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Leistungsbegehren Rollstuhl für türkische Klientin

Veröffentlicht:
09.05.2023
Kanton:
Zürich
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Meine Klientin ist invalid ,1993 in der Türkei geboren. Im 2011 ist sie in die CH eingereist.

2015 haben wir einen Antrag auf Kostengutsprache für Hilfsmittel, unter anderem einen Rollstuhl gestellt. Das Leistungsbegehren wurde damals abgelehnt, weil meine Klientin mit dem Leiden in die CH eingereist sei.

2016 haben wir dann einen Antrag für eine IV-Rente gestellt. Der Antrag wurde vorerst abgelehnt mit Verweis auf Art. 36 Abs. 1 IVG. Dagegen haben wir einen Einwand geschrieben mit Verweis auf ein Urteil vom 08.05.2013 des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich, Punkt 3.3.2, bzw. auf Art. 11 des Sozialversicherungsabkommens mit der Türkei. Daraufhin wurde meiner Klientin eine 100%-IV-Rente zugesprochen.

Nun haben wir erneut ein Leistungsbegehren an die IV gestellt für einen Rollstuhl. Die IV wird gemäss Verfügung vom 24.04.2023 darauf nicht eintreten, weil das Leistungsbegehren schon am 23.11.2015 abgelehnt wurde und sich die Verhältnisse in der Zwischenzeit nicht geändert haben.

Das ist so weit nachvollziehbar. Trotzdem: Gibt es ein Möglichkeit, dass meine Klientin heute dennoch Anspruch auf Hilfsmittel hat, so wie sie heute auch Anspruch auf eine IV-Rente hat? In der Zwischenzeit sind ja auch die Voraussetzungen für eine IV-Rente gegeben. Sollte damit in der Zwischenzeit nicht auch die Voraussetzung für Anspruch auf Hilfsmittel gegeben sein?

Vielen Dank für Ihre Hilfe!

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag. Sehr gerne beantworte ich Ihre Anfrage.

  1. Tatsächlich sind mit Blick auf ausländische Staatsangehörige im konkreten Fall die so genannten versicherungsmässigen Voraussetzungen zu prüfen. Diese sind für jede Leistungsart in der IV (Rente, Hilflosenentschädigung, Eingliederungsmassnahmen wie Hilfsmittel etc. gesondert zu prüfen.
  2. Für Hilfsmittel gilt dabei für erwachsene Personen über 20 Jahren, die aus der Türkei stammen, aufgrund des spezifischen Sozialversicherungsabkommens, dass der Anspruch nur besteht, wenn sie bei „Eintritt der Invalidität“ mindestens ein Beitragsjahr aufweisen. (Vgl. zu den versicherungsmässigen Voraussetzungen der Leitfaden des BSV unter https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/iv/grundlagen-gesetze/leistungen-iv/iv-vmv.html (eingesehen am 14.5.2023). Bezüglich der Eingliederungsmassnahmen ist die betroffene Person ab dem Zeitpunkt als invalid zu betrachten, in welchem zum ersten Mal offensichtlich wird, dass der Gesundheitsschaden die Gewährung einer gesetzlich vorgesehenen Leistung notwendig macht (Rz. 0103 KSBEM). Siehe auch Art. 4 Abs. 2 IVG und Rz. 2015 KSVI. Das heisst bei Hilfsmitteln für Personen aus der Türkei, die nicht in der Schweiz geboren wurden, dass sie ein Jahr Wohnsitz und Aufenthalt in der Schweiz gehabt haben müssen im Moment, in dem das fragliche Hilfsmittel erstmals objektiv notwendig wurde.
  3. Eine Änderung eines einmal wegen der fehlenden versicherungsmässigen Vorausstzung abgelehnten Anspruchs auf Hilfsmittel und andere Eingliederungsmassnahmen kommt nur unter folgender Voraussetzung in Frage: Dann, wenn sich der Gesundheitszustand, der zur Notwendigkeit eines Hilfsmittels führt, so erheblich ändert, dass von einem neuen Versicherungsfall ausgegangen werden muss. Also keine erwartbare Verschlechterung des vorbestehenden Zustandes, sondern eine unerwartbare, völlig neue Situation. Etwa auch wegen einer anderen Ursache.
  4. Zu prüfen sind bei aus obigen Gründen abgelehnten Hilfsmitteln der IV mögliche Leistungen etwa von Stiftungen, oder notfalls seitens der Sozialhilfe. Hilfswerke wie Procap oder Pro Infirmis könnten hier ev. weiterhelfen.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

 
Prof. Peter Mösch Payot