Zum Inhalt oder zum Footer

Meldepflichtsverletzung: AHV-Rückforderung

Veröffentlicht:
21.04.2022
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Sehr geschätzter Peter

Meine Klientin lebte im Kanton Tessin. Als sie in den Kanton Schwyz umgezogen ist, erhielt sie eine AHV-Rückforderungsverfügung bis ins Jahr 2017 zurück. Grund dafür sei, dass sie die Meldepflicht nicht korrekt eingehalten habe. Die Klientin hat gemeldet, dass ihre deutsche Rente eine Veränderung aufweist, jedoch habe sie den Rentenausweis nicht mitgesendet. Deswegen wird von ihr verlangt über 7'000 CHF zurück zu erstatten. Die Ausgleichskasse Bellinzona meldete sich erst mit der Verfügung als die Klientin umgezogen war. Vorher gab es keine ausgesprochene Verügung bezüglich einer Rückforderung. Die Klientin hat ihren Fehler eingesehen und ist bereit die Summer zurück zu erstatten und bat um eine Ratenzahlung von 80 CHF pro Monat. Sie bezieht EL und kann daher keine höhere monatliche Summe bezahlen. Die Ausgleichskasse Bellinzona beharrt jedoch auf eine monatliche Mindestzahlung von 240 CHF. Grund für die Arrgumentaiton der Ausgleichskasse sei, dass die Klientin mindestens 240 CHF pro Monat zahlen muss, weil wenn es weniger wäre, würde die beantragte Leistung verjähren. Die Klientin kann sich eine höhere monatliche Rückzahlung nicht leisten. Die Ausgleichskasse wird sie betreiben.

Offene Fragen:

  1. Darf eine Ausgleichskasse eine Klientin betreiben, welche EL bezieht (es läuft auf einen Verlustschein hinaus)?
  2. Ein Härtefallgesuch wurde beantrag auf den man nicht eingegangen ist. Die Klientin hat sich bereit erklärt eine realistische Rückzahlung zu machen, gibt es noch Möglichkeiten, um eine Betreibung zu umgehen?

Vielen Dank für deine Rückmeldungen.

Herzlich

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag. 

Die erste Frage ist, ob der Rückforderungsanspruch der Ausgleichskasse gerechtfertigt erscheint. Das scheint hier, den Ausführungen in der Anfrage zufolge, der Fall zu sein. 

1. Auf eine solche Rückerstattung ist dann im Sinne von Art. 25 ATSG im Sinne eines Erlasses zu verzichten, wenn die Betroffenen gutgläubig ist, und die Rückerstattung zu einer grossen Härte nach Art. 25 ATSG führt. 

2. Im vorliegenden Fall stellt sich primär die Frage der Gutgläubigkeit. Sie wird bei Meldepflichtverletzungen als Ursache des unrechtmässigen Bezuges nur unter strengen Voraussetzungen angenommen. Nach meiner Einschätzung stehen dafür, ausser es bestünden besondere individuelle, z.B. gesundheitliche Umstände, die zur fehlenden Meldung der Rentenhöhe der ausländischen Rente führten, die Chancen eher schlecht. Siehe BGer 8C_1/2007 vom 11.5.2007. 

3. Sollte die Gutgläubigkeit bestehen, so ist bei grosser Härte auf eine Rückerstattung zu verzichten. Massgebend für die Beurteilung, ob eine grosse Härte vorliegt, ist der Zeitpunkt, in welchem über die Rückforderung rechtskräftig entschieden ist. Danach wird auf eine Rückerstattung verzichtet, bzw. diese entsprechend gekürzt, wenn die für die EL-Berechnung relevanten anerkannten Ausgaben plus einige Erweiterungen die anrechenbaren Einnahmen überschreiten. 

4. Im vorliegenden Fall scheint ein Erlassgesuch schon abgelehnt worden zu sein. Es wäre hier aber aufgrund der Akten genauer zu prüfen, ob nicht doch noch ein Gesuch eingereicht werden kann. Namentlich wenn das erste Gesuch gar nicht tatsächlich behandelt wurde. 

Wichtig wäre, in diesem Gesuch die Gutgläubigkeit gut zu begründen, etwa über die individuelle gesundheitliche Situation. So wäre dann die genannte Bedarfsgrenze (grosse Härte) bzgl. Rückerstattung zu beachten.

5. Sollte dies aber nicht möglich sein, so bleibt nur, im Rahmen des Vollzugsverfahrens zu versuchen, die Ausgleichskasse informell für eine Abzahlungsvereinbarung zu gewinnen.  Dabei hat die Ausgleichskasse Ermessen.

Die Ausgleichskasse kann durchaus auch eine Betreibung einleiten. Insb. zur Verhinderung der Vollstreckungsverwirkung. Diese beträgt wohl gemäss BGE 127 V 209 10 Jahre bezüglich rechtskräftig festgesetzter Leistungen.  

Im Rahmen eines Betreibungsverfahrens würde das betreibungsrechtliche Existenzminimum als Grenze der Zahlungspflicht gelten. 

In Anbetracht des relativ geringen Betrages der Rückerstattungspflicht könnten die zu erwartenden Kosten für die weitere Betreibung gegenüber der Ausgleichskasse ein Argument sein, doch noch eine Abzahlungsvereinbarung zu finden, und eine Betreibung so abzuwenden.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. FH Peter Mösch Payot

 

Art. 5 Grosse Härte

1 Eine grosse Härte im Sinne von Artikel 25 Absatz 1 ATSG liegt vor, wenn die vom Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) anerkannten Ausgaben und die zusätzlichen Ausgaben nach Absatz 4 die nach ELG anrechenbaren Einnahmen übersteigen.

2 Bei der Berechnung der anerkannten Ausgaben nach Absatz 1 werden angerechnet:

a.

bei zu Hause lebenden Personen: als Mietzins der jeweilige Höchstbetrag nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b ELG;

b.

bei in Heimen oder Spitälern lebenden Personen: 4800 Franken pro Jahr als Betrag für persönliche Auslagen;

c.9

bei allen Personen: als Pauschalbetrag für die obligatorische Krankenpflegeversicherung die höchste Prämie für die jeweilige Personenkategorie nach der jeweils gültigen Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) über die kantonalen und regionalen Durchschnittsprämien der Krankenpflegeversicherung für die Berechnung der Ergänzungsleistungen.

3 Der Vermögensverzehr bei in Heimen oder Spitälern lebenden Personen beträgt ein Fünfzehntel; bei in Heimen oder Spitälern lebenden Altersrentnerinnen und
-rentnern beträgt er ein Zehntel. Bei Teilinvaliden wird nur das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen angerechnet. Eine allfällige kantonale Begrenzung der Heimkosten wird nicht berücksichtigt.

4 Als zusätzliche Ausgabe werden angerechnet:

a.

bei Alleinstehenden: 8000 Franken;

b.

bei Ehepaaren: 12 000 Franken;

c.

bei rentenberechtigten Waisen und bei Kindern, die einen Anspruch auf Kinderrente der AHV oder IV begründen: 4000 Franken pro Kind.