Guten Tag
Mein Klient ist bei seinem Arbeitgeber zu 80% - 100% im Gastrogewerbe zu einem Festlohn angestellt. Nun ist er im November aufgrund seines psychischen Zustandes ausgefallen. Ihm ist es erst ab Mitte Monat gelungen, sich beim Arzt zu melden für ein Arztzeugnis. Rückwirkend hat mein Klient kein Arztzeugnis erhalten. Nun hat der Arbeitgeber für die "unentschuldigt" ferngebliebenen Tage unbezahlter Urlaub verrechnet. Der Arbeitgeber habe ihn scheinbar nicht kontaktiert oder aufgefordert, zur Arbeit zu erscheinen. Ist es rechtens, keine Lohnfortzahlung zu leisten, wenn das Arztzeugnis nicht eingereicht und nicht eingefordert wurde? Welche Möglichkeiten hat mein Klient?
Besten Dank für die Rechtsberatung.
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Sie erwähnen, dass Ihr Klient fest angestellt ist. Ich gehe davon aus, dass er beim Arbeitgeber auch feste Arbeitszeiten hat. Ebenfalls gehe ich davon aus, dass für den fraglichen Zeitraum keine Ferien vereinbart waren. Ihr Klient war demzufolge verpflichtet, an den im November vorgesehenen Tagen zur Arbeit zur erscheinen. Getreu dem Grundsatz «Lohn gegen Arbeit» schuldet der Arbeitgeber keinen Lohn, wenn die Arbeitsleistung trotz vertraglicher Verpflichtung nicht geleistet wurde.
Art. 324a OR regelt die Lohnfortzahlung bei (u.a.) unverschuldeter, krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Dem Arbeitnehmer obliegt der Beweis, dass eine unverschuldete krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Gelingt dieser Beweis, muss der Arbeitgeber trotz ausbleibender Arbeitsleistung den Lohn dennoch ausrichten (für eine beschränkte Zeit).
Nach Art. 324a Abs. 4 OR kann von diesen Bestimmungen u.a. auf dem Wege eines GAV abgewichen werden, sofern und soweit die Abweichungen mindestens gleichwertig sind. Vorliegend ist der L-GAV Gastgewerbe massgebend. Der GAV gewährt eine längere Leistung als dies nach Art. 324a OR erforderlich wäre. Art. 26 L-GAV hält fest: «Der Mitarbeiter ist verpflichtet, bei Arbeitsverhinderungen ab dem 4. Tag ein ärztliches Zeugnis vorzulegen. Das Zeugnis ist dem Arbeitgeber innert Wochenfrist nach Ausstellung zuzustellen. Macht die Versicherung ihre Leistungen von einem Arztzeugnis abhängig, kann das Zeugnis vom 1. Tag an verlangt werden. Der Arbeitgeber ist berechtigt, auf seine Kosten das Zeugnis eines Vertrauensarztes zu verlangen.
Wenn nun der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nicht nachkommt, ist der Beweis für die Arbeitsunfähigkeit nicht erbracht und die Arbeitgeberin schuldet grundsätzlich keinen Lohn für den fraglichen Zeitraum. Der Arbeitnehmer müsste anhand eines Artzeugnisses belegen können, dass er aus unverschuldeten Gründen (Gesundheitszustand) nicht in der Lage war, am vierten Tag der Abwesenheit ein Arztzeugnis zu beschaffen. Ohne diesen Beweis besteht kein Anspruch auf Lohnzahlung für den fraglichen Zeitraum, d.h., die Arbeitgeberin hat die Lohnzahlung zu Recht verweigert. Kann der Arbeitnehmer hingegen ein entsprechendes Zeugnis vorbringen, so könnte die Arbeitgeberin auf Ihre Kosten eine vertrauensärztliche Untersuchung anordnen (Ziel: Überprüfen der geltend gemachten medizinischen Gründe für die Arbeitsunfähigkeit UND die medizinisch begründete Unfähigkeit, ein Arztzeugnis zu beschaffen).
Genügen Ihnen diese Antworten? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli