noch in einer Pflegefamilie auf. Das Sozialhilfe-Handbuch erwähnt lediglich die Wohngemeinschaft «Traversa», die etwa dem vorliegenden Fall ähnelt, aber deren Ansätze wohl nicht anwendbar sind.

Handelt es sich beim Studio um eine Wohnung, scheint es mir richtig, den Grundbedarf für eine Einpersonenhaushalt anzuwenden. Auch pflichte ich Ihnen bei, dass aufgrund des Alters nicht die regulären Ansätze, sondern jene für junge Erwachsene analog angewendet werden. Da er alleine wohnt, kann nicht der WG-Ansatz als Grundlage genommen werden, sondern jener für einen Einpersonenhaushalt, da offensichtlich das begleitete Alleine-Wohnen indiziert ist. Da er zudem an einer auf die arbeitsmarktliche Integration ausgerichtete Massnahme teilnimmt, findet auch keine Kürzung gemäss SKOS-RL C.3.2 Abs. 4 lit. a (i.V.m. § 31 Abs. 1 SHG LU, Verweisnorm auf die SKOS-RL) statt, da weder im SHG LU noch in der SHV LU eine abweichende Regelung enthalten ist.

Zu prüfen wäre lediglich, ob Kosten über die Miete bzw. IV finanziert werden, die üblicherweise aus dem Grundbedarf zu bestreiten wären, z.B. Abfallgebühren, Radio-/TV-Gebühren. Diese dürften vom Grundbedarf in Abzug gebracht werden.

1. Mietanteil des Sohnes bei der Mutter

Da der Sohn noch nicht volljährig ist, besteht der Anspruch auf Besuchsrechtsausübung nach wie vor. Aus diesem Grund hat die Mutter Anspruch auf ein zusätzliches Zimmer (SKOS-RL C.4.2 Abs. 7, Art. 273 ZGB). Weder das SHG LU, die SHV LU noch das Handbuch enthalten eine abweichende Regelung.

2. Entschädigung Wochenendbesuche des Sohnes bei der Mutter

Im Regelfall zahlt die Sozialhilfe bei Besuchen einen Beitrag, wie von Ihnen dargelegt. Aber auch in dieser Frage scheint die Situation von Sohn E. besonders zu sein. Die Besonderheit ergibt sich daraus, dass er den Grundbedarf eines Einpersonenhaushaltes erhält. Damit sind auch seine Ausgaben am Wochenende gedeckt, zumal die Reisekosten zum Besuch seiner Mutter, von der IV übernommen werden. Wenn er bei der Mutter verpflegt wird, hat er weniger Ausgaben, als wenn er im Studio bleiben würde. Insofern muss er meiner Meinung nach mit seinem Grundbedarf auch die Grundbedarfskosten am Wochenende finanzieren, die bei seiner Mutter entstehen. Eine andere Variante wäre, der Mutter weiterhin die Wochenendentschädigung auszurichten, diese aber dann vom Grundbedarf des Sohnes in Abzug zu bringen.

3. Wie sind die Einnahmen anzurechnen?

Seine Einnahmen sind für seine Ausgaben heranzuziehen. Es stellt sich dabei die Frage, inwieweit der Mietanteil für das zusätzliche Zimmer als Teil des Unterhalts von E. oder als Teil der Besuchsrechtsausübung nach Art. 273 ZGB und damit der Kosten der Mutter zu betrachten sind. Ich empfehle Ihnen dafür, das Urteil zu konsultieren, das den Unterhalt von E. regelt. Falls sich daraus nichts ergibt, dann neige ich dazu, diese Kosten der Mutter zuzurechnen, da Besuchsrechtskosten zivilrechtlich nicht zum Unterhalt nach Art. 276 ZGB zählen, sondern Ausgaben des betreffenden Elternteils sind.

4. Änderungen ab dem 18. Altersjahr

Die Ansätze für junge Erwachsene werden nicht nur analog, sondern direkt angewendet, was sich jedoch im konkreten Fall nicht auf die Bemessung auswirkt. Das separate Zimmer sehen die SKOS bei Eltern mit Besuchsrechten vor. Das Besuchsrecht ist gemäss Art. 273 ZGB auf minderjährige Kinder beschränkt. Insofern würde dieser Anspruch der Mutter mit Volljährigkeit wegfallen. Die SKOS-RL sehen in C.6.4 auch situationsbedingte Leistungen (SIL) für die Pflege wichtiger verwandtschaftlicher Beziehungen als grundversorgende SIL vor. Falls die Wochenendbesuche mit Blick auf den Sohn fachlich indiziert sind, hat die Sozialhilfe damit eine Grundlage für die Finanzierung. Falls der Bedarf vor allem von seiner persönlichen Situation herrührt, könnten diese Kosten dann seinen Ausgaben angerechnet werden, welche mit seinen Einnahmen zu finanzieren wären. Eine weitere Änderung tritt ein, da er ab dem 18. Altersjahr Taggelder der IV erhält, die auch zum Bezug von Ergänzungsleistungen berechtigen.

Abschliessend kann festgehalten werden, dass angesichts der Sondersituation im vorliegenden Fall Abweichungen vom Regelfall gerechtfertigt sind.

Noch ein letzter Hinweis: Die IV leistet gemäss ihren Angaben keinen Beitrag an die Verpflegung. Ich rate Ihnen, sich bei der IV zu erkundigen, gestützt auf welche Rechtsgrundlage sie die Finanzierung der Verpflegung ablehnen, da im Grundsatz die IV Beiträge an Verpflegungskosten kennt und die Praktikumsinstitution sich ausserhalb des Wohnortes befindet.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Fragen beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder